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Wie zwei Berliner Startups den Podcast-Markt aufmischen wollen

von Timo Brücken
Podcasts erleben gerade einen neuen Boom, doch in Deutschland geht wie immer alles ein bisschen langsamer. Zwei Startups aus Berlin wollen das ändern und die Audioformate zum Runterladen auch hierzulande ganz nach vorne bringen. Die Idee hinter Viertausendhertz und den Castronauten: eine Art Plattenfirma für Podcasts.

Mit „Serial“ hat alles angefangen, zumindest im Mainstream. Als der True-Crime-Podcast Ende 2014 durch die Decke ging, wurde auch außerhalb der Szene endgültig klar: Podcast können mehr. Mehr als nur grottig aufgenommene Quasselrunden oder zweitverwertete Radiosendungen sein. Sondern spannende Geschichten und anspruchsvolle Diskussionen bieten, professionell produziert und mitreißend.

Etwa mehr als ein Jahr später steckt „Serial“ mitten in der zweiten Staffel, Spotify hat sich gerade entschieden, Podcasts ins Programm zu nehmen — und in Deutschland wartet man immer noch vergeblich auf ein Format, das an die Qualität und den Erfolg all der Serials, This American Lifes, WTFs und so weiter anknüpfen kann. Stattdessen finden sich in den Top 10 der 2015 bei iTunes heruntergeladenen deutschsprachigen Podcasts ausschließlich Mitschnitte von Sendungen, die vorher im öffentlich-rechtlichen Radio (oder Fernsehen) gelaufen sind.

Was uns immer gefehlt hat, war die Community

Maria Lorenz, Castronauten-Mitgründerin

Doch in Berlin tut sich was. Zwei junge Firmen versuchen hier gerade, deutsche Podcast professioneller und endlich profitabel zu machen: Viertausendehertz sind Ende Januar an den Start gegangen, bei den Castronauten soll es am 1. März soweit sein. Die Idee hinter beiden Startups: Zusammen ist man weniger allein.

„Wir sind beide schon seit mehreren Jahren Podcaster und was uns immer gefehlt hat, war die Community“, sagt Maria Lorenz, die zusammen mit Timo Leßmöllmann die Castronauten gegründet hat. „Es gibt viele Cliquen, die aus sich selbst heraus entstanden sind, aber viele fühlen sich auch ein bisschen allein.“ Lorenz will mit ihrem Projekt erreichen, „dass die Leute mehr miteinander machen und sich gegenseitig helfen.“ Ein Gedanke, den Nicolas Semak und seine drei Mitgründer bei Viertausendhertz teilen: „Viele Autoren würden zwar gern Podcasts machen, schrecken aber davor zurück, weil es ein Riesenaufwand ist. Und den wollen wir den Leuten abnehmen.“

Erfolgreich Podcasts machen bedeutet eben nicht nur, irgendwas ins Mikrofon zu sprechen und die Aufnahme dann ins Netz zu stellen. Es erfordert auch, etwa angenehm hörbares daraus zu produzieren, ein Cover zu entwerfen, einen Feed für Verbreitungskanäle wie iTunes einzurichten — und sich, wenn man damit Geld verdienen will, auch mit Marketing und Sponsoren auseinanderzusetzen. Bei alldem wollen die neuen Berliner Podcast-Startups helfen, fast wie ein Indie-Musiklabel, das seinen Künstlern sagt: Singt und tanzt, wir kümmern uns um den Rest.

Wir nehmen den Leuten den Aufwand ab

Nicolas Semak, Viertausendhertz-Mitgründer

„Die Leute sollen sich einfach aus dem Menü herauspicken können, was sie von uns gern als Service hätten“, sagt Lorenz. Auf der Castronauten-Speisekarte stehen etwa das Organisieren von Live-Events, ein Merchandise-Shop, in dem Podcaster Fanartikel verkaufen können, oder Hilfe bei der Kontaktaufnahme mit Werbepartnern. „Es gibt viel Interesse von potenziellen Sponsoren, aber sie sind oft skeptisch mit einzelnen Privatpersonen zusammenzuarbeiten“, erklärt Lorenz. „Auf der anderen Seite wüssten diese Privatpersonen gar nicht, an wen sie sich bei den Sponsoren wenden sollen. Da sitzen wir in der Mitte und helfen.“

Nur selbst Podcasts produzieren wollen die Castronauten nicht, zumindest nicht unter dem Dach des Startups, außerhalb davon sind Lorenz und Leßmöllmann schon seit Jahren an diversen Formaten beteiligt. Das ist bei Viertausendhertz anders. Drei von vier Gründern haben voher als freie Autoren fürs Radio gearbeitet, fünf von sechs Podcasts, mit denen ihr Label gestartet ist, stemmen sie allein.

So unterschiedlich die Herangehensweisen, so einig sind sich die Startups in der Qualitätsfrage. Für Semak und Viertausendhertz sind das Verständnis für eine gute Audioproduktion, „technisch und gestalterisch“, sowie Erfahrung am Mikrofon ausschlaggebend, um zu entscheiden, ob ein Podcast zum Label passt. „Wenn die Audioqualität ganz schlecht ist, sagen wir Bewerbern: Rüstet mal auf und meldet euch dann noch mal“, sagt Lorenz über die Kriterien der Castronauten. „Und wir gucken natürlich nach den Hörerzahlen, es muss ja für die Sponsoren auch irgendwie Sinn machen.“

Denn außerhalb der Radio-Zweitverwertung wir in Deutschland mit Podcasts nach wie vor kein Geld verdient. Anders als in den USA, wo eine besondere Form der Werbung völlig normal ist: Podcaster sprechen sie einfach selbst ein. Da reden dann etwa die Moderatoren des Podcast-Netzwerks Gimlet Media (dessen Entstehungsgeschichte man in Staffel 1 des Podcast „StartUp“ nachhören kann) ebenso selbstverständlich wie enthusiastisch über die Vorzüge des Website-Anbieters Squarespace oder von Amazons Hörbuch-Plattform Audible, vom Rest der Sendung lediglich durch eine andere Hintergrundmusik getrennt. Native Advertising nennt man das, im deutschen Journalismus eigentlich ein völlig verbrannter Begriff, weil die Vermischung von redaktionellen Interessen und denen der Werbekunden befürchtet wird. Viertausendhertz und die Castronauten wollen es trotzdem versuchen.

„Genau das ist für die Sponsoren am interessantesten“, sagt Maria Lorenz. „Durch die Stimmen der Hosts wird eine Vertrauenssituation hergestellt“ — und die Firmen müssten selbst keine Spots produzieren. „Wir finden es gut, die Werbung selbst einzusprechen, weil es zum Hören viel angenehmer ist als irgendwelche Radiospots“, sagt Nicolas Semak. „Aber gleichzeitig kommt es mit dem Sponsor zu überhaupt keiner Diskussion darüber, was unsere Inhalte sind.“ Podcastern, die fürs Werbung machen kritisiert werden, empfiehlt Lorenz das Argument: „Passt auf, wir stecken hier viel Arbeit rein, für euch ist und bleibt es kostenlos, aber wir müssen uns irgendwie finanzieren.“ Viertausendhertz wollen in einem Jahr mit ihrem Label so viel verdienen, wie bisher mit ihren Radioaufträgen. „Aber wir wollen kein Kohle-Startup werden“, sagt Semak. „Wir machen das vor allem aus Liebe zu gestalterischen und komponierten Audioformaten, wie wir sie aus den USA kennen.“

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Mit „Serial“ hat alles angefangen, zumindest im Mainstream. Als der True-Crime-Podcast Ende 2014 durch die Decke ging, wurde auch außerhalb der Szene endgültig klar: Podcast können mehr. Mehr als nur grottig aufgenommene Quasselrunden oder zweitverwertete Radiosendungen sein. Sondern spannende Geschichten und anspruchsvolle Diskussionen bieten, professionell produziert und mitreißend.

Etwa mehr als ein Jahr später steckt „Serial“ mitten in der zweiten Staffel, Spotify hat sich gerade entschieden, Podcasts ins Programm zu nehmen — und in Deutschland wartet man immer noch vergeblich auf ein Format, das an die Qualität und den Erfolg all der Serials, This American Lifes, WTFs und so weiter anknüpfen kann. Stattdessen finden sich in den Top 10 der 2015 bei iTunes heruntergeladenen deutschsprachigen Podcasts ausschließlich Mitschnitte von Sendungen, die vorher im öffentlich-rechtlichen Radio (oder Fernsehen) gelaufen sind.

Was uns immer gefehlt hat, war die Community

Maria Lorenz, Castronauten-Mitgründerin

Doch in Berlin tut sich was. Zwei junge Firmen versuchen hier gerade, deutsche Podcast professioneller und endlich profitabel zu machen: Viertausendehertz sind Ende Januar an den Start gegangen, bei den Castronauten soll es am 1. März soweit sein. Die Idee hinter beiden Startups: Zusammen ist man weniger allein.

„Wir sind beide schon seit mehreren Jahren Podcaster und was uns immer gefehlt hat, war die Community“, sagt Maria Lorenz, die zusammen mit Timo Leßmöllmann die Castronauten gegründet hat. „Es gibt viele Cliquen, die aus sich selbst heraus entstanden sind, aber viele fühlen sich auch ein bisschen allein.“ Lorenz will mit ihrem Projekt erreichen, „dass die Leute mehr miteinander machen und sich gegenseitig helfen.“ Ein Gedanke, den Nicolas Semak und seine drei Mitgründer bei Viertausendhertz teilen: „Viele Autoren würden zwar gern Podcasts machen, schrecken aber davor zurück, weil es ein Riesenaufwand ist. Und den wollen wir den Leuten abnehmen.“

Erfolgreich Podcasts machen bedeutet eben nicht nur, irgendwas ins Mikrofon zu sprechen und die Aufnahme dann ins Netz zu stellen. Es erfordert auch, etwa angenehm hörbares daraus zu produzieren, ein Cover zu entwerfen, einen Feed für Verbreitungskanäle wie iTunes einzurichten — und sich, wenn man damit Geld verdienen will, auch mit Marketing und Sponsoren auseinanderzusetzen. Bei alldem wollen die neuen Berliner Podcast-Startups helfen, fast wie ein Indie-Musiklabel, das seinen Künstlern sagt: Singt und tanzt, wir kümmern uns um den Rest.

Wir nehmen den Leuten den Aufwand ab

Nicolas Semak, Viertausendhertz-Mitgründer

„Die Leute sollen sich einfach aus dem Menü herauspicken können, was sie von uns gern als Service hätten“, sagt Lorenz. Auf der Castronauten-Speisekarte stehen etwa das Organisieren von Live-Events, ein Merchandise-Shop, in dem Podcaster Fanartikel verkaufen können, oder Hilfe bei der Kontaktaufnahme mit Werbepartnern. „Es gibt viel Interesse von potenziellen Sponsoren, aber sie sind oft skeptisch mit einzelnen Privatpersonen zusammenzuarbeiten“, erklärt Lorenz. „Auf der anderen Seite wüssten diese Privatpersonen gar nicht, an wen sie sich bei den Sponsoren wenden sollen. Da sitzen wir in der Mitte und helfen.“

Nur selbst Podcasts produzieren wollen die Castronauten nicht, zumindest nicht unter dem Dach des Startups, außerhalb davon sind Lorenz und Leßmöllmann schon seit Jahren an diversen Formaten beteiligt. Das ist bei Viertausendhertz anders. Drei von vier Gründern haben voher als freie Autoren fürs Radio gearbeitet, fünf von sechs Podcasts, mit denen ihr Label gestartet ist, stemmen sie allein.

So unterschiedlich die Herangehensweisen, so einig sind sich die Startups in der Qualitätsfrage. Für Semak und Viertausendhertz sind das Verständnis für eine gute Audioproduktion, „technisch und gestalterisch“, sowie Erfahrung am Mikrofon ausschlaggebend, um zu entscheiden, ob ein Podcast zum Label passt. „Wenn die Audioqualität ganz schlecht ist, sagen wir Bewerbern: Rüstet mal auf und meldet euch dann noch mal“, sagt Lorenz über die Kriterien der Castronauten. „Und wir gucken natürlich nach den Hörerzahlen, es muss ja für die Sponsoren auch irgendwie Sinn machen.“

Denn außerhalb der Radio-Zweitverwertung wir in Deutschland mit Podcasts nach wie vor kein Geld verdient. Anders als in den USA, wo eine besondere Form der Werbung völlig normal ist: Podcaster sprechen sie einfach selbst ein. Da reden dann etwa die Moderatoren des Podcast-Netzwerks Gimlet Media (dessen Entstehungsgeschichte man in Staffel 1 des Podcast „StartUp“ nachhören kann) ebenso selbstverständlich wie enthusiastisch über die Vorzüge des Website-Anbieters Squarespace oder von Amazons Hörbuch-Plattform Audible, vom Rest der Sendung lediglich durch eine andere Hintergrundmusik getrennt. Native Advertising nennt man das, im deutschen Journalismus eigentlich ein völlig verbrannter Begriff, weil die Vermischung von redaktionellen Interessen und denen der Werbekunden befürchtet wird. Viertausendhertz und die Castronauten wollen es trotzdem versuchen.

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„Genau das ist für die Sponsoren am interessantesten“, sagt Maria Lorenz. „Durch die Stimmen der Hosts wird eine Vertrauenssituation hergestellt“ — und die Firmen müssten selbst keine Spots produzieren. „Wir finden es gut, die Werbung selbst einzusprechen, weil es zum Hören viel angenehmer ist als irgendwelche Radiospots“, sagt Nicolas Semak. „Aber gleichzeitig kommt es mit dem Sponsor zu überhaupt keiner Diskussion darüber, was unsere Inhalte sind.“ Podcastern, die fürs Werbung machen kritisiert werden, empfiehlt Lorenz das Argument: „Passt auf, wir stecken hier viel Arbeit rein, für euch ist und bleibt es kostenlos, aber wir müssen uns irgendwie finanzieren.“ Viertausendhertz wollen in einem Jahr mit ihrem Label so viel verdienen, wie bisher mit ihren Radioaufträgen. „Aber wir wollen kein Kohle-Startup werden“, sagt Semak. „Wir machen das vor allem aus Liebe zu gestalterischen und komponierten Audioformaten, wie wir sie aus den USA kennen.“

Hier auf der Brücke wird ordentlich gerackert. Timo hat heute sogar extra sein Arbeitshalsband angelegt. pic.twitter.com/0PHfo6vctJ

— Castronauten (@castronauten) 27. Januar 2016

Denn die gibt es seiner Meinung nach noch viel zu wenig in Deutschland. Vor einem Jahr schrieb Semak bei WIRED: „Die deutschen Podcast-Charts sind eine Aneinanderreihung von völlig vernerdeten Special-Interest-Themen, die vor allem viel Leerlauf zum Inhalt haben.“ Eine Kritik an der eigenen Szene, die damals saß, die er heute im Zusammenhang mit Viertausendhertz aber nicht als Kampfansage verstanden wissen will. „Was es gibt, soll bestehen bleiben, ich glaube nur, es fehlt noch was.“

Beide Podcast-Startups betonen, dass sie nicht irgendwelchen Tendenzen in der Szene gegensteuern oder irgendwem erklären wollen, wie es richtig geht. Vielmehr gehe es um gegenseitige Unterstützung und fairere Voraussetzungen: „Wenn du dir die iTunes-Charts anschaust, bestehen die zu 80 Prozent aus Radio Podcasts, die viele Vorteile haben, allein in der Qualität der Aufnahme und weil sie sie viele Hörer mitbringen“, sagt Lorenz. „Unser Netzwerk besteht aus unabhängigen Podcasts, die wollen wir stärken und besser aufstellen. Wir würden gern denen Rückenwind geben, die mal was Neues versuchen.“ Und Semak? Steht zu seiner Szenekritik von damals, möchte sie aber nicht wiederholen: „Das Beste, was jetzt passieren kann, ist, dass Podcasts in Deutschland insgesamt mehr Aufmerksamkeit bekommen.“

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