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Kann Uber 2.0 ohne Travis Kalanick funktionieren?

von Elisabeth Oberndorfer
Mit dem Rücktritt des CEOs verdeutlicht Uber, wie sehr sich das Unternehmen ändern will. Doch der Management-Wechsel schwächt das 69-Milliarden-Startup.

„Damit Uber 2.0 Erfolg haben kann, ist nichts wichtiger, als meine Zeit dem Aufbau eines neuen Führungsteams zu widmen”. Mit diesen Worten verabschiedete sich Uber-CEO Travis Kalanick vergangene Woche in eine vorübergehende Pause. Mittlerweile ist klar: Uber 2.0 und seine neue Führung verzichtet auf seinen bisherigen Geschäftsführer. Kalanick, der aufgrund seiner Anteilsverhältnisse so gut wie unkündbar war, gab dem Druck der Investoren nach und tritt offiziell zurück. Der Managementwechsel könnte das Ende der monatelangen Krise bedeuten. Das 69-Milliarden-Dollar-Startup riskiert damit jedoch auch den Vorsprung gegenüber Konkurrenten.

Die Suche nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin und die Spekulationen darum sind bereits in vollem Gange: Susan Wojcicki, derzeit CEO bei YouTube, sei im Gespräch, heißt es. Und auch Thomas Staggs, der bis 2016 Disney-COO war, wird als potenzieller Kandidat gehandelt. Egal wer es wird, es wird auch um einen Kulturwandel gehen.

Jahre der Skandale
Kalanick erntete im Silicon Valley zwar wegen seines aggressiven Führungsstils durchaus Respekt, doch das wog die zunehmende Kritik an ihm und seinem Unternehmen nicht auf. Sein lautester Kritiker war Uber-Investor Chris Sacca, der nach eigenen Angaben kaum mehr mit dem Unternehmer spricht. Nicht erst seit den Sexismusvorwürfen bei Uber, die im Februar an die Öffentlichkeit sickerten, gilt das Startup als umstritten: Als erstmals ein Uber-Fahrer in einen tödlichen Unfall verwickelt war, versuchte der Ridesharing-Dienst, sich aus der Verantwortung zu ziehen. Um die kritische Journalistin Sarah Lacy einzuschüchtern, plante ein Manager eine Diffamierungskampagne gegen sie. Die Background-Checks der Fahrer galten lange als zu oberflächlich.

Angesichts dieser Geschehnisse ist es beinahe überraschend, dass die Management-Krise erst acht Jahre nach der Gründung aufkommt. Und es ist bezeichnend, dass sich Uber zumindest in den USA als Marktführer und Taxi-Herausforderer positionieren konnte. Experimente wie selbstfahrende Autos oder fliegende Taxis sollten diese Macht auch für die Zukunft sichern.

Doch genau diese Macht droht Uber mit dem Wechsel an der Spitze zu verlieren. Zu viel Zeit haben das Management und der Verwaltungsrat in den vergangenen Monaten auf Schadensbegrenzung verwandt. Davon hat einerseits der US-Mitbewerber Lyft profitiert, der sich neben seinem Nachbarn aus San Francisco immer als freundliche Alternative darstellte. Seit eine ehemalige Mitarbeiterin die sexistische Unternehmenskultur in ihrem Blog schilderte, ist der Marktanteil von Lyft leicht gestiegen. Bei Uber ist der Anteil aktuellen Zahlen zufolge von 90 auf 75 Prozent gefallen. Doch nicht nur bei den Fahrten kommt der Konkurrent in die Quere: Während Ubers Abteilung für autonome Fahrtechnologie aufgrund einer Klage von Waymo blockiert wird, geht Lyft eine Kooperation mit der Google-Tochter ein und testet auch mit Autokonzernen selbstfahrende Pkws.

Sandberg sagt Kalanick-Nachfolge ab
Die Suche nach einem COO beschäftigt den Verwaltungsrat seit März, die Suche nach einem CEO könnte ähnlich langwierig werden. Als Kalanick-Nachfolgerin wurde auch bereits Facebook-COO Sheryl Sandberg gehandelt. Sie ließ jedoch noch am Mittwoch ausrichten, dass sie Facebook nicht verlassen will. Das interimistische Führungskommittee wird jedenfalls ohne CEO nicht die Meilensteine erreichen, die Kalanick als Visionär des Startups anstrebte. Je länger der Aufbau eines neuen Führungsteams dauert, desto kleiner wird der Vorsprung, den Uber bei seinen Geschäftsfeldern bisher hatte.

Dieser Vorsprung war vor allem durch das Risikokapital in Höhe von zwölf Milliarden US-Dollar möglich, das Uber seit der Gründung einsammelte. Für die nähere Zukunft erwarteten Beobachter einen Börsengang, den Kalanick allerdings immer wieder dementierte. Auch wenn Analysten weiterhin daran glauben, dürfte das Thema zumindest bis zur neuen Geschäftsführung in der Schublade liegen bleiben.

Erwachsenwerden ohne den Gründer
Kalanicks Zeit bei Uber muss nicht unbedingt vorbei sein, solange er seine Anteile nicht verkauft. Der CEO war das Gesicht des Startups, „Travis 2.0“ könnte nach seiner persönlichen Pause wieder eine Rolle einnehmen – sofern das die Investoren und Mitglieder des Verwaltungsrates zulassen. Mit Arianna Huffington sitzt eine Kalanick-Unterstützung im Verwaltungsrat, die sich für eine etwaige Rückkehr aussprechen könnte. Es wäre nicht das erste Mal im Silicon Valley, dass ein Gründer nach seiner Abwesenheit wieder die Führung übernimmt: Twitter-Mitgründer Jack Dorsey übernahm 2015 den CEO-Posten von Dick Costolo, der ebenfalls auf Druck der Investoren zurücktrat. 

Als der Verwaltungsrat vergangene Woche die Maßnahmen zur Änderung der Unternehmenskultur präsentierte, zweifelten viele an ihrer Wirksamkeit. Mit dem Rücktritt von Kalanick und zahlreichen anderen Managern beweist Uber jetzt allerdings, dass die Veränderung nicht nur oberflächlich sein soll. Uber kann ohne seinen furchtlosen Geschäftsführer erwachsen werden. Das Wachstum verlangsamt sich zwar, weil nicht mehr ständig Grenzen überschritten werden. Dadurch entsteht aber ein nachhaltiges Unternehmen. Mit der negativen Aufmerksamkeit, die Uber seit Jahresbeginn auf sich zieht, kann es sich jedenfalls keine groben Fehler mehr leisten.

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