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Uber-Chef in Deutschland: „Wir könnten uns an die Regeln halten, aber...“

von Timo Brücken
Am Mittwochabend diskutiert Uber-CEO Travis Kalanick auf der NOAH-Konferenz in Berlin mit Daimler-Chef Dieter Zetsche. Einen Tag zuvor hielt er schon mal Hof im Berliner Startup-Club Factory und erklärte, wie sein Ridesharing-Dienst in Deutschland doch noch erfolgreich werden soll und was das mit selbstfahrenden Autos zu tun hat. WIRED war dabei.

Dafür, dass er der Teufel sein soll, wirkt Travis Kalanick sehr nett. Eigentlich verkörpert der Mitgründer und CEO von Uber für Kritiker all das, was schlecht ist an Startup-Welt und Sharing Economy: Rücksichtslosigkeit, Größenwahn, die Haltung: Gesetze, Gewerkschaften, Arbeitsschutz? Nein, danke. Stattdessen das einzige Motto: Innovation, baby!

Doch an diesem Abend im Berliner Startup-Space Factory lächelt Kalanick viel, schwärmt von der Hauptstadt im Sommer und zeigt schon in Minute eins seiner Präsentation die erste Folie mit Babyfoto. Der unerbittliche Testosteronbolzen, als der er immer porträtiert wird, scheint in San Francisco geblieben zu sein. Diesen angeblichen Teil seines Charakters braucht Kalanick in Berlin auch gar nicht, hier will dem Chef des erfolgreichsten Ridesharing-Dienstes der Welt niemand etwas Böses. Die vielen mehr oder weniger jungen Unternehmer im Raum (Kalanick identifiziert sie per Handzeichen) bewundern den Uber-CEO, wollen mutmaßlich so sein wie er: Startup gründen, exorbitant wachsen, irgendwas „disrupten“.

Erfolgreiche Unternehmer starten oft als Geeks, aber dann müssen sie einen Gang höher schalten

Travis Kalanick, Mitgründer und CEO von Uber

Wie das geht? „Erfolgreiche Unternehmer starten oft als Geeks, aber dann müssen sie einen Gang höher schalten“, erklärt Kalanick sein Erfolgsrezept. Er selbst habe schon mit elf Jahren Programmieren gelernt (deswegen das Foto eines Babys vor einer Tastatur), mit 18 sein erstes kleines Unternehmen gegründet und sich dann ein größeres Problem gesucht, das er mit den erworbenen Fähigkeiten lösen wollte: die verkrusteten Verhältnisse auf dem Taxi-Markt. Seine Transformation sei geglückt, „aber früher war ich todsicher ein Super-Geek“, sagt Kalanick. Höfliches Lachen und Applaus, King Travis hält Hof.

Vielleicht kommt die Nettigkeit auch daher: So viel Zuneigung ist Kalanick aus Deutschland nicht gewohnt, kaum ein anderes europäisches Land hat es seinem Ridesharing-Dienst so schwer gemacht. Nur noch in zwei deutschen Städten, Berlin und München, ist Uber überhaupt noch aktiv, jeweils nur mit eingeschränkter Produktpalette. Das Amtsgericht München hat das Unternehmen gerade wegen vorsätzlicher Personenbeförderung ohne Genehmigung zu einer Geldbuße von 12.800 Euro verurteilt. Und am Donnerstag verhandelt das Oberlandesgericht Frankfurt Ubers Berufung gegen eine Klage der Genossenschaft Taxi Deutschland. Durch diese wurde der Service UberPop hierzulande Anfang 2015 weitgehend gestoppt.

Warum tut Uber sich das an und entwickelt nicht einfach ein Angebot, das mit den Deutschen Bestimmungen vereinbar ist, will ein Zuhörer wissen, bringt man sich sonst nicht unnötig um Marktchancen? „Wir könnten uns an die Regeln halten, aber dann bekämen wir einen Service, den keiner will“, antwortet Travis Kalanick selbstbewusst. Er weiß aber wohl auch, dass es ganz so einfach nicht geht: trotzig sein, dann werden die anderen sich schon anpassen. „Wir arbeiten dran, die Regularien sind sehr streng und wir müssen unser Geschäftsmodell tweaken, um ‚deutscher‘ zu werden“, sagt er auf die Frage, ob und wann Uber denn wenigstens in Berlin wieder vollumfänglich verfügbar sein wird. Der nette Kalanick ist auch ein widersprüchlicher.

Wir müssen unser Geschäftsmodell tweaken, um „deutscher“ zu werden

Travis Kalanick, Mitgründer und CEO von Uber

Wie dieses „Tweaken“ aussehen könnte, hat Kalanick am Dienstag im Wall Street Journal skizziert: „Wir müssen die populärste Form der Fortbewegung in der Welt – Autos – effizienter nutzen“, schrieb er in einem Gastbeitrag für die Zeitung. „Wenn wir alle leeren Sitze ausfüllen, können wir unsere Straßen leerer machen und die Kosten für Fahrgäste senken.“ Damit meinte Kalanick seinen Dienst UberPool, bei dem die Uber-App Nutzern, die in die gleiche Richtung wollen, hilft, Fahrgemeinschaften zu bilden. In seiner Ursprungsstadt San Francisco mache der Service 40 Prozent aller gebuchten Fahrten aus, sagt Kalanick, in den weltweit 18 Städten mit UberPool immerhin schon durchschnittlich 20 Prozent. Der Dienst ist vor allem in China verfügbar, in Europa derzeit hingegen nur in Paris und London.

Keine unausgebildeten Fahrer mit Privatautos (UberPop) oder ausgebildete mit Mietwagen (UberX) also, sondern klassisches Carpooling: Dagegen können Gesetzgeber und Taxi-Industrie doch wohl nichts haben, oder zumindest weniger, scheint Ubers Gedanke zu sein. „Uber Pool ist aus unserer Sicht der Weg nach vorn. Das ist, wo wir hinwollen“, sagt Deutschlandchef Christian Freese. Das soll optimistisch klingen, aber man denkt auch: Notlösung. Einfallslos. Unter dem eigentlichen Anspruch von Uber.

Gut, dass es den Rest des Abends dann um weniger Bedrückendes geht. Wann Uber denn selbstfahrende Autos einsetzen werde, will jemand aus dem Publikum wissen, und wie das den Service verändern würde. „Wenn ich Sie auf gerader Strecke durch die Wüste kutschieren soll, dann gern schon morgen“, scherzt Kalanick. Aber im komplexen Stadtverkehr – zum Beispiel im Berliner Winter, bei Schnee, der die Sensoren verwirre – dauere das Ganze wohl noch etwas länger. „Autos, die unter diesen Verhältnissen vollkommen ohne Fahrer auskommen, wird es erst in wenigen Jahrzehnten geben“, sagt der Uber-CEO. Wie weit die deutsche Autoindustrie auf diesem Gebiet ist, kann er am Mittwochabend Daimler-Chef Dieter Zetsche fragen, wenn die beiden zusammen auf dem Podium der Berliner NOAH-Konferenz sitzen.

Doch wenn es erst mal so weit ist, bricht laut Kalanick die goldene Ridesharing-Zukunft an: „Uber zu nutzen wird über die Zeit günstiger werden, als ein Auto zu besitzen“, verspricht er. Der Preis werde durch die Selbstfahr-Technologie sinken, was letztlich auch ärmeren Bevölkerungsschichten den Zugang zum Angebot eröffne. Außerdem ist Kalanick überzeugt, dass autonome Autos deutlich weniger Unfälle mit Toten und Verletzten bauen werden.

Und damit nicht genug „Wir werden alte Städte in neue verwandeln, sie grüner und lebenswerter machen“, sagt der Uber-CEO. Dafür, dass er der Teufel sein soll, wirkt Travis Kalanick eigentlich sehr nett.

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