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Verluste und Enttäuschungen: Twitter tritt auf der Stelle

von Karsten Lemm
Anleger sind geschockt: Twitters aktuelle Quartalszahlen zeigen, wie tief der Social-Media-Dienst in der Krise steckt. Die Rechnung, durch Wachstum profitabel zu werden, geht nicht auf. Droht der Absturz in die Nische?

Alle scheinen von Donald Trumps Twitter-Sucht zu profitieren – nur Twitter selbst nicht. Während linksliberale US-Medien wie die New York Times und CNN zum ersten Mal seit Jahren wieder Aufwind spüren, stürzte die Twitter-Aktie nach Bekanntgabe der jüngsten Quartalszahlen am Donnerstag ins Bodenlose. Innerhalb weniger Stunden verlor das kalifornische Unternehmen gut zwei Milliarden Dollar an Wert.

Eigentlich hatten Investoren gute Nachrichten erwartet: Ende April gab Twitter bekannt, dass die Zahl der monatlich aktiven Nutzer auf 328 Millionen gewachsen war – ein Plus von sechs Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die News-Kur, die CEO und Mitgründer Jack Dorsey seiner Kurznachrichten-Plattform verordnet hatte, schien zu wirken: „Wir zeigen, was auf der Welt passiert und was die Menschen darüber sagen.“

Aber wie das manchmal mit Trainern und ihrer Mannschaft ist – ein frühes Tor bedeutet noch keinen Sieg. Im zweiten Quartal kam unterm Strich kein einziger neuer User hinzu; weltweit bleibt es bei 328 Millionen Nutzern, die regelmäßig ihre Meinung ins Netz hinaus zwitschern. Das ist gerade mal ein Sechstel der aktiven Facebook-Fanbasis, doch selbst das würden Anleger dem Twitter-Chef wohl verzeihen, wenn Dorsey einen Weg fände, mit seinem 140-Zeichen-Funkhaus endlich Geld zu verdienen.

Doch das Gegenteil ist der Fall: Im zweiten Quartal machte Twitter 117 Millionen Dollar Verlust – sieben Millionen mehr als vor einem Jahr. Schuld daran ist Medienberichten zufolge auch der Berliner Musikdienst Soundcloud, der von einer Krise in die nächste stolpert. Twitter hatte 2016 etwa 70 Millionen Dollar in Soundcloud investiert und muss nun 55 Millionen Dollar davon abschreiben. Auch das Anzeigengeschäft bekommt Dorsey nicht in den Griff: Im zweiten Quartal nahm Twitter gerade mal 489 Millionen Dollar durch Werbung ein, acht Prozent weniger als im Vorjahr.

So lesen sich die Finanzen wie ein Totalausfall, und einige Analysten unken bereits, dem einstigen Social-Media-Darling werde es nie gelingen, mehr zu sein als „eine Nischenplattform“, wie Brian Wieser von Pivotal Research gegenüber Bloomberg kommentiert. „Es war schon immer eine, und es wird immer eine bleiben.“

Das größte Problem, das Dorsey lösen muss, um Twitter am Leben zu halten, sehen viele Beobachter in den Pöbeleien, denen User oft ausgesetzt sind, wenn sie kontroverse Tweets veröffentlichen. Zwar werden zwielichtige Nutzerkonten mittlerweile millionenfach gesperrt, doch die bisherigen Versuche, Trolle und Bots zu bändigen, „waren nur kleine Schritte“, erklärt Jessica Liu vom Marktforscher Forrester Research gegenüber Cnet. „Sie reichen nicht, um eine nennenswerte Zahl neuer Nutzer anzuziehen.“

Das ungebremste Tweeten des Mannes im Weißen Haus mag am Ende sogar schaden: Viele Mini-Meldungen, die Donald Trump absetzt, führen zu wüsten Beschimpfungen von Fans und Gegnern in den dazugehörigen Twitter-Kommentaren. Von den Schlagzeilen, die Trump mit seinen Twitter-Nachrichten provoziert, profitieren derweil andere: Tageszeitungen und die News-Sender im Kabelfernsehen.

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