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Tesla, Netflix oder Dropbox? Diese Unternehmen könnte Apple kaufen

von Nils Jacobsen
Apple steht unter Druck: Wie die jüngsten Quartalszahlen dokumentieren, brechen dem Tech-Konzern die Umsätze und Gewinne weg. Um der Absatzerosion zu begegnen, könnte das Unternehmen seine Barreserven plündern und eine große Übernahme anstrengen. Doch welche Firma würde zu Apple passen?

Tim Cook ist nicht zu beneiden: Da verkündet der Apple-Chef mit 10,5 Milliarden Dollar den größten Quartalsgewinn der aktuellen Berichtssaison – doch weil die iPhone-Absätze erstmals seit der Markteinführung 2007 schrumpfen, bricht die Apple-Aktie schwer ein. Mehr als zehn Prozent hat Apple seit den enttäuschenden Quartalszahlen verloren und dabei rund 60 Milliarden Dollar Börsenwert eingebüßt.

Entsprechend sucht der Apple-Chef die Offensive. „Ich glaube, das ist eine große Überreaktion“, versucht Cook beim bekannten Börsenkommentator James Cramer in dessen Sendung Mad Money (CNBC) diese Woche Kurspflege zu betreiben. „Wir haben große Innovationen in unserer Pipeline. Wir werden Dinge herausbringen, ohne die man nicht mehr leben kann, Dinge, die das Leben unserer Kunden bereichern “, trommelt Cook.

Tim Cook deutet größere Übernahme als Beats an
Das Problem: Diese Art von hochtrabenden PR-Phrasen benutzt Cook, seit er 2011 CEO wurde. Auf den Markt gebracht hat der neue Apple-Chef von den angekündigten „unglaublichen Produkten“ nur die Apple Watch, die bislang nicht annähernd die hohen Erwartungen erfüllt hat. Bleibt Apple bei seinem immer langsameren Launch-Zyklus, könnte der nächste große Wurf – mutmaßlich das iCar – erst Anfang des nächsten Jahrzehnts auf den Markt kommen.

Es sei denn, Cook ist bereit, den legendären Geldspeicher seines Konzerns zu plündern. Genau das deutete der Apple-Chef in der Analystenkonferenz nach den Quartalszahlen vergangene Woche an. „Wir schauen uns den Markt immer an und suchen nach Firmen, die unsere Arbeit ergänzen oder einen Eintritt in einen Markt beschleunigen können, der uns fasziniert“, erklärte Cook. Auf Nachfrage ließ der 55-Jährige durchblicken: „Wir würden definitiv auch etwas Größeres kaufen als wir es bisher getan haben.“

Wäre Tesla ideal?
Die bisherige Messlatte liegt bei der drei Milliarden Dollar schweren Übernahme von Beats, mit der Apple vor zwei Jahren überraschte. Größer also soll es sein – und einen Eintritt in einen Wachstumsmarkt schaffen, in dem Apple bislang nicht oder wenig präsent ist. Zwei Übernahmekandidaten fallen einem reflexartig ein, die in den vergangenen Jahren immer wieder auf dem Wunschzettel von Analysten standen: Tesla und Netflix.

Der gehypte Elektroautohersteller von Elon Musk, der selbst schon als Apple der Autobranche gilt, wäre der Königstransfer, wie es im Fußball heißt. Mit Tesla würde Apple dem iCar deutlich näherkommen. Welche Begehrlichkeiten Tesla bei Apple längst weckt, dokumentieren nicht zuletzt die zahlreichen Abwerbungen zum Aufbau der eigenen Abteilung Titan.

„Hochzeit im Himmel“
Da überrascht es nicht, dass das Finanzportal Marketwatch diese Woche eine Lanze für eine Tesla-Übernahme durch Apple brach. „Es könnte eine Hochzeit im Himmel sein“, heißt es in dem Artikel.

Das liegt nicht zuletzt daran, dass Marketwatch eine weitere These mit ins Spiel bringt: Apple sollte Tesla nicht nur kaufen, sondern auch den Gründer und Vorstandsvorsitzenden Elon Musk zum neuen CEO machen. Die Begründung: Seriengründer Musk, der neben Tesla noch das Raumfahrtunternehmen Space X und den Solaranlagen-Hersteller Solar City besitzt, könnte Apple zu einem zuletzt schmerzlich vermissten Innovationsschub verhelfen.

Sollte Elon Musk Tim Cook ersetzen?
„Tim ist kein Produktmensch“, urteilte schon Cooks Förderer Steve Jobs in der Biografie von Walter Isaacson auffällig verhalten über seinen Nachfolger. Auch die Wall Street und die Branchenpresse haben sich auf die fehlende Innovationskraft Apples eingeschossen, das seit zwei Jahrzehnten von inzwischen „mittelalten, weißen Männern“ geführt wird. Marketing-Chef Phil Schiller ist 55, Internetchef Eddy Cue 52 – und auch Neuverpflichtung Angela Ahrendts, eine der ganz wenigen Frauen auf oberster Managementebene in Apples vierzigjähriger Unternehmensgeschichte, ist ebenfalls schon 55.

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Musk, trotz überlebensgroßer Karriere gerade erst 44, könnte genau diese Lücke schließen und Apple an der Wall Street die verloren gegangene Aufbruchsstimmung zurückholen – so weit die Theorie. „Eine Kombination aus einem operativen Vorstand Cook und einem Visionär wie Musk wäre famos“, schreibt Marketwatch und erklärt das ungewöhnliche Duo an der Spitze von Apple zur Traumlösung.

Tesla könnte mehr als 50 Milliarden Dollar kosten
Allein: Besonders realistisch scheint zumindest der Führungswechsel nicht. Cook dürfte fünf Jahre nach Übernahme der Amtsgeschäfte ebenso wenig gewillt sein, seinen CEO-Sessel zu räumen, wie Musk Interesse an der bürokratischen Verwaltung eines 100.000 Mitarbeiter schweren Megakonzerns haben dürfte – von vorprogrammierten Konflikten mit den Egos auf Apples oberster Management-Ebene ganz zu schweigen. Eher denkbar wäre ein Tesla-Verkauf als Exit-Strategie für Musk, schließlich fühlt sich der Südafrikaner ständig zu Neuem berufen – einem Trip zum Mars bis 2020 inklusive.

Dafür müsste Apple allerdings massiv seine üppigen Geldbestände anzapfen: Tesla wird aktuell mit einer Marktkapitalisierung von knapp 30 Milliarden Dollar bewertet. Diese könnte sich jedoch nicht zuletzt nach dem Run auf das Model 3, für das inzwischen mehr als 400.000 Vorbestellungen eingegangen sind, vervielfachen. Entsprechend müsste Apple einen ordentlichen Premiumpreis bezahlen, der sich schnell auf den doppelten Börsenwert von Tesla belaufen könnte.

Netflix: Die logische Alternative
Doch es gibt noch einen anderen Konzern, der in Cooks Expansionsstrategie passen könnte: Netflix. Reed Hastings boomender Streaming-Dienst würde Apple im Handumdrehen den besten Platz im Wohnzimmer verschaffen, den es mit dem ausgefallenen Apple-Fernseher und der zögerlichen Entwicklung seiner Set-Top-Box Apple TV verschlafen hat. Denn was Apple am Ende fehlt, sind originäre Inhalte, die Netflix am Fließband produziert.

Apple sollte Netflix kaufen“, Analyst Jan Dawson rief schon vor einigen Monaten zur Übernahme des Video-Streaming-Anbieters auf. Mit fast 40 Milliarden Dollar wird Netflix inzwischen an der Wall Street bewertet und dürfte nach einem angemessenen Premiumaufschlag ebenfalls schnell in der Region jenseits der 50 Milliarden Dollar kosten – wenn Hastings denn schon bereit wäre, sich von seinem Lebenswerk zu trennen.

Am Ende könnten Apples vermeintlich unerschöpfliche Barreserven jedoch zum Problem werden. 233 Milliarden Dollar liegen in den Geldspeichern, doch tatsächlich ist Apples Nettovermögen deutlich kleiner: Auf 80 Milliarden Dollar sind die Verbindlichkeiten für Anleiheemissionen bereits angewachsen. Dazu kommen Steuerzahlungen von bis zu 35 Prozent auf das Kapital, das im Ausland liegt – und das betrifft 208 Milliarden Dollar. Unterm Strich verfügt Apple somit tatsächlich „nur“ über 80 Milliarden Dollar auf der hohen Kante, die Cook im Falle einer Übernahme von Tesla oder Netflix ziemlich schnell abschmelzen würde.

Dropbox als B-Lösung?
Blieben deutlich günstigere B-Lösungen – zur Komplettierungen des Geschäfts. Hier nennt Business Insider als potenzielle Übernahme den Cloudspeicher-Anbieter Dropbox. Das Gerücht geht bis in die Steve Jobs-Jahre zurück: Seinerzeit schlug Gründer Drew Houston ein Übernahmeangebot über 800 Millionen Dollar aus. Heute müsste Cook wohl den 15-fachen Preis bezahlen (in der letzten Finanzierungsrunde wurde Dropbox mit 10 Milliarden Dollar bewertet).

Die Übernahme erscheint angesichts der nach wie vor wenig gelungenen iCloud naheliegend: Dropbox gilt als beste Speicherlösung, während die iCloud immer wieder durch eigentümliche Zicken bei der Synchronisierung auffällt und in ihrem Anwendungsszenario längst nicht so benutzerfreundlich und übersichtlich erscheint wie der neun Jahre alte Filehoster.

Cook hat es verpasst, Netflix und Tesla zu einem Bruchteil zu kaufen
Wäre eine Dropbox-Übernahme der Befreiungsschlag, auf den Apple an der Wall Street wartet? Wohl kaum: Droxbox’ Umsätze sollen im kleineren dreistelligen Millionenbereich liegen und würden sich damit auf dem Niveau von Beats bewegen. Den Kopfhörerhersteller sicherte sich Apple am Ende bekanntlich nicht wegen seiner Kopfhörer, sondern wegen des Streaming-Dienstes, der heute das Fundament für Apple Music bildet.

So sind Apples Möglichkeiten für einen großen Übernahmecoup tatsächlich begrenzter, als es das trügerische Cash-Polster erscheinen lässt. Die Chance auf den Zukauf von Wachstumswerten wie Netflix oder Tesla wurde in den vergangenen Jahren verpasst, als beide Aktien für einen Bruchteil des heutigen Wertes zu haben waren. Heute müsste Cook den Löwenanteil der Barbestände aufwenden – oder das Kapitalrückführungsprogramm an Aktionäre (Dividendenausschüttungen und Aktienrückkäufe), das gerade um 50 Milliarden Dollar ausgeweitet wurde, in Zukunft massiv herunterfahren, was an der Wall Street ebenfalls nicht gut ankommen würde.

Am Ende dürfte Cook für Apples Turnaround deshalb auch mittelfristig auf die bekannten Erfolgsrezepte setzen und hoffen, mit dem iPhone 7, spätestens aber mit dem iPhone 8 das vom treffsicheren KGI-Analysten Ming-Chi Kuo schon für Herbst 2017 erwartet wird, wieder in die Wachstumsspur zurückzufinden. „Das Wichtigste ist, dass Kunden unsere Produkte lieben. Die Kundenzufriedenheit und -loyalität war nie höher. Das ist das Wichtigste auf lange Sicht für Apple“, erklärte der Apple-CEO diese Woche im CNBC-Interview. Es klingt ein bisschen nach Durchhalteparole. 

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