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StartupDiaries / Wie man in einer Woche einen TED-Talk vorbereitet

von Tim Rittmann
Drei Berliner fahren in einem Land Rover ein halbes Jahr lang durch Südamerika. Im Gepäck: ihre Firma. Ihr Ziel: Kolumbien. Der Auftrag: Die boomende Startup-Szene des Halbkontinents porträtieren — und natürlich Geld verdienen. WIRED Germany begleitet sie dabei.

„Was ich alles machen will, bevor ich sterbe.“ Es gibt Menschen, die legen an besonders erinnerungswürdigen Tagen ihres Lebens ultimative To-Do-Listen an. Darauf stehen dann Dinge wie Fallschirmspringen, Meditation in einem buddhistischen Kloster und allerlei sexuelle Fantasien. Auch Fabian Dittrich hat eine solche Liste, besser gesagt eine Evernote-Notiz, und ein Punkt auf dieser Liste lautet: Einmal einen TED-Talk halten.

Dittrich ist ein großer Fan der Vortragsreihe, in der Visionäre und Scharlatane aus Kunst, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik ihr ganz persönliches Höhlengleichnis an die Wand werfen. In Berlin schmuggelte er sich bereits fünf mal auf TED-Veranstaltungen, zudem sah er sich knapp 500 Vorträge auf YouTube an.

Klar könnt ihr kommen, aber nicht als Gäste, sondern als Speaker

Nun waren er, der Programmierer Dominic Brasovneau und Office Manager Vin Tram mit „La Oficina“ – so haben die drei Berliner ihren zu einem Büro umfunktionierten Land Rover getauft – nach 12000 Kilometern südamerikanischer Straße auf dem Weg nach Bogotá, der Hauptstadt Kolumbiens. Hier würden sich ihre Wege trennen, Dominic nach Rumänien fliegen, Vin ein paar Tage später nach Berlin, Endstation. Da schrieb ihnen ihre neue Assistentin Claudia, in Bogotá fände bald ein TEDx-Talk statt. Natürlich wollte Fabian dort hin. Claudia fragte also höflich, ob man den Talk besuchen könne, am besten kostenlos, man sei viel gereist und käme von weit her. Die Antwort am Tag darauf lautete: Klar könnt ihr kommen, aber nicht als Gäste, sondern als Speaker.

Die Konferenz empfiehlt ihren Speakern sechs Monate Vorbereitungszeit für einen Talk

Speaker auf einer TED-Konferenz? Check! Dittrich würde ein Häkchen machen können auf seiner Liste. Doch die Sache hatte tatsächlich einen Haken. „Die Konferenz empfiehlt ihren Speakern sechs Monate Vorbereitungszeit für einen Talk“, so Dittrich. Er hatte aber bloß eine Woche. Der TED-Talk in Bogotá ist zwar eine kleinere Nebenveranstaltung, aber TED ist TED. Was zählt, sind die drei kapitalen Buchstaben. „Das Video landet auf der Startseite, das ist eine echte Chance, die dein Leben verändern kann“, hofft der 33-Jährige. „Im Anschluss an einen guten Talk fliegst du womöglich um die Welt und wirst fürs Quatschen bezahlt.“

Dittrich glaubt an diese Chancen, die man bloß am Schopfe packen muss. Einmal lag er mit Malaria in einem Bett irgendwo in Zentralafrika. Weil er Internet hatte, googelte er gelangweilt und halb im Delirium „The coolest job of the world on the internet“ und füllte nachlässig einen Fragebogen aus. Auf so blöde Ideen kommt man wohl nur im Fieberwahn. Drei Wochen später saß er in London und führte das Bewerbungsgespräch.

Das Thema mag vielleicht abgedroschen klingen, aber wenn Dittrich über etwas reden kann, dann über Chancen und Schöpfe und krumme Wege, die auch zum Ziel führen und viel mehr Spaß bereiten als gut geteerte Karriere-Highways. Um sich in der kurzen Zeit vorzubereiten, buchte er kurzerhand einen Präsentationscoach in Amsterdam. Innerhalb von drei Stunden arbeiteten sie über Skype ein Skript aus. „Die Anatomie eines perfekten TED-Talks besteht aus einem Wow-Effekt für das Opening-Statement und für die Schlussbetrachtung, sowie drei Weisheiten, auf die man den Talk herunterbrechen kann“, weiß er heute.

Vor etwas mehr als einem Jahr war Dittrich auf Jamaika, dort kraxelte er die Dunn’s River Falls empor, einen sehr schönen Wasserfall, der mehrere hundert Meter sanft über Felsen plätschert, die wie überdimensionale Kieselsteine aussehen. Der Wasserfall ist eine Touristenattraktion, ständig laufen Menschen diese natürliche Wassertreppe herauf. Dabei nehmen sie alle den gleichen Weg über die Steine, Händchen haltend und im Gänsemarsch ihren Guides folgend, mit Gummischuhen an den Füßen, die sie sich für 10 Dollar ausgeliehen haben. Für Dittrich sind die Dunn’s River Falls mehr als ein Wasserfall. Sie sind eine Parabel auf das Leben.   

Anderthalb Tage lang schloss sich Dittrich in ein Hotelzimmer ein und studierte den Auftritt


In seinen Talk würde er drei persönliche Geschichten einbringen, darunter die Sache mit der Malaria und dem besten Job der Welt. Und er würde drei Menschen vorstellen, die er auf seiner Südamerikareise kennengelernt hat, unter anderem die zwei Gründerinnen Valeria Figallo aus Lima und Macarena Botta aus Montevideo. Ein TED-Vortrag darf normalerweise nicht länger als 18 Minuten sein, dann wird das Video abgeschnitten, egal wer auf der Bühne steht. Timing ist demnach alles. Anderthalb Tage lang schloss sich Dittrich in ein Hotelzimmer ein und studierte den Auftritt, die essentiellen Parts, die kurzen Pausen, die Gags.

Am Morgen der Veranstaltung ging er seinen Vortrag ein letztes mal durch und kam auf eine Länge von 17 Minuten und 55 Sekunden. Mit einem Taxi fuhr er 13 Kilometer zum Colegio San Carlos, eine katholische Elite-Schule außerhalb der Stadt, viele der Lehrer tragen eine Mönchskutte. Dittrichs Talk war der letzte des Abends und der einzige auf Englisch. Leider kann man ihn erst in zwei Wochen auf der Homepage von TEDx Bogotá sehen. Aber so viel vorweg: Der Vortrag beginnt mit dem Bild von einem Wasserfall auf Jamaika.

In der letzten Folge „Startup Diaries“ stellten sich die digitalen Nomaden die Frage, was eigentlich beim Arbeiten unterwegs auch alles schiefgehen kann.

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von WIRED Editorial