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Spotify will den Mainstream personalisieren

von Leonie Czycykowski
Es gibt wieder eine neue Playlist bei Spotify: das Release Radar. Der Streaming-Dienst empfiehlt uns damit noch mehr Musik, die uns seiner Meinung nach gefällt. Zu viel des Guten?

Spotify ist ein getriebenes Unternehmen. Sein wichtigster Schatz sind Daten und die bieten ihm scheinbar endlose Möglichkeiten. Die Konkurrenz auf dem Musik-Streaming-Markt ist groß geworden. Um an der Spitze zu bleiben, versucht Spotify deswegen nicht weniger, als aus all den Daten unseren Musikgeschmack zu berechnen. Sein neustes Feature beweist das einmal mehr: das Release Radar.

Dieser ist eine personalisierte Playlist, die Nutzer jeden Freitag mit den neuesten Single-Veröffentlichungen versorgen soll. Das Besondere: Die frischen Hits sollen analysiert und auf unseren persönlichen Geschmack abgestimmt werden. „Wir verstehen uns selbst als ein Data-First-Unternehmen. Die Musikwelt entwickelt sich in solch einem hohen Tempo, dass die Frage der Datenerhebung und -verarbeitung einfach immer wichtiger wird“, erklärt Spotifys Chef-Softwareentwickler Edward Newett gegenüber WIRED.

Aber woher kommt der Personalisierungs-Wahn? Noch vor einigen Jahren war Spotify der unangefochtene Platzhirsch auf dem Markt der Musik-Streaming-Angebote. Doch nicht zuletzt nach dem Start von Apple Music muss das schwedische Unternehmen immer stärker kämpfen – sowohl um die Nutzer, wie auch um Künstler und ihre Werke.

Wie zielführend ist der Wunsch, zum Hightech-Plattenladen unseres Vertrauens zu werden?

Um sich weiter von Wettbewerbern abzugrenzen, veröffentlicht der Streaming-Anbieter deshalb in schöner Regelmäßigkeit neue Features. Und die haben so gut wie alle etwas mit der Mathematik und den Daten hinter unserem Musikgeschmack zu tun. „Dank unserer riesigen Nutzerbasis und der Vielzahl an von Nutzern erstellten Playlists haben wir eine Datenbasis, durch die wir besser personalisieren können als die Konkurrenz“, sagt Newett. Er war schon für die Entwicklung der ersten personalisierten Playlist Discover Weekly zuständig und führt diese Arbeit nun mit dem Release Radar fort.

Die personalisierte Zusammenstellung von völlig neuen Songs, wie sie das Radar verspricht, stellte die Entwickler jedoch vor einige Probleme: Je länger ein Inhalt auf der Plattform schon verfügbar ist, desto genauer kann der Algorithmus arbeiten. Ist ein Song aber gerade erst in den Katalog aufgenommen worden, kann auf deutlich weniger Daten zurückgegriffen werden.

„Es ist eine große Herausforderung, die Personalisierung eines Albums oder Songs bereits in dem Moment vorzunehmen, in dem es bei uns erscheint“, erklärt Newett. Eines seiner Teams in New York habe dafür mit Audio-Analysen, Deep Learning und verschiedenen Algorithmen experimentiert. Jeden Song wollten sie unmittelbar zuordnen können.

Doch wie zielführend ist der Wunsch von Spotify, zum persönlichen Hightech-Plattenladen unseres Vertrauens zu werden? Die Zahl der Playlists und Zusammenstellungen wächst so schnell und stetig, dass man sich fragen muss, ob hier nicht nur das Prinzip gilt: „Mehr ist immer besser.“. Neben den personalisierten Listen Discover Weekly und Release Radar gibt es ja zum Beispiel auch noch den von Menschenhand kuratierten New Music Friday und die Auflistung der Album-Neuerscheinungen.

„Wir glauben, dass New Music Friday und Dein Release Radar sich ergänzen“, sagt Newett. Während ersterer die Nutzer mit den gerade in ihrem Land angesagten Künstlern versorge, wolle man mit Release Radar sicherstellen, „dass wir auch den individuellen Geschmack unserer Nutzer bedienen.“

Spotify will sein Angebot möglichst persönlich halten, aber auch zeigen: Wir sind auf der Höhe des Mainstreams

Spotify scheint eine Strategie der Balance zu verfolgen. Auf der einen Seite versucht das Unternehmen, sein Angebot möglichst persönlich halten. Auf der anderen Seite will es zeigen: Wir sind auf der Höhe der Zeit und kennen die Trends des Mainstreams. Die Frage ist: Brauche ich wirklich eine Playlist mit den neuen Justin-Bieber-Hits, wenn in einer anderen der Algorithmus meines Vertrauens ein besser zu mir passendes Angebot zusammenstellt? Viele User werden vermutlich mit „Nein“ antworten.

Unter diesem Gesichtspunkt würde es nicht überraschen, wenn auch in Zukunft die automatisch erstellten Empfehlungen für die Nutzer weiter an Relevanz gewinnen und Spotify ein von Daten getriebenes Unternehmen bleibt. Vielleicht wird so auch die ein oder andere Funktion schnell wieder entfernt.

Die Personalisierung scheint jedenfalls so wichtig zu sein, dass Spotify sie nicht allein einem Computerprogramm überlassen will. Noch immer kümmern sich auch menschliche Kuratoren um den richtigen Mix. „Es geht uns auch darum, kulturell relevante Inhalte hervorzuheben. Dafür braucht es Content-Kuratoren, die neue interessante Künstler finden und diese entsprechend kennzeichnen“, sagt Newett. Wie war das noch gleich mit dem freundlichen Plattenverkäufer von nebenan?

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