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Silicon-Valley-Startups: Der Skandal um Zenefits beschleunigt den Absturz der Einhörner

von Karsten Lemm
Mit einer Bewertung von 4,5 Milliarden Dollar galt der Software-Anbieter Zenefits als Vorzeige-Startup des jüngsten Booms, die glorreiche Zukunft fest vorprogrammiert. Bis herauskam, dass die Firma offenbar geschummelt hat, um so schnell zu wachsen, wie es die Investoren erwarteten.

Wenige Gründergeschichten aus der Tech-Branche können bei diesem Auf und Ab mithalten: Bevor Parker Conrad zum Darling der Silicon-Valley-Szene wurde, flog er von der Harvard-Uni, weil er sich mehr mit der Studentenzeitung The Crimson beschäftigte als mit seinem Studium. Er holte seinen Abschluss nach, machte Karriere bei einer Biotech-Firma, nur um den gut bezahlten Job aufzugeben, als ihm die Idee für ein eigenes Startup kam. Das nicht recht gedeihen wollte. Wieder mal das Aus. Und ein Neuanfang.

Am selben Tag, an dem Parker Conrad bei Sigfig aufhörte, gründete er Zenefits: eine Softwarefirma, die Kleinbetrieben helfen sollte, ihre Mitarbeiter zu managen — ganz ähnlich wie SAP, Oracle und Salesforce. Nur, dass Zenefits seine Software als Cloud-Dienst komplett kostenlos anbot. Zum Geldverdienen setzte das Startup auf Kommissionen: Wann immer eine Firma die Software nutzt, um für Mitarbeiter eine Krankenversicherung abzuschließen, verdient Zenefits eine Vermittlergebühr.

Die Aussichten schienen gigantisch: ein Freemium-Modell, angewandt auf Firmensoftware aus der Cloud, verbunden mit diversen Serviceleistungen, die sich nach und nach zu Geld machen ließen. Denn Kommissionen für Krankenversicherungen sollten nur der Anfang sein. Mit dieser Vision sammelte Zenefits in gerade mal zwei Jahren mehr als 580 Millionen Dollar ein und wurde bei der jüngsten Finanzierungsrunde im Mai 2015 mit 4,5 Milliarden Dollar bewertet. Kaum ein Startup war je so schnell gewachsen.

Doch dann der Absturz. Plötzlich liegt Parker Conrad wieder am Boden. Sein größter Investor, Andreessen Horowitz, beruft Anfang Februar 2016 eine Krisensitzung ein, weil sich Berichte verdichten, dass Zenefits es mit den Vorschriften offenbar nicht so genau nahm, wenn es darum ging, Versicherungspolicen zu vermitteln. Eigentlich dürfen das nur Makler mit einer bestimmten Ausbildung, doch Zenefits soll auch Mitarbeiter eingesetzt haben, die keine solche Qualifikation besaßen. Nach ersten Berichten im November leiteten mehrere US-Bundesstaaten Untersuchungen gegen Zenefits ein.

Kritisch für Conrad wird es, als sich Hinweise auf die verbreitete Nutzung einer Tricksoftware ergeben: Sie soll es Zenefits-Mitarbeitern erlaubt haben vorzutäuschen, dass sie ihr Online-Training zur Versicherungsvermittlung vorschriftsmäßig absolvierten — auch wenn sie gar nicht aktiv teilnahmen. Am 8. Februar gibt Zenefits das Aus für Conrad bekannt. Er wird ersetzt durch seine Nummer zwei, den ehemaligen PayPal-Topmanager David Sacks.

Der setzt sofort auf Demut: „Zenefits hat eine große Zukunft vor sich, aber nur wenn wir uns korrekt verhalten“, schreibt er in einem offenen Brief an seine Mitarbeiter. Über weite Strecken liest dieser sich wie eine unverhohlene Schelte des gerade abgelösten Gründers: „Viele unserer internen Prozesse zur Einhaltung der Vorschriften sind ungenügend gewesen“, schreibt Sacks. „Unsere Kultur und unser Auftreten passen nicht zu einem Unternehmen in einem stark regulierten Umfeld.“

Für das Silicon Valley ist das Drama Teil einer zunehmend länger werdenden Liste von Sorgen um hochgejubelte Jungfirmen. Zum einen zeigt sich die Wall Street weit weniger begeistert von den Neulingen als private Geldgeber, die Milliarden in hoffnungsfrohe Startups gesteckt haben: Der Börsenwert des Bezahldienstes Square etwa ist seit November um mehr als 30 Prozent geschrumpft. Der beliebte Marktplatz Etsy, voriges Jahr im April mit 31 Dollar pro Aktie gestartet, liegt heute bei gerade noch acht Dollar. So geht es weiter, Startup um Startup, mit wenigen Ausnahmen.

Theranos etwa, lange als vielversprechender Anbieter von schnellen, simplen Gesundheitstests gefeiert, kämpft ums Überleben, seit sich Berichte über Unregelmäßigkeiten häufen. Partner wie die Drogeriekette Walgreens drohen mit dem Ende der Zusammenarbeit. Fantasy-Sportseiten wie DraftKings und FanDuel kämpfen derweil gegen den Vorwurf, illegales Glücksspiel zuzulassen. Und der Privattaxi-Service Uber zahlt Millionen, um Klagen beizulegen. Immerhin: Mit einer Bewertung von 51 Milliarden Dollar hat Uber reichlich Fallhöhe.

Mehr Hintergründe zum Überlebenskampf der einst hochgejubelten Silicon-Valley-Startups lest ihr hier

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