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Revry will ein Netflix für das LGBTQ-Publikum sein

von Chris Köver
Die neue Streamingplattform Revry will Netflix in einer besonderen Nische Konkurrenz machen: Das Startup aus Los Angeles streamt Serien, Filme und Podcasts für ein LGBTQ-Publikum.

Damian Pelliccione war schon eine Art „schwuler Medienguru“, lange bevor er überhaupt einen eigenen Streamingdienst gründete. Seine Tech-Talkshow Boys in Tech, in der er „die schwule Seite der Netztrends“ bespricht, erreicht jede Woche einige Tausende Zuschauer auf YouTube. In Los Angeles ist er auch als Gastgeber des monatlichen Tech-Treffens New Media Vault bekannt.

Mit diesem Monat ist Pellicione allerdings vom schwulen Medienguru mit eigenem Hashtag (#gaymediaguru) zum Medien-Mogul aufgestiegen. Er besitzt nun nämlich auch einen eigenen Sender. Die von ihm gegründete Streamingplattform Revry ist eine Art Netflix für „queerrated content“. Will heißen: Hier bekommen Abonnenten ausschließlich Serien, Filme und andere Geschichten geboten, in denen lesbische, schwule, bi- und transgender Menschen im Mittelpunkt stehen. Es geht also um Inhalte von und für die so genannte LGTBQ-Community.

Der Gründungsmythos, wie Pellicione ihn im Interview mit DailyDot erzählt, trug sich in seinem Wohnzimmer zu – nachdem er sich mit seinem Partner im vergangenen Herbst einen neuen AppleTV gekauft hatte. Keine einzige App für LGBTQ-Inhalte hätten sie darauf gefunden, auch für Google Chromecast habe es keinen solchen Dienst gegeben. „Da hatten wir die Milliarden-Dollar Idee, selbst eine zu gründen“, sagt Pellicione.

Das Ergebnis ist Revry, eine Plattform für „queerrated“ Inhalte, die seit Kurzem auf Apple TV, Chromecast, aber auch Android- und iOS-Geräten verfügbar ist. Und zwar nicht nur in den USA, sondern weltweit. Für den Anfang bietet die Plattform rund 200 Stunden Programm, darunter Kochshows wie Bear Naked Chef und Cooking With Dragqueens, die Dokuserie After Orange, die Gefängnisinsassinnen nach ihrer Entlassung auf dem Weg in den Alltag begleitet und die Drama-Serie Starting from...Now um lesbische Liebschaften. Aber auch Podcasts und Musikvideos findet man auf Revry.

Bislang sind das vor allem ehemalige Indie-Produktionen: Serien, die vor ihrer Aufnahme ins Revry-Programm bereits auf YouTube kostenlos zu sehen waren, von ihren MacherInnen mit Mini-Budgets produziert. Die Horror-Soap Capitol Hill ist so ein Fall, auch Cooking With Drag Queens zählt dazu. Ab diesem Herbst will Revry, dem Modell von Netflix und Amazon folgend, allerdings auch eigene Inhalte produzieren. Geplant ist etwa eine Doku-Serie zur Trans-Ballroom-Szene in Los Angeles.

Das kingt beeindruckend für ein Nischenstartup ohne große Investoren im Rücken. Trotzdem stutzt man nach dieser Ankündigung erst mal kurz. Braucht ein LGBTQ-Publikum wirklich einen eigene Streamingplattform? Netflix und Amazon, aber auch HBO und selbst Sender wie Fox produzieren doch derzeit so ein diverses Programm, wie nie zuvor in der Fernsehgeschichte – was unterschiedlichste Geschlechtsidentitäten und Begehren angeht. Jill Soloways Transparent auf AmazonPrime stellt eine transsexuelle Protagonistin in den Mittelpunkt, in anderen Serien wie Glee gehören queere Charaktere ebenso selbstverständlich zum Cast wie im sonstigen Leben auch.

Die Frage ist aber wohl falsch gestellt. Entscheidend ist nicht so sehr, ob das LGBTQ-Publikum eine Plattform wie Revry dringend gebraucht hat, sondern ob Anzeigenkunden und Investoren diese Idee gut finden. Ihnen fehlte bislang ein Kanal, um ein globales LGBTQ-Publikum direkt anzusprechen – und Pellicione, der als Experte für Onlinemarketing Universitätskurse zum Thema unterrichtet, hat diese Lücke gut erkannt. Entsprechend groß ist derzeit der Andrang von Investoren und Anzeigenkunden, zumindest stellt Pellicone das so dar. Es klingt, als denke er derzeit schon als Erlösmodelle, die über das reine Abo-Modell hinausgehen, etwa Product Placement in den Serien. Derzeit kostet ein Monatsabo 5 Euro, ein Jahr 59 Euro.

Das soll nicht die Absichten von Pellicione schmälern, mit Revry ein diverses Programm zu schaffen. Es ist bekannt, dass Schwarze oder Latina-Frauen es in Hollywood schwer haben, an Rollen zu kommen. Auch wenn ein lesbischer oder schwuler Kuss auf einem Bildschirm inzwischen längst niemanden mehr aufschreien und zurückspulen lässt – Geschichten, die sich um das Leben von nicht-weißen, nicht-heterosexuellen Charakteren drehen, sind noch immer rar. Und Serien über schwarze lesbische Frauen sind zum Beispiel ausschließlich auf YouTube zu finden.

„Es gibt Millionen von Menschen wie mich, die es kaum erwarten können, ihre Geschichten erzählt zu sehen“, sagt Pellicione. „Zu viele andere Projekte sind auf weiße schwule Männer fokussiert. Unser Mandat ist, jeden Teil von LGBTQ einzuschließen: Schwarz, Latino, Asiatisch, Menschen mit Behinderungen... jede Perspektive, die wir in den Medien repräsentiert sehen wollen.“ Wenn Pellicione das mit Revry schaffen sollte, spricht nichts dagegen, dass er mit seinem Startup gleichzeitig auch noch Geld verdient.

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