Hinweis zu Affiliate-Links: Alle Produkte werden von der Redaktion unabhängig ausgewählt. Im Falle eines Kaufs des Produkts nach Klick auf den Link erhalten wir ggf. eine Provision.

Pfeif aufs Fernsehen, schaut PietSmiet – über einen Kampf um Sendefreiheit

von Dominik Schönleben
Die Behörden rücken immer mehr Internet-Stars auf die Pelle. Für bekannte Video-Kanäle wie PietSmiet oder Gronkh könnte das bald das Ende bedeuten. Auch kleineren Streamern droht Gefahr. Die Geschichte eines unwirklichen Chaos an Regeln, Anklägern und Ungerechtigkeiten.

Der Entertainer Peter Smits wollte nie Chef seines eigenen Fernsehsenders sein. Unter dem Namen PietSmiet veröffentlicht er seine Show fast täglich auf YouTube und der Live-Video-Plattform Twitch. Klassische Formate, wie es sie im TV gibt, sucht man dort vergeblich. Stattdessen zockt Smit mit seinen Kumpels vor Publikum live Videospiele, macht so genannte Let's Plays. Rund zwei Millionen Menschen gefällt das auf YouTube. Damit ist er nach dem bekanntesten Let's Player Gronkh der zweiterfolgreichste Live-Spieler Deutschlands. Smits zweites Standbein, seine Sendungen auf Twitch, könnte aber wegbrechen. Dort sind immerhin über 300.000 Menschen Fans seiner Show.

Die ZAK – eine Kommission, die Fernsehsender lizenziert – entschied im Mai plötzlich: Wenn Pietsmiet seinen Twitch-Kanal nicht anmeldet, so wie andere TV-Sender in Deutschland, dann dürfe er auch nicht mehr senden. Auf einmal sollten für den Let's Player die selben Regeln gelten wie für RTL oder ProSieben. Das konnte der 28-jährige Smits kaum glauben: „Ich sehe uns auf jeden Fall nicht auf einer Ebene mit Fernsehsendern“, sagt Smits im Gespräch mit WIRED.

Es wäre für den Let's Play-Star kein Problem, eine Zehn-Jahres-Lizenz für 1000 bis 10.000 Euro zu beantragen. Er hat den Erfolg und damit auch die nötigen Einnahmen. Hinter seinem Fall steckt aber mehr. Die deutsche Medienlandschaft hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert, viele Regeln blieben aber gleich. Früher fesselten Fernseh-Shows im Wohnzimmer Millionen von Menschen, heute ziehen Streaming-Angebote wie YouTube oder Twitch die gleiche Zahl vor ihre Laptops, Tablets und Smartphones. Hinter vielen der existierenden Angebote stecken aber keine professionellen Medienunternehmen. Sie sind als Hobby- und Amateurprojekte entstanden. PietSmiet ist einer von tausenden Streamern, wenn auch deutlich erfolgreicher als viele. Sollen sie jetzt alle für teures Geld eine Lizenz beantragen müssen? Ist das nicht vielleicht sogar ein Eingriff in deren Meinungs- und Handlungsfreiheit?

Wenn man sich den Rundfunkstaatsvertrag anschaut, scheint die Antwort klar:  Wer regelmäßig Videos für einen limitierten Zeitraum zur Verfügung stellt, sich dafür redaktionell vorbereitet und mehr als 500 Menschen erreichen könnte, gilt als Betreiber eines TV-Kanals. Entscheidend ist hier das Wort „könnte“ – denn in der Theorie kann einfach jeder Kanal im Internet so viele Menschen erreichen. Betroffen sind somit alle Twitch-Streamer, zumindest solange sie vorab ankündigen, wann sie das nächste Mal live gehen.

Auch eine Facebook-Seite gehört dazu, wenn sie regelmäßig Videos überträgt. Sobald Zuschauer zu einem bestimmten Termin einschalten müssen, um eine Sendung zu sehen, greift der Rundfunkstaatsvertrag. Die bekannten YouTube-Stars sind deshalb nicht betroffen. Deren Videos sind permanent verfügbar und werden nicht nach ein paar Stunden wieder offline genommen.

icon_cookie

Um diese Inhalte zu sehen, akzeptieren Sie bitte unsere Cookies.

Cookies verwalten

Der Entertainer Peter Smits wollte nie Chef seines eigenen Fernsehsenders sein. Unter dem Namen PietSmiet veröffentlicht er seine Show fast täglich auf YouTube und der Live-Video-Plattform Twitch. Klassische Formate, wie es sie im TV gibt, sucht man dort vergeblich. Stattdessen zockt Smit mit seinen Kumpels vor Publikum live Videospiele, macht so genannte Let's Plays. Rund zwei Millionen Menschen gefällt das auf YouTube. Damit ist er nach dem bekanntesten Let's Player Gronkh der zweiterfolgreichste Live-Spieler Deutschlands. Smits zweites Standbein, seine Sendungen auf Twitch, könnte aber wegbrechen. Dort sind immerhin über 300.000 Menschen Fans seiner Show.

Die ZAK – eine Kommission, die Fernsehsender lizenziert – entschied im Mai plötzlich: Wenn Pietsmiet seinen Twitch-Kanal nicht anmeldet, so wie andere TV-Sender in Deutschland, dann dürfe er auch nicht mehr senden. Auf einmal sollten für den Let's Player die selben Regeln gelten wie für RTL oder ProSieben. Das konnte der 28-jährige Smits kaum glauben: „Ich sehe uns auf jeden Fall nicht auf einer Ebene mit Fernsehsendern“, sagt Smits im Gespräch mit WIRED.

Es wäre für den Let's Play-Star kein Problem, eine Zehn-Jahres-Lizenz für 1000 bis 10.000 Euro zu beantragen. Er hat den Erfolg und damit auch die nötigen Einnahmen. Hinter seinem Fall steckt aber mehr. Die deutsche Medienlandschaft hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert, viele Regeln blieben aber gleich. Früher fesselten Fernseh-Shows im Wohnzimmer Millionen von Menschen, heute ziehen Streaming-Angebote wie YouTube oder Twitch die gleiche Zahl vor ihre Laptops, Tablets und Smartphones. Hinter vielen der existierenden Angebote stecken aber keine professionellen Medienunternehmen. Sie sind als Hobby- und Amateurprojekte entstanden. PietSmiet ist einer von tausenden Streamern, wenn auch deutlich erfolgreicher als viele. Sollen sie jetzt alle für teures Geld eine Lizenz beantragen müssen? Ist das nicht vielleicht sogar ein Eingriff in deren Meinungs- und Handlungsfreiheit?

Wenn man sich den Rundfunkstaatsvertrag anschaut, scheint die Antwort klar:  Wer regelmäßig Videos für einen limitierten Zeitraum zur Verfügung stellt, sich dafür redaktionell vorbereitet und mehr als 500 Menschen erreichen könnte, gilt als Betreiber eines TV-Kanals. Entscheidend ist hier das Wort „könnte“ – denn in der Theorie kann einfach jeder Kanal im Internet so viele Menschen erreichen. Betroffen sind somit alle Twitch-Streamer, zumindest solange sie vorab ankündigen, wann sie das nächste Mal live gehen.

Auch eine Facebook-Seite gehört dazu, wenn sie regelmäßig Videos überträgt. Sobald Zuschauer zu einem bestimmten Termin einschalten müssen, um eine Sendung zu sehen, greift der Rundfunkstaatsvertrag. Die bekannten YouTube-Stars sind deshalb nicht betroffen. Deren Videos sind permanent verfügbar und werden nicht nach ein paar Stunden wieder offline genommen.

Das erscheint paradox: Ein lineares Angebot, also ein vorübergehend verfügbares Video, unterliegt strengeren Regeln als ein Video auf YouTube, Vimeo oder sonst einer Website. Es gibt nur einen Grund für solch eine Regelung: Sie ist historisch so gewachsen.

Fernsehsender waren in Deutschland stets reguliert. In den Anfängen war das einerseits eine technische Notwendigkeit, weil nur eine begrenzte Bandbreite an Frequenzen zur Verfügung stand. Andererseits betrachtete der Staat das Bewegbild auch als Gefahr. Vor allem die Erfahrungen mit Propaganda im zweiten Weltkrieg hatten gezeigt, wie viel Einfluss Massenmedien auf Menschen haben können. Ein Fernsehsender sollte nicht noch einmal solche Macht bekommen.

Im Lauf der Jahrzehnte etablierten sich deshalb strenge Gesetze: die Rundfunkstaatsverträge, verhandelt zwischen den Ländern. Sie regeln, zu welcher Tageszeit welche Sendungen gezeigt werden dürfen. Filme ab 18 beispielsweise erst nach zwölf Uhr in der Nacht. Auch bestimmen die Verträge, wieviel Werbeunterbrechungen das Programm haben darf und wie es gekennzeichnet werden muss. Das funktionierte jahrelang einwandfrei, bis eben das Internet kam.

Spätestens seit YouTube können Amateure selbst Videos drehen, die sie kostenlos einem Massenpublikum zugänglich machen. Die Kamera dafür steckt heute in jedem Smartphone. Selbst Live-Shows sind ohne größeren technischen Aufwand machbar. Seiten wie Twitch und Facebook machen den eigenen Film zum Kinderspiel – und schwupps: Überall ploppen, in der Theorie, täglich zahllose neue Fernsehsender auf.

Einer, der 2007 diese neue mediale Freiheit für sich nutzte, war Peter Smits. Während seines Studiums in Köln ließ er sich von anderen beim Zocken zuschauen. Damals bekommt das noch junge Format zum ersten Mal den Namen: Let’s Play. „In zwei Jahren ist eh alles vorbei“, sagten seine Freunde immer wieder zu Smits. Nach knapp sechs Monaten hörte er aber bereits auf, zur Uni zu gehen. Stattdessen konzentrierte er sich auf sein neues Hobby, machte es nach und nach zu seinem Beruf. Smits war glücklich: Zum Studium zurück wollte er nie wieder. Computerspiele-Videos waren der perfekten Job, mit PietSmiet entstand eine erfolgreiche Marke und ein Selfmade-Entertainer mit einer eigenen, täglichen Show auf YouTube.

Ich verstehe nicht, warum eine Änderung der gängigen Praxis vorgenommen wird

Leonhard Dobusch, ZDF-Fernsehrat

„Ich halte es für schwierig, den Rundfunkstaatsvertrag so 1:1 auf unsere jetzige digitale Welt anzuwenden“, sagt dieser Entertainer heute. Anfangs habe es sich für ihn so angefühlt, als würde an ihm ein Exempel statuiert. Mittlerweile ist aber klar: Auch andere große Streamer bekamen Post von der ZAK. Unter anderem Deutschlands erfolgreichster YouTuber Erik Range alias Gronkh.

Auch Medien-Experten halten das Vorgehen der ZAK für problematisch: „Ich verstehe nicht ganz, warum man jetzt eine Änderung der gängigen Praxis vornimmt, obwohl man die Let's Plays bisher geduldet hat“, sagt Leonhard Dobusch, Professor an der Universität Innsbruck und Verantwortlicher für das Internet im ZDF-Fernsehrat.

Die Behörden wurden erst durch eine externe Beschwerde auf Pietsmiet aufmerksam. Insgesamt 27 Angebote ohne Lizenz wurden in den letzten zwei Jahren auf diese Weise angezeigt. Jeder kann so eine Beschwerde über ein Online-Formular einreichen, auch anonym. Selbst wenn ein Kanal dann nur 20 Abonnenten hat, muss die ZAK durchgreifen. Wer die Beschwerde im Fall PietSmiet eingereicht hat, wollten die Landesmedienanstalten auf Anfrage von WIRED nicht sagen. Ein Behördenmitarbeiter habe aber gegoogelt und dabei festgestellt, dass es sich nicht um einen Konkurrenten von Pietsmit handeln könne – wie auch immer so eine Google-Recherche aussehen soll.

Es gebe derweil kaum Möglichkeiten sich gegen die Einstufung als Fernsehsender zu wehren, sagt Medienrechtsanwalt Gero Himmelsbach: „Der Rundfunkbegriff im Rundfunkstaatsvertrag hat erst einmal Bestand. Dass die dortige gesetzliche Definition gegen Verfassungs- oder Europarecht verstößt, sehe ich nicht.“ Will heißen: Bis die Politik entscheidet, etwas am rückständigen Rechtszustand zu ändern, bleibt das Gesetz so wie es ist. 

Himmelsbach ist Honorarprofessor der Universität Bamberg und Experte für die Umsetzung des Rundfunkstaatsvertrags auf bayerischer Landesebene. Für Streamer gibt es seiner Meinung nach nur eine Möglichkeit: Sie müssen ihre Angebote so anpassen, dass sie nicht mehr als Rundfunk gelten. Das bedeutet: Kein Sendeplan nur noch spontan live senden.

Eine Lösung ist das natürlich nicht. Wenn die eigenen Fans nicht mehr wissen, wann ihr Idol online geht, können sie nicht einschalten. Wie sollen die Streamer so irgendjemand für sich begeistern? Ein echtes Problem ist das vor allem für kleinere Let's Player, die auf die Spenden der Community angewiesen sind und nicht wie Smits einen Großteil ihrer Einnahmen durch YouTube-Werbung machen.

Smits entschied sich für die einzige andere Alternative: aufhören. Zumindest mit einem seiner zwei Twitch-Kanäle. Ein 24-Stunden-Stream, in dem alte Episoden für eine gewisse Zeit in einer Dauerschleife wiederholt werden und der mit den Worten „Scheiß auf Fernsehen, guck PietSmiet TV!“ für sich wirbt. Smits Hauptkanal bleibt erst einmal bestehen. Auf Nachfrage hatte die ZAK ihm bestätigt, man stufe seinen Kanal aktuell nicht als Rundfunk ein. Vermutlich, weil Smits seine Live-Shows meist nur kurzfristig ankündigt, und es kein regelmäßiges Programm gibt.

Scheiß auf Fernsehen, guck PietSmiet TV!

Mit diesem Claim wirbt der Twitch-Kanal von Peter Smits

Warum setzt die ZAK Let's Player so unter Druck? Siegfried Schneider, ihr Vorsitzender, stellt sich gegenüber WIRED dieser Frage. In seinen Augen müssen Angebote, die Millionen von Menschen erreichen, gleichbehandelt werden. Wer sie ausstrahlt, sei dabei egal. „Bei der aktuellen Entwicklung wäre es notwendig, dass man die Unterscheidung linear und nicht linear auflöst“, sagt Schneider. Leisten könnte das eine neue Richtlinie, die gerade in der EU-Kommission verhandelt wird. Ähnliche Bestreben gibt es auch auf regionaler Ebene: Die neue CDU-FDP-Regierung aus Nordrhein-Westfalen schreibt im Koalitionsvertrag, dass sie die „Rundfunklizenz für Streamer“ abschaffen will.

Obwohl der Eindruck entsteht, die Rundfunkstaatsverträge hätten im Internet längst ihren Zweck verloren, spricht auch einiges für sie. Sie tragen der besonderen Verantwortung Rechnung, die eine Show mit Millionen von Zuschauern trägt. Das wurde auch Smits selbst mit steigendem Erfolg klar: „Irgendwann merkst du, du hast jetzt zwei Millionen Abonnenten, bestimmte Sachen solltest du vielleicht nicht mehr machen“, sagt er. Im April vergangenen Jahres habe er noch geraucht, es in Videos aber nie thematisiert. Er hatte Angst, dass Jugendliche ihn nachahmen könnten.

Für YouTube gelten die Rundfunkstaatsverträge paradoxerweise sowieso nicht. Oft stehen bekannte YouTuber in der Kritik, Schleichwerbung zu platzieren oder mit moralisch zweifelhaften Videos um die Aufmerksamkeit von Kindern und Jugendlichen zu buhlen. Ein Beispiel ist Ahmed Nadim Ahadi (ApoRed auf YouTube), der im Juli 2016 – kurz nach den Anschlägen in Nizza – in einem sogenannten Prank-Video in der Hamburger Innenstadt einen Rucksack auf Passanten warf und ihnen zurief: „Rennt lieber, wenn euer Leben was wert ist.“ Oder Katja Krasavice, die Nutzer mit dem Versprechen ihrer privaten Telefonnummer in die Abo-Falle lockt.

Jugendschutz-Auflagen und klare Regeln für Werbung hält Smits von PietSmiet für ein Angebot seiner Größe durchaus für sinnvoll. Er fürchtet aber um kleine Streamer, sollte der Anmeldezwang zum TV-Sender Schule machen. Das könnte auch ihm schaden: Gibt es keine Auswahl deutschsprachiger Angebote, könnten die Nutzer vielleicht einfach zu englischsprachigen Twitch-Streams wechseln, glaubt Smits.

Streamer sind nicht die einzigen, die eine Lizenz brauchen. Betroffen sind auch andere Web-Formate. Zu den prominentesten Beispielen zählt die Bank DKB, sie musste im Januar 2017 eine Rundfunklizenz beantragen, weil sie die Handball-Bundesliga online als Livestream übertrug. Und auch der Nerd-Sender Rocket Beans TV benötigte sie, nachdem er mit seiner ehemaligen MTV-Show ins Internet wechselte: „Wir haben die Flucht nach vorne angetreten, weil uns unser wichtigster Auftraggeber weggebrochen ist“, sagt Arno Heinisch, Mitgründer und CEO von Rocket Beans TV. Durch seine Fernseherfahrung war ihm schnell klar, dass er dafür eine Lizenz braucht. Um sie zu bekommen, musste er einen Zehn-Jahres-Businessplan vorlegen und einen Jugendschutzbeauftragten finden. Auch Peter Smits bräuchte beides, um eine Rundfunklizenz zu bekommen.

Heinisch hält es für richtig, dass sein Online-Sender Rocket Beans TV mit rund 90 Mitarbeitern eine Lizenz braucht. Aber ginge es nach ihm, wäre eine „grundsätzliche Reformierung notwendig, um sich den modernen Zeiten anzupassen“. Damit eben nicht jeder auf Facebook-Live, Periscope, Twitch oder YouTube am Ende eine Lizenz braucht. Um genau dies zu verhindern, wurde damals eigentlich die 500-Personen-Grenze in den Rundfunkstaatsvertrag geschrieben, Krankenhaus- oder Schul-Fernsehen, so der Gedanke, sollte lizenzfrei bleiben. Diese Idee greift längst nicht mehr, weil auch ein Facebook-Video, das eigentlich in der Praxis nur hundert Menschen erreicht, theoretisch Millionen von Zuschauern haben könnte.

Unzufrieden mit der aktuellen Situation sind eigentlich alle Beteiligten. Selbst die Landesmedienanstalten würden sich eine bessere Lösung wünschen: „Der Rundfunk-Begriff ist Technologie-Neutral. Als er allerdings erdacht wurde, hatte man ja nicht diese unüberschaubare Menge an Internet-Angeboten im Blick“, sagt ZAK-Vorsitzender Schneider. Beim Web-Radio gebe es durch die Anzeigepflicht bereits eine Lösung für das Problem. Das heißt, es muss keine Lizenz mehr erteilt, sondern nur noch bei der ZAK gemeldet werden, wer die Verantwortung für einen neuen Kanal trägt. Ähnliches gibt es etwa auch für Magazine, Zeitungen und Online-Nachrichtenseiten. Sie brauchen keine Lizenz, sondern müssen nur einen Verantwortlichen im Impressum nennen.

Kleinere Angebote bewegen sich in einem Graubereich

Leonhard Dobusch, ZDF-Fernsehrat

Wie schwierig die Trennung unterschiedlicher Angebote zwischen Fernsehen und Internet geworden ist, sieht man bereits an den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern. ARD und ZDF besitzen nicht nur eigene Online-Mediatheken, die jederzeit verfügbar sind, sondern sogar das Ende 2016 gestartete Angebot Funk. Dessen Videos werden ausschließlich über YouTube, Snapchat, Facebook, Twitter und Instagram veröffentlicht. Ähnlich haben sich auch die traditionellen Print-Verlage verändert und produzieren eigene Video-Inhalte fürs Netz.

icon_cookie

Um diese Inhalte zu sehen, akzeptieren Sie bitte unsere Cookies.

Cookies verwalten

„Es braucht hier ganz klar ein Update des Rundfunkrechts“, sagt Dobusch vom ZDF-Fernsehrat. „Einerseits sind die Regelungen zu eng gefasst. Anbieter, die Millionen erreichen, fallen heraus. Umgekehrt kleinere Angebote bewegen sich in einem Graubereich.“ Dobusch hält eine umfassendere Überarbeitung für sinnvoll. Denn mit einer simplen Anzeigepflicht würden weiterhin YouTuber ausgeklammert bleiben, ebenso die Video-Angebote von Online-Nachrichtenportalen.

Solange im Internet nicht dieselben Regeln für alle gelten, wird es weiterhin Angebote geben, die unter dem Radar operieren und diesen Umstand für sich nutzen. Es haben sich bereits die ersten Seiten und Kanäle etabliert, die genau solche Narrenfreiheit für folgenlose Schleichwerbung nutzen. Die EU-Kommission könnte das bald mit entsprechend ausgearbeiteten Richtlinien eindämmen. „Die Branche ist einfach zu groß geworden und hat zu viele Zuschauer“, kommentiert Peter Smits. Er will jetzt den Kontakt zu Politikern suchen, damit die „Wild-West-Zeit endlich beendet wird“. Selbst, wenn er dabei die letzte Kugel abbekommen sollte.

Dieser Artikel ist Teil der WIRED Story Shots – Denkanstöße zu den wichtigsten Fragen der Digitalisierung. Diese Woche: Let’s Play – sind einige Spiele-Nerds im Internet in Wahrheit Teil einer Entertainment-Revolution?

Teil 1
Scheiß auf Fernsehen, schaut PietSmiet – über einen Kampf um Sendefreiheit
Teil 2
Guest-Shot: Gegen Let’s Player haben TV-Showleute keine Chance mehr!
Teil 3
Was bedeutet der Erfolg von Deutschlands größtem Internet-Sender „Rocket Beans TV“?

Teil 4
Kommentar eines Gamers: Interessieren sich Let's Player überhaupt noch für ihre Spiele?!
Teil 5
Werden YouTuber wie Rewinside zum nächsten Thomas Gottschalk?
Teil 6
Live-Streams entwickeln sich zum interaktiven Teleshopping!

+++ In den vergangenen Story Shots behandelten wir das Thema: Mega-Mensch – Wie verschmelzen wir mit der Technologie? +++

GQ Empfiehlt