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Tesla wird nicht untergehen! Obwohl es so aussieht

von Michael Förtsch
Beim sonst so gefeierten E-Autobauer Tesla läuft momentan so einiges schief. Derzeit wird das Unternehmen von Produktionspannen, Rekordverlusten und einem Aktiensturz geplagt. Kritiker spekulieren schon über den Untergang des Elektropioniers und den Rücktritt von Technologie-Visionär Elon Musk.

Noch im Juli war alles fantastisch. Elon Musk war während einer Zeremonie am Tesla-Werk im kalifornischen Fremont in einem roten Model 3 vorgefahren. Dabei bejubelten ihn Angestellte und Fans. Es gab Grund zu feiern: Insgesamt 500.000 Exemplare des mittlerweile vierten E-Autos von Tesla hatten Kunden vorbestellt – mehr als fünfmal so viele Fahrzeuge wie im ganzen Jahr zuvor vom Band liefen. Noch im gleichen Monat fuhr die neue Produktion an.

Mittlerweile scheint die Aufbruchstimmung aber dahin. Vor allem in Börsen- und Wirtschaftsmagazinen ist vom „großen Scheitern“, einem „Crash“ und „Rückwärtsgang“ die Rede. Wobei Elon Musk selbst vom „etwa achten Kreis der Produktionshölle“ spricht.

Telsa hängt seinem Zeitplan mehrere Monate hinterher. Die Produktion des Model 3 verläuft keinswegs nicht so geschmeidig, wie Musk und seine Ingenieure es gehofft hatten. Bis September stellte das Unternehmen lediglich 260 neue Fahrzeuge fertig. Eigentlich hätten es 1.500 sein sollen. Musk hatte sogar davon gesprochen, dass für Dezember bis zu 5.000 Model 3 pro Woche „durchaus wahrscheinlich“ seien. Realistisch sind derzeit aber wohl maximal 300 pro Woche. Die meisten Käufer müssen warten. Der Grund für die Verzögerungen? Der kalifornische Autobauer hadert mit Prozessen, die etablierte Autobauer wie VW, Ford oder Toyota über Jahrzehnte perfektionieren haben.

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Beim Model S und Model X montieren die Tesla-Mitarbeiter viele Details von Hand. Beim Model 3 sollten deutlich mehr Roboter zum Einsatz kommen. Diese Umstellung sei ziemlich herausfordernd, wie Musk nun eingesteht. Die Ingenieure haben unter anderem Schwierigkeiten damit, Schweiß- sowie Hebe-Roboter richtig einzustellen. Außerdem gibt es Probleme mit der Taktung der Produktionsbänder und dem Einhalten von Spaltmaßen bei der Karosseriefertigung – beim Model 3 wird mehr auf Stahl gesetzt anstatt auf Aluminium.

Dass es Probleme gibt, verwundert kaum. Viele Fertigungsroboter wurden erst im April geliefert. Zudem hat Tesla Probe- und Einstellungsdurchläufe übersprungen, die eigentlich normal sind. Wenn etwas schief geht, müssen Schwierigkeiten deshalb im laufenden Betrieb beseitigt werden. Fazit: Es bleibt bei Handarbeit bei Tesla.

Eine reibungslose Produktion war nie möglich und das Chaos nur eine Frage der Zeit. Elon Musk glaubt, dass die aktuellen Hürden schnell genommen werden. Er hält an den 5.000 Fahrzeugen pro Woche fest – wenn auch erst für das Ende des kommenden Frühjahrs.

Schwierig? Sicher. Unmöglich? Nicht unbedingt. Einige der aktuellen Provisorien wirken wie das Ergebnis von Verzweiflung. Beispielsweise werden unfertige Model 3 an Händler ausgeliefert. Statt im Werk sollen mitgelieferte Teile vor Ort verbaut werden. Darunter Displays und Rückbänke. Das wirft Fragen bezüglich Qualitätssicherung und Sicherheit auf – vor allem beim Blick auf die zurückgerufenen Model X.

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Ein weiteres Problem soll die Batterieproduktion in der Gigafactory 1 darstellen. Auch hier soll die Robotik und Automatisierung nicht rund laufen. Tesla hat die Komplexität der Module unterschätzt, die aus den einzelnen Speicherzellen zusammengesetzt werden. Statt Roboterarme fabrizieren scheinbar gerade Mitarbeiter die einzelnen Akku-Packs. Das bremst das Produktionstempo und damit den Nachschub für die Fahrzeugherstellung.

Es ist nicht ganz klar, ob trotz oder gerade wegen der „Produktionshölle“ binnen weniger Tage zwischen 400 und 700 Tesla-Mitarbeiter entlassen wurden, wie Insider berichtete. Darunter nicht nur Arbeiter am Fließband, sondern auch Führungskräfte, Teamleiter und Vorarbeiter. Sie alle sollen bei einer internen Prüfung durch mangelnde Leistung aufgefallen sein. Auch Jon Wagner, der Interim-Leiter der Batterieproduktion und Mitverantwortliche der Gigafactory 1, soll das Unternehmen mittlerweile verlassen haben. Unter welchen Umständen ist unklar.

Auch die jüngsten Geschäftszahlen haben dem Ruf von Tesla geschadet. Die zeigten für das letzte Quartal einen Verlust von 619 Millionen US-Dollar (umgerechnet etwa 533 Millionen Euro) – doppelt soviel wie im Quartal zuvor. Seitdem ist auch die Tesla-Aktie, deren Wert zuvor kontinuierlich anstieg, um über sechs Prozentpunkte gefallen. Alleine seit dem 31. Oktober hat jede einzelne Aktie knapp 25 Euro an Wert verloren. Das hat auch das Vertrauen vieler Investoren in Elon Musk erschüttert. Daher wird von einigen bereits über den Rücktritt des Milliardärs spekuliert. Musk selbst hatte 2013 gesagt, dass er frühestens gehen werde, wenn die Produktion des Model 3 erfolgreich angelaufen sei.

Die derzeitigen Probleme sind durchaus gravierend, aber könnten schnell gelöst sein. Ebenso sind sie wohl weniger einschneidend, als es scheint. Das dritte Quartal 2017 war für Tesla eigentlich ein Rekordzeitraum. Abseits der Model 3 hat der Autobauer über 14.000 Model S und fast 12.000 Model X ausgeliefert – mehr als im Vorjahr zur gleichen Zeit. Diese Fahrzeuge sind derzeit das Kerngeschäft: Und das läuft gut.

Ebenso will Tesla nach China – wenn die Nachfrage im Westen sinkt, gibt es dort einen neuen Absatzmarkt. Vor allem aufgrund der ehrgeizigen Elektro-Quoten des Landes und dem Prestige, das westliche Hersteller im Vergleich zu lokalen Marken wie BAIC oder Great Wall genießen. Dazu wird Tesla, anders als BMW oder Ford, kein Joint Venture mit einem nationalen Unternehmen eingehen müssen, sondern direkt ein Werk eröffnen dürfen. Die mehrmals verschobene Enthüllung des Elektro-LKW Semi ist nun für den 16. November angesetzt.

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Tatsächlich haben Musk und Tesla wohl zu viel gewollt und versprochen. Etwas, das manch alteingesessener Autobauer mit einer gewissen Schadenfreude betrachteten wird. Nicht zuletzt, weil diese mit eigenen Elektro-Konzepten stetig aufschließen zum Konkurrenten aus den USA.

Viele der Probleme bei Tesla kamen kaum überraschend. Hier kollidieren die Dynamik und die Geschwindigkeit eines Tech-Startups mit den bodenständigen Problemen der klassischen Fertigungsindustrie. Auf dieses Problem weisen Automobil-Experten gegenüber WIRED schon lange hin. Eine glatt laufende Massenproduktion setzt eben Erfahrung voraus. Dass es jetzt bei Tesla knirscht und knarzt, ist nur logisch. Musks Produktionshölle könnte den Hype um Telsa eindampfen. Aber den Ehrgeiz des E-Autopioniers dürfte sie wohl kaum bremsen.

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von WIRED Staff