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„Wir suchen Eroberer“: Warum Mosaic Ventures 130 Millionen Euro in europäische Startups investieren

von Karsten Lemm
Drei Silicon-Valley-Veteranen haben einen der größten Risikokapital-Fonds der Welt aufgelegt — speziell für Europa. 130 Millionen Euro wollen Mosaic Ventures in junge Firmen aus Berlin, Barcelona oder Helsinki investieren. Die Partner haben sich schon mit Investments in Alibaba, Etsy, ResearchGate und Pinterest einen Namen gemacht. WIRED Germany hat Mike Chalfen und Toby Coppel bei ihrem ersten großen Scouting-Besuch in Berlin begleitet.

WIRED: Was macht die europäische Gründerszene plötzlich so attraktiv?
Mike Chalfen: Eine Reihe von grundlegenden Veränderungen. Vor zehn Jahren kostete es ein Vermögen, eine Website zu starten und so aufzustellen, dass sie schnell wachsen konnte. Das geht längst viel einfacher und billiger, wodurch viel mehr Menschen Online-Unternehmer werden können. Gleichzeitig verschwindet die Aussicht auf einen Job fürs Leben. Die Generation der Millennials muss sehr aktiv an ihrer Karriere arbeiten, um es zu etwas zu bringen. Das verlangt auch eine größere Bereitschaft zur Mobilität. Und wer ständig umzieht, neigt viel stärker dazu, sich Gedanken zu machen: Was will ich eigentlich erreichen?

Früher gingen die besten Gründer nach Kalifornien, heute bleiben sie hier.

WIRED: Dass europäische Städte dem Silicon Valley nacheifern möchten, hören wir nicht zum ersten Mal. Hat sich wirklich etwas geändert?
Toby Coppel: Die europäische Gründerszene ist stark gewachsen, früher wären die Besten vielleicht nach Kalifornien gezogen, heute bleiben sie hier. Man kann schließlich von überall eine App starten und über Nacht Kunden in 200 Ländern erreichen. Wir haben in den vergangenen zehn Jahren 200 Milliarden Dollar an Erlösen gesehen, weil Startups wie Skype, King, Criteo oder Rovio weltweit erfolgreich geworden sind. Es gibt also reichlich Chancen, Geld zu verdienen. Wir suchen acht bis zehn Startups im Jahr und sind sehr optimistisch.

WIRED: Viele Investoren halten sich dennoch zurück. Woran liegt das?
Chalfen: Seit der Finanzkrise 2008 ist das europäische Gründerkapital deutlich zurückgegangen. Das hat auch mit mangelndem Erfolg zu tun: Viele Riskioinvestoren waren entweder reine Finanzexperten oder reine Technikspezialisten, die nicht immer die geschäftliche Tragweite ihrer Entscheidungen überschaut haben.
Coppel: Es gibt wenige Venture-Kapitalgeber in Europa, die eine gute Erfolgsbilanz vorweisen können — und zusätzliches Geld lässt sich nur auftreiben, wenn man auf Erfolge zeigen kann. Wir haben alle lange im Silicon Valley gelebt und gearbeitet, wir wissen, wie das Startup-Geschäft funktioniert. So ist es uns gelungen, erfahrene Investoren aus den USA für unseren Fonds zu gewinnen. Natürlich fehlt Europa noch ein Erfolg à la Twitter, Facebook oder Google — aber die Aussichten auf beachtliche Erlöse sind deutlich gestiegen. Aktuell gibt es hier mindestens ein Dutzend Startups, die vom Markt mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet werden. Und nach unserer Schätzung gibt es 100 bis 150 Jungunternehmen, die mindestens hundert Millionen Dollar wert sind.

Die besten Unternehmer schauen nicht ängstlich über die Schulter, was andere machen.

WIRED: Wie unterscheiden sich die Gründer in Europa von denen in den USA?
Chalfen: In Europa verstecken die Möchtegern-Welteroberer ihre großen Ambitionen eher, in Amerika nicht. Aber man findet auch hier extrem ehrgeizige Startup-Unternehmer.
Coppel: Und das sind genau die, die wir suchen: Eroberer, die von sich selbst überzeugt sind und die Welt auf den Kopf stellen wollen. Andere Investoren mögen sich diese Leute anschauen und den Kopf schütteln. Wir nicht. Nicht jeder, der nach den Sternen greift, kann Erfolg haben. Aber wir sind hier, um diejenigen zu unterstützen, die es zumindest versuchen wollen.

WIRED: Wie unterscheiden sich die Gründer in Europa von denen in den USA?
Chalfen: In Europa verstecken die Möchtegern-Welteroberer ihre großen Ambitionen eher, in Amerika nicht. Aber man findet auch hier extrem ehrgeizige Startup-Unternehmer.
Coppel: Und das sind genau die, die wir suchen: Eroberer, die von sich selbst überzeugt sind und die Welt auf den Kopf stellen wollen. Andere Investoren mögen sich diese Leute anschauen und den Kopf schütteln. Wir nicht. Nicht jeder, der nach den Sternen greift, kann Erfolg haben. Aber wir sind hier, um diejenigen zu unterstützen, die es zumindest versuchen wollen.

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WIRED: Wie kommen Gründer am besten an Sie heran?
Chalfen: Durch den Kontakt zu Menschen, denen wir vertrauen und die sie empfehlen.
Coppel: Wir sichten Tausende von Business-Plänen im Jahr, also müssen wir filtern. Aber wir kennen sehr viele Leute, es sollte also nicht so schwer sein, an uns heranzukommen. Wenn jemand wie Eric Wahlforss von Soundcloud empfiehlt, dass wir uns mit einem Gründer treffen, dann tun wir das auch.

WIRED: Wie hat man Erfolg in einer Welt, in der immer mehr Leute als Gründer ihr Glück versuchen?
Coppel: Die besten Unternehmer schauen nicht ängstlich über ihre Schulter, um zu sehen, was andere machen — sie haben ihre eigenen Vorstellungen und wissen genau, was sie tun müssen, um sie umzusetzen. Natürlich müssen Gründer offen sein für Rat und Vorschläge, aber am Ende zählt nur die eigene Überzeugung. Ich erinnere mich noch gut an Jack Ma, den Alibaba-Gründer. Als wir bei Yahoo in ihn investiert haben, gab es praktisch keine Voraussetzungen für E-Commerce in China. Keine Logistik, keine Transportinfrastruktur, keine Bezahlsysteme — nichts. Aber er hatte genaue Vorstellungen davon, wie er es Herstellern ermöglichen würde, ihre Ware an Kunden zu verkaufen, und er verbrachte viel Zeit damit, sich mit Gründern aus den USA zu treffen.

In Berlin gibt es noch nicht so viele talentierte Techniker, Entwickler und Geschäftsleute wie etwa in London.

WIRED: Was fällt Ihnen auf, wenn Sie sich die deutsche Startup-Szene anschauen?
Coppel: Berlin ist ein echter Magnet für Gründer geworden und hat beste Voraussetzungen, der Startup-Welt seinen Stempel aufzudrücken. Was noch fehlt, ist ein ähnlich breites Spektrum an talentierten Technikern, Entwicklern und Geschäftsleuten, wie es etwa London bietet. Aber das liegt einfach daran, dass wir in Berlin noch mitten in der ersten Welle an Internet-Startups sind. Sobald genügend Firmen Erfolg haben, bilden sich Alumni-Netzwerke, bei denen die Ehemaligen neue Startups fördern. Man kann das in London zum Beispiel am Umfeld von Skype beobachten. Das gibt es in Deutschland so noch nicht, aber für jeden jungen Menschen, der in Spanien, Frankreich oder Italien von seiner eigenen Firma träumt, sollte Berlin ganz oben auf der Liste stehen.

WIRED: Manche halten Berlin längst für passé.
Chalfen: Das hat mit dem üblichen Auf und Ab der Hype-Welle zu tun. Für uns besteht kein Zweifel, dass Berlin alles mitbringt, um auf Dauer Erfolg zu haben.
Coppel: Investieren verlangt Zeit. Jungunternehmer müssen die Chance haben, Erfahrungen zu machen und zu lernen, was man alles braucht, um Unternehmen aufzubauen, die Weltklasse sind. Dafür muss man in Abständen von fünf bis zehn Jahren rechnen, wir stehen also noch ganz am Anfang. 

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