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Mit Refinery29 will ein Kölner sein US-Erfolgsmodell auch zum deutschen machen

von Domenika Ahlrichs
Als Jugendlicher hat er Deutschland den Rücken gekehrt, 20 Jahre später ist Philippe von Borries zurück – als CEO eines der erfolgreichsten US-Medienportale für Frauen. Mit Refinery29 will er den deutschen Markt erobern. Er ist sich sicher: Für sein Produkt gibt es Bedarf.

Ein Jugendlicher aus Köln geht als Austauschschüler in die USA und kehrt als Medienmogul zurück. Denn während seines Aufenthalts erlebte Philippe von Borries „eine Atmosphäre der Freiheit“, wie er sagt. Eine, die er bis dato nie gefühlt hatte. Der damalige Schüler bleibt, gründet und führt heute – mit Mitte 30 – eines der erfolgreichsten digitalen Lifestyle-Unternehmen für junge Frauen in Amerika. Lokale Ableger sitzen in Großbritannien – und nun auch in Berlin. 

Refinery29 lesen laut eigenen Angaben 25 Millionen User regelmäßig, es gebe „175 Millionen Nutzer verteilt auf alle Plattformen“, schreibt das Unternehmen. Aber das reicht von Borries nicht. Der Gründer und CEO will in seiner alten Heimat noch ein paar Millionen LeserInnen dazugewinnen.

Er ist also zurückgekehrt. Das ist ein kleiner Triumph für ihn: „Es ist unglaublich, mein 15-jähriges Ich wäre damals hintüber gekippt, hätte es geahnt, als wer ich hier auftreten würde“, sagt er im Gespräch mit WIRED. „Ich wäre das Leben dann vielleicht etwas relaxter angegangen.“

Refinery29.de ist die erste nicht-englischsprachige Seite des Unternehmens. Braucht das Land noch so ein „digitales Zuhause für Fashion, Beauty, News, Entertainment, Body&Soul“, wie sich die Seite selbst definiert? Doch, doch, daran gebe es Bedarf in Deutschland, sagt von Borries, der von einer „frischen Stimme“ spricht, wenn es um die Inhalte seiner Plattform geht, und davon, dass Frauen dort „in ihrer Individualität bestärkt und inspiriert“ würden.

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Mit dieser Einstellung will Von Borries den deutschen Markt angreifen, dem es an digitalen Angeboten für Frauen nicht gerade mangelt: Da wären zum einen die Angebote des Condé Nast Verlags (zu dem auch WIRED gehört) Myself.de, Vogue.de und Glamour.de, die Springer-Tochter gofeminin widmet sich zudem dem refinery29-Themenspektrum, und Edition F findet zunehmend Leserinnen. Aber wie gesagt, von Borries sieht sich im Geiste des amerikanischen Traums und dort belebt Konkurrenz das Geschäft: „Wir haben eine besondere Perspektive auf die Dinge“, ist er sich sicher. 

Kurzer Blick aufs aktuelle Angebot: „28 Tipps für ein einfaches Leben“, die Frage: „Macht Kim Kardashian Radlerhosen zum Sommertrend?“ und die Ich-Reportage „Wie ich meine Augenringe losgeworden bin“ mischen sich mit „Das 8-köpfige Kollektiv hinter Angela Merkels Instagram-Account“. Aus dem Stand die meiste Reichweite hat wenige Stunden nach dem Launch das Bekenntnis einer Frau mit „99 Menschen geschlafen“ zu haben. Bestärkung und Inspiration? Nunja. Einstellungssache.

In den USA war Refinery29 zunächst als eine Art City Guide gedacht. In New York war von Borries Anfang der 2000er gemeinsam mit seinem Internatskumpel Justin Stefano die Idee gekommen, den vielen kleinen alternativen Läden eine Plattform zu bieten, auf der sie sich digital präsentieren konnten. Wie in einer Einkaufs-Mall, 29 Läden pro digitaler Etage (daher die Zahl im Namen). Es ging um E-Commerce, lange noch nicht um Plattform-Journalismus. Von Borries und Stefano sprachen bei jedem Laden einzeln vor, und als 2005 Refinery29 online ging, verbreiteten sie die Neuigkeit vor allem über Email. Social Media war damals noch kein Thema.

Keiner der beiden Männer hatte vorher je ein Unternehmen gegründet, und mit Modethemen hatten sie bisher nichts am Hut gehabt. Nun gehören sie zu den Vorzeigegründern der amerikanischen Startupbranche. Was gab von Borries und Stefano damals den Antrieb? Der Ex-Kölner begründet das mit der Lust der Amerikaner, etwas zu schaffen und Pioniere auf unbekanntem Terrain zu sein. „Das ist auf mich übergesprungen“, sagt er.

Irgendwann seien die großen Marken gekommen und wollten mit dabei sein. Und da Refinery29 von vornherein in der Vermarktung nicht nur auf Anzeigen neben den Artikeln setzte, sondern im so genannten Native Advertising die angebotenen Produkte auch in Texten besprach, kam zudem das Geld.

Es kamen aber auch vor allem die Leserinnen. Sie reagierten, so erzählt es von Borries, weit mehr als Männer auf die angebotenen Produkte und die sie begleitenden Informationen. Und so wurde aus einem ursprünglich recht pragmatischen Commerce-Ansatz relativ schnell das, was es heute ist: ein Themen-Portal für Frauen. Auch intern: 70 Prozent des Executive Boards seien weiblich, sagt von Borries. Seine Ehefrau hat eine Chefposition. Und das Redaktionsteam in Berlin besteht vor allem aus Frauen.

So haben es also zwei Männer geschafft, in einem Bereich, von dem sie eigentlich keine Ahnung hatten, eine Nische zu besetzen. In den USA und zu Zeiten, in denen potenzielle User noch nicht täglich aus einem unendlichen Fundus an Angeboten und Informationen auswählen konnten. Refinery29.de muss sich da in einem komplett anderen Umfeld behaupten. Für den Kölner New Yorker Philippe von Borries ist die deutsche Version von Refinery29 aber auch nicht nur kommerziell wichtig: „Endlich können auch die in meiner Familie und unter meinen Bekannten alles lesen, die nicht so gut Englisch können.“ 

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