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Kuriose Crowdfundings, überraschende Millionen

von Helena Kaschel

Crowdfunding-Kampagnen für seltsame Dinge landen oft in den Schlagzeilen, Riesensummen kommen dabei aber eher selten zusammen. Andere Projekte starten mit einem bescheidenen Ziel und sacken dann völlig überraschend Millionen ein. Manchmal ist der Mega-Erfolg eine Art Zeitgeist-Kompass – wie bei  folgenden Beispielen.

Fidget Cube
Qi-Gong-Kugeln und Stressbälle waren gestern: Der Fidget Cube, auf deutsch „Zappel-Würfel”, soll eine neue Ära der Entspannungsspielzeuge einleiten. Das Fummel-Gadget kommt in verschiedenen Farben und sieht aus wie eine Mischung aus Spielwürfel und Mini-Controller: Auf jeder der sechs Seiten sind Schalter, Knöpfe oder Joysticks angebracht, die sich zum Teil geräuschlos bedienen lassen. So soll das Rumgedrücke Nervosität entgegenwirken und Konzentration fördern, ohne dabei Mitmenschen in den Wahnsinn zu treiben.

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Damit scheinen die amerikanischen Brüder Matthew und Mark McLachlan einen Nerv getroffen zu haben. Das Finanzierungsziel von 15.000 Dollar war schnell erreicht, inzwischen hat die Kickstarter-Kampagne die Drei-Millionen-Marke geknackt – dabei läuft das Projekt noch bis Mitte Oktober.

Der überraschende Erfolg lässt sich nicht nur mit einer steigenden Zahl an ADHS-Diagnosen erklären – auch wenn sich die McLachlan-Brüder auch auf das Syndrom beziehen. Über 50.000 Fans haben das das Projekt schon unterstützt: Offenbar leiden mehr Menschen als erwartet unter notorischem Etiketten-Knibbeln, Kugelschreiber-Klicken und Stuhl-Kippeln. Studien belegen glücklicherweise, dass das gar nicht so schlimm ist. Tätigkeiten mit den Händen fördern Kreativität und Lernverhalten. Vielleicht ist der Erfolg des Fidget Cube als doch kein Rätsel.

Flow Hive
Ein Bienenstock mit Zapfhahn – klingt nach Special Interest? Falsch. Ursprünglich wollte der aus einer Imkerfamilie stammende Australier Cedar Anderson für seinen neuartigen Bienenstock Flow Hive 70.000 Dollar sammeln. Bis zum Ende des Finanzierunszeitraums vergangenes Jahr kamen mehr als 13 Millionen Dollar zusammen. Ein neues Video über das Projekt, das The Verge kürzlich auf Facebook veröffentlichte, wurde bisher über 31 Millionen Mal angeklickt und über 500.000 Mal geteilt.

 
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Honig aus dem Hahn, das ist die Idee hinter Flow Hive. Mithilfe von speziellen Wabenplatten kann der Bienenhonig aus dem von Anderson selbstgebauten Kasten abfließen, ohne dass der Imker, in einen Schutzanzug gekleidet, die Waben herausnehmen und die Bienen „stören” muss.

Die Idee, ohne großen Aufwand auf zapffrischen Honig zugreifen zu können, hat Hobby-Imker weltweit überzeugt. Deren Anzahl wächst beständig: Die Mitgliederzahlen im Deutschen Imkerbund sind zum Beispiel von rund 76.000 im Jahr 2006 auf aktuell fast 104.000 gestiegen. Eine weitere Erklärung für die Beliebtheit der Flow Hive-Kampagne könnte ein wachsendes Bewusstsein über die Gefahren des Bienensterbens sein.

Inzwischen gilt Flow Hive als die erfolgreichste Kampagne in der Geschichte der Crowdfunding-Plattform Indiegogo. 35.000 Bestellungen haben Cedar Anderson und sein Team bisher erreicht. Die ersten Bienenstöcke wurden schon an die Kunden verschickt.

 

Exploding Kittens
Die Kickstarter-Kampagne zum Kartenspiel Exploding Kittens brach letztes Jahr alle Rekorde. Das ursprüngliche Finanzierungsziel von 10.000 Dollar wurde in den ersten acht Minuten erreicht. In weniger als einer Stunde kamen 100.000 Dollar zusammen, in acht Stunden eine Million, am Ende des ersten Tages hatte die Kampagne die Zwei-Millionen-Dollar-Marke geknackt. Am Ende der Finanzierungsphase hatten 105.000 Menschen das Projekt unterstützt - mehr als jemals zuvor in der Geschichte von Kickstarter. Über acht Millionen Dollar konnte die Kampagne insgesamt sammeln.

 

Die Gründe für diesen Erfolg liegen wohl noch weniger auf der Hand als beim Fidget Cube oder dem Flow Hive. Denn dass sich das Spiel – eine Art Russisches Roulette – nach Spaß anhört, kann nicht das einzige Erfolgsgeheimsnis sein. Eine einleuchtende Erklärung ist die Bekanntheit des Exploding Kittens-Zeichners – kein anderer als der gefeierte Illustrator Matthew Inman alias The Oatmeal, der Internetnutzer seit 2009 mit zynisch-geistreichen Webcomics begeistert.

Hinzu kommt, dass die Zeichnungen des leicht anachronistischen weil analogen Spiels stark an Memes erinnern. Nicht zuletzt könnte auch der Hype um das Party-Game Cards Against Humanity zu einem allgemeinen Revival von traditionellen Kartenspielen beigetragen haben. Aber das ist nur Spekulation.

 

BIBLIOTHECA
Das vielleicht kuriosteste Crowdfunding-Projekt dieses Artikels ist BIBLIOTHECA. Der Designer Adam Lewis Greene wollte eine zeitgemäße, gut lesbare Version der Bibel entwerfen. „Warum lieben die Menschen Geschichten, aber sehen biblisches Lesen als lästige Pflicht?”, heißt es in dem Video zum Projekt.

 

Anstatt eines einzigen unhandlichen Buches mit winziger Schrift und tausenden Versnummern und Fußnoten warb Greene 2014 auf Kickstarter für eine vierbändige Ausgabe ohne Kapitel- und Versnummerierung und mit klarem, elegantem Design. Seine Bibel sollte so angenehm zu lesen sein wie ein New York Times-Bestseller.

Das kam an. Anstatt der ursprünglich erhofften 37.000 Dollar kamen über 1,4 Millionen zusammen. Die Medien wurden auf Green aufmerksam, unter anderem schrieben die Huffington Post, The Verge und das Wall Street Journal über sein Projekt. Inzwischen befinden sich die Designer-Bibeln im Druck und können vorbestellt werden.

Die Erfolgsgeschichte von BIBLIOTHCA gibt Rätsel auf – zumindest auf den ersten Blick. Aber die Heilige Schrift ist immer noch das am meisten publizierte und gelesene Buch der Welt. Vielleicht hat Greene mit der Vermutung, viele Menschen hätte bisher nur das altmodische Design vom Bibellesen abgeschreckt, genau ins Schwarze getroffen.

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