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Diese künstliche Herzklappe wächst mit dem Körper mit

von WIRED Staff
Svenja Hinderer möchte den Körper dazu bringen, eines seiner wichtigsten Ersatzteile selbst zu produzieren – die Herzklappe. Das würde das Leben der Herzpatienten leichter machen, denn Folgeoperationen würden dadurch überflüssig.

Dieser Artikel erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe des WIRED Magazins im November 2017 und ist Teil der Rubrik „Digitale Republik“. Wenn ihr die Ersten sein wollt, die einen WIRED-Artikel lesen, bevor er online geht: Hier könnt ihr das WIRED Magazin testen.

Herzklappen arbeiten wie Ventile. Sie verhindern, dass das Blut in die falsche Richtung strömt. Wer eine neue braucht, hat in der Regel die Wahl zwischen zwei Alternativen: Viele Menschen bekommen eine biologische Ersatzherzklappe, etwa vom Schwein. In anderen Fällen kommen mechanische Klappen zum Einsatz.

Beide Lösungen haben ihre Nachteile. Die biologischen Ersatzklappen altern bei der Arbeit. Sie verkalken und müssen nach einigen Jahren ausgetauscht werden. Die mechanischen Pendants halten länger. Doch ihre Träger müssen ihr Leben lang Blutverdünner einnehmen. Und bei Kindern, die ja noch wachsen, muss der Ersatz sogar alle zwei bis drei Jahre ausgetauscht werden.

Svenja Hinderer will das ändern. Statt die Herzklappe durch einen mechanische oder biologische Version zu ersetzen, will sie den Körper animieren, selber eine neue zu bilden. Ihre Idee: eine künstliche Herzklappe, die im Körper abgebaut und allmählich durch Zellen ersetzt wird. Klingt einfach, ist aber hochkomplex. Der erste Schritt ist eine künstliche Herzklappe, die einer echten in Eigenschaften und Funktion sehr ähnlich ist.

„Meine Philosophie ist, die Herzklappe so nachzubilden, wie es die Natur vormacht“, erklärt Hinderer, die in Stuttgart am Fraunhofer Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik forscht. Dazu nutzt sie ein Verfahren, das Elektrospinnen heißt: Ein elektrisches Feld sorgt dafür, dass sich ein Polymertropfen zu einer immer feiner werdenden Faser verformt und sich um eine Herzklappenform wickelt. Das kann der Körper dann nutzen, um daraus eine eigene Herzklappe zu bauen.

Damit dies geschieht, muss die künstliche Herzklappe Stammzellen anlocken und dazu bringen, sich anzusiedeln. Dafür brauchen sie ein Milieu, in dem sie sich wie zu Hause fühlen. Das ist die Aufgabe von Proteinen: Sie steuern die Zellen, leiten sie an bestimmte Stellen und animieren sie, neue Proteine zu bilden.

Wichtig ist, dass die Proteinzusammensetzung ungefähr dem entspricht, was die Zellen normalerweise vorfinden würden. Jedes Organ ist mit unterschiedlichen Proteinen versetzt. Um die richtige Auswahl für die Herzklappen zu finden, haben sich Hinderer und ihre Kollegen deshalb angeschaut, welche Proteine in welchem Entwicklungsstadium besonders häufig sind, und schon einige Kandidaten gefunden. „Den optimalen Cocktail haben wir aber noch nicht“, sagt sie. Läuft alles wie geplant, baut sich das Polymergerüst innerhalb von zwei bis drei Jahren ab. Zurück bleibt eine körpereigene Herzklappe.

Hinderer ist überzeugt, dass ihre künstliche Herzklappe weitere Austauschoperationen überflüssig macht. Außerdem wüchse die Herzklappe mit. Besonders für Kinder wäre das eine große Erleichterung.

Mit ihrer Idee beschäftigt sich Hinderer schon seit ihrer Doktorarbeit. Vor zwei Jahren wurde sie mit dem Deutschen Studienpreis der Körber-Stiftung ausgezeichnet. Die Tests im Reagenzglas sind inzwischen abgeschlossen. Trotzdem sind Fragen offen, zum Beispiel zur Kalzifizierung. So nennt man es, wenn die Herzklappe verknöchert. „Dann bewegen sie sich nicht mehr richtig und verlieren ihre Funktion als Ventil“, erklärt Hinderer.

Ob das bei ihren Herzklappen auch passieren kann, weiß sie noch nicht. Sobald sie die Finanzierung beisammen hat, folgt die nächste Stufe: Dann will sie damit beginnen, ihre Herzklappen in Tierversuchen zu testen.

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