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Kisura weiß angeblich, was Frauen (kaufen) wollen

von Katharina Nickel
Bei Kisura bekommen Kundinnen nicht nur stilsichere Kleidung zugeschickt, sondern auch eine persönliche Modeberatung vom Stylisten per WhatsApp, E-Mail, Skype oder Telefon. WIRED hat mit einer der Gründerinnen über ihre App gesprochen.

Die professionelle Beratung im Kaufhaus ist selten geworden, wenn man Kleidung kaufen will. Online wiederum muss man sich durch hunderte Suchergebnisse klicken. Kisura hingegen versteht sich als tech-getriebene Styling-Plattform, die bequemeres und persönlicheres Shopping bieten will. Dafür bringen die Gründerinnen Linh Nguyen und Tanja Bogumil Stylisten und Kunden auf verschiedensten Kommunikationswegen miteinander in Kontakt. Mehr als 125.000, ausschließlich weibliche Nutzer hat ihre App nach eigenen Angaben schon. Und mit über 500 internationalen Hersteller arbeitet Kisura bereits zusammen.

Damit wollen Nguyen und Bogumil das authentische Einkaufserlebnis des traditionellen Bekleidungsgeschäfts im E-Commerce zurückholen. Ihr Geschäftsmodell stellten sie kürzlich als einziges und bislang erstes deutsches Startup bei der Women's Edition des Google Demo Day in Kalifornien vor.

Im WIRED-Interview spricht Linh Nguyen über die Aufbruchsstimmung im Silicon Valley, die Potenziale des Online-Shoppings und die Frage, warum Frauen angeblich nicht mehr shoppen gehen.

WIRED: Beim Google Demo Day haben Sie tatsächlich behauptet, Frauen würden nicht mehr shoppen gehen. Ich bin geschockt.
Nguyen: Ich denke, es ist ein Mythos, dass alle Frauen gerne shoppen gehen. Das trifft vielleicht auf eine 20-jährige Studentin zu. Aber jede Frau, die beruflich und familiär eingebunden ist, hat wenig Zeit für ein ausgiebiges Shopping-Erlebnis. Trotzdem mögen es Frauen, schöne Kleidung im Schrank zu haben, durch die sie sich auszudrücken können. Online fehlt jedoch die persönliche Beratung. Dieses Dilemma haben unsere Umfragen bestätigt, Kisura löst es. Auch der Markt selbst bestätigt es: Trotz des E-Commerce-Booms werden drei Viertel des Jahresumsatzes im Bereich Damenoberbekleidung im stationären Einzelhandel generiert. Der Grund ist der Service-Gedanke. Kisura verbindet die Vorteile des traditionellen Handels mit der Bequemlichkeit des eCommerce.

WIRED: Das Konzept von Kisura ist „kuratiertes Shopping“. Was heißt das?
Linh Nguyen: Das traditionelle Shopping-Erlebnis besteht darin, in ein Kaufhaus zu gehen. Dort lässt man sich von einer Mode-Expertin ausführlich beraten und verschiedenste Kleidungsstücke direkt an die Garderobe bringen, um am Ende ein bis zwei davon wirklich zu kaufen. Kuratiert ist in dieser Situation vor allem die persönliche Mode- und Stilberatung, also der Austausch zwischen Kundin und Verkäuferin, um daraus eine persönliche Vorselektion an Modeartikeln aus dem Fashion-Dschungel für die Kundin zu treffen. Genau diesen Augenblick bringen wir der Kundin nach Hause. Unsere Mission ist es, den Eins-zu-Eins-Kontakt aus dem stationären Handel online erlebbar zu machen. Wir wollen das traditionelle Einkaufserlebnis zurück zu den Kunden und im besten Fall zurück in ihre Wohnzimmer bringen. Das heißt auch, dass unsere Kundinnen sich weder durch überfüllte echte noch durch virtuelle Regale suchen müssen, das machen unsere Stylisten für sie. Sie suchen aus der Fülle an Marken, Schnitten und Farben die zur Kundin passenden Kleidungsstücke heraus. Die werden dann in einer Box verschickt.

Unsere Mission ist es, den Eins-zu-Eins-Kontakt aus dem stationären Handel online erlebbar zu machen

Linh Nguyen, Kisura-Mitgründerin

WIRED: Wie geschieht dieser Auswahlprozess und was ist letztlich in den Boxen enthalten?
Nguyen: Jede Kundin erhält pro Bestellung eine Box, die sich komplett an ihren Wünschen orientiert, also an ihrem persönlichen Stilprofil, mit dem sie sich registriert hat. Darin enthalten sind im Schnitt neun Kleidungsstücke, die sich zu zwei Outfits kombinieren lassen. Die Kundin entscheidet, welche sie behält. Wir bedienen die Konfektionsgrößen von 32 bis 58. Daneben richten wir uns nach dem Typ der Kundin, ihrem Stil und gelebten Alltag sowie natürlich an ihrem Budget.

WIRED: Wie sieht die Zusammenarbeit mit den Herstellern aus?
Nguyen: Unsere Lagerlogistik ist dreigeteilt: ein Lager für Basic-Teile, ein anderes für die Kleidungsstücke der Hersteller, mit denen wir auf Kommissionsbasis zusammenarbeiten. Ein dritter Teil wird von unseren Partnern abgedeckt, den Multi-Brand-Retailern, bei denen wir on Demand einkaufen. Das sind meist trendige oder persönliche Teile wie Schuhe, die wir erst nach der Kundenanfrage bei den Partnern einkaufen. Die Lieferzeit richtet sich danach, wie viele Kleidungsstücke in der Box aus Eigen- und Kommissionsware bestehen und wie viele von den anderen Partnern kommen. Meist ist die Kisura-Box in drei bis fünf Werktagen bei der Kundin. Wir stellen mit dieser Logistik sicher, dass wir Zugang zu einem breiten Sortiment haben und jede Kundenanfrage typgerecht bedienen können. Auf der anderen Seite bleiben wir flexibel.

WIRED: Ihre Kundinnen können sich auf verschiedenen Kanälen von Stylisten beraten lassen. Wie funktioniert das genau?
Nguyen: Die Kundin registriert sich bei uns und erstellt im ersten Schritt ein persönliches Profil. Danach hat sie die Möglichkeit, über verschiedene Kommunikationskanäle mit unserem Stylingteam in Kontakt zu treten. Anfänglich wurde das traditionelle Telefonat von unseren Kundinnen bevorzugt. Mittlerweile ist WhatsApp als Kommunikationskanal zum Spitzenreiter geworden. Zudem bieten wir noch E-Mail, Chat und Skype für die persönliche Kundenberatung an. Im direkten Austausch zwischen Kundin und Stylist werden Nuancen im Profil ausgearbeitet, dann werden die Outfits zur Kundin nach Hause geschickt. Behalten und bezahlt werden nur die Teile aus der Box, die gefallen. Traditionelle Kaufhäuser haben den Weg ins Curated Shopping zwar gewagt, viele haben dieses Geschäftsfeld aber schnell wieder aufgegeben. Das zeigt deutlich, dass Curated Shopping nicht nur aus einem breiten Warenbestand und dem Verkaufspersonal besteht, sondern daraus, die Beratung über Distanzen hinweg sinnvoll abzuwickeln. Deshalb spielt eine funktionierende technologische Plattform die entscheidende Rolle. Wir sehen uns ganz klar als Tech-Unternehmen. Alle Schritte entlang der Wertschöpfungskette, vom Sourcing über Fulfillment bis zu den After-Sales, laufen komplett über unsere eigene Technologie.

WIRED: Wie kommt die Kommunikation zwischen Stylist und Kundin zustande?
Nguyen: Wer sich bei uns registriert und eine Box anfragt, wird per Algorithmus mit einem passenden Stylisten gematcht, das funktioniert ähnlich wie beim Online-Dating. Wenn Persönlichkeit und Stil von Kundin und Stylist zusammenpassen, können wir eine gute Beratung erst einmal sicherstellen. Ein Styling-Dashboard gibt uns die Möglichkeit, die Performance zu überwachen, um der Kundenzufriedenheit zu genügen. Bei krankheitsbedingten oder terminlichen Ausfällen eines Stylisten, wird über ein Alarmsystem die Kundenanfrage manuell an einen Kollegen weitergegeben. So geht keine Anfrage verloren. Die allgemeine Beratung läuft über Telefonate, E-Mails, Chats, Skype oder WhatsApp-Nachrichten, ganz nach Belieben der Kundin. Vor allem unsere älteren Kundinnen bevorzugen das Telefon. Die jüngeren greifen tageszeitabhängig lieber zu WhatsApp oder einer E-Mail.

WIRED: Werden diese Kommunikationswege künftig noch ausgebaut?
Nguyen: Für uns stellt sich immer die Frage: Wie können wir die persönliche Note des Einkaufsprozesses digitalisieren? Das wird ermöglicht durch ein Zusammenspiel von Technologie und menschlicher Intelligenz. Unsere Vision schließt auch den Einsatz von Chatbots mit ein. Sie könnten bis zu 80 Prozent der Vorarbeit leisten, also insbesondere das standardisierte Stilprofil abfragen. Das würde nicht nur den Stylisten mehr Zeit für den kreativen Teil der Arbeit einräumen, sondern auch der Kundin eine Zusatzleistung bieten. Für die Be- und Auswertung der Kundenwünsche werden aber weiterhin die Stylisten verantwortlich sein. Styling ist etwas extrem Persönliches und kann nicht nur individuell, sondern auch regional sehr unterschiedlich interpretiert werden. Eine Kundin aus Berlin, die angibt, einen sportlichen Stil zu pflegen, trägt andere Kleidung als eine Münchner Kundin, die dasselbe angibt. Die Aufgabe des Stylisten ist es, diese Nuancen zu filtern und Kundenwünsche präzise zu interpretieren.

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WIRED: Wie entstand die Idee zu Kisura?
Nguyen: Meine Geschäftspartnerin Tanja Bogumil und ich kennen uns seit unserer Zeit an der Handelshochschule Leipzig. Das ist acht Jahre her. Direkt nach meinem Abschluss habe ich mein eigenes Unternehmen gegründet, eine Plattform für automatisierte Lebensläufe. Sehr schnell habe ich jedoch verstanden, dass eine gute Idee auch immer mit Kapital verbunden sein muss, um erfolgreich zu sein. Danach war ich zunächst bei einer M&A-Beratungsfirma tätig mit Mandanten aus dem E-Commerce-Umfeld. Tanja wiederum hat nach ihrem Abschluss bei Mister Spex gearbeitet und danach die Firma Modemeister gegründet, den ersten Curated-Shopping-Anbieter für Männer. Allerdings haben wir schnell gemerkt, dass der Frauenmodemarkt dynamischer und prädestinierter für Curated-Shopping-Angebote ist. Unsere Erfahrungen mit innovativen Handelskonzepten haben wir dann Ende 2012 in der Gründung der Kisura GmbH gebündelt. Wir wollten ein Teil der Szene sein, die alteingesessene Multimilliarden-Industrien mit neuen Ideen auf den Kopf stellt. Schnell haben wir Investoren für uns gewinnen können und konnten Mitte 2013 die erste Beta-Version online starten, bevor wir Anfang 2014 Kisura für die Allgemeinheit geöffnet haben.

WIRED: Trotzdem ist die Wettbewerbssituation im Online Shopping hart. Unternehmen wie SoYou und Zalon bieten ähnliche Styling-Services an. Wie hebt sich Kisura von diesen ab?
Nguyen: Zunächst verschafft uns unsere Technologie einen klaren Wettbewerbsvorteil. Wir haben drei Jahre sowie über drei Millionen Euro in Forschungs- und Entwicklungsarbeit investiert. Viele Konkurrenten leben von männlichen Geschäftsführern, die mit externen Stylisten zusammenarbeiten. Ein so emotionales Produkt verlangt aber ein tiefes Markt- und Kundenverständnis von detailverliebten Managerinnen, die selbst zur Zielgruppe gehören. Das ist bei uns der Fall.

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WIRED: Bei der Women's Edition des Google Demo Day waren sie als erstes und einziges deutsches Startup vertreten. Wie kam es zu dem Ausflug ins Silicon Valley?
Nguyen: Es gab mehr als 800 Bewerbungen aus über 60 Ländern. Zwölf Kandidaten durften letztlich pitchen. Ein Auswahlkriterium besagte, dass das Team aus mindestens einem weiblichen Mitgründer besteht. Außerdem musste das Geschäftsmodell einen disruptiven Ansatz haben. Für Google bedeutet disruptiv, dass das Modell das Potenzial besitzt, etwas Grundlegendes nachhaltig zu verändern, beispielsweise das Einkaufsverhalten der Menschen. Und Kisura ist die neue Form des Einkaufens.

WIRED: Eines Ihrer Ziele ist es, Kisura zu einem Mobile-First-Unternehmen weiterzuentwickeln. Welche Investments sind dafür nötig?
Nguyen: Unsere Website ist bereits mobil-optimiert. Im nächsten Schritt wird dann eine native App entwickelt, um den Kunden unseren Service nahtlos und unabhängig vom Kommunikationskanal anbieten zu können. Wir werden weiter auf Fundraising setzen, um unser Wachstum zu finanzieren. Unser Ziel ist es, kuratiertes Shopping, wie wir es bieten, in zehn Jahren alltäglich zu machen. Als internationales Unternehmen wollen wir zunächst Kundinnen erreichen, die im deutschsprachigen Raum leben, aber nicht perfekt Deutsch sprechen. Auf diesen Erfahrungen können wir für weitere Internationalisierungsstrategien aufbauen.

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