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JobKraftwerk ist die digitale Job-Vermittlung für Geflüchtete

von Louisa Zimmer
Ein gutes Produkt löst ein großes Problem, lautet eine Startup-Weisheit. WIRED stellt immer wieder Unternehmen, Menschen und Ideen vor, die diesem Grundsatz folgen, Problem Solver eben. Diesmal: Die Onlineplattform JobKraftwerk vermittelt Unternehmen an erwerbsfähige Geflüchtete.

Das Problem? Durch den demographischen Wandel herrscht in Deutschland Fachkräftemangel. Gleichzeitig gibt es hunderttausende Geflüchtete im erwerbsfähigen Alter, doch die Barrieren für den Einstieg in die Arbeitswelt sind zu hoch. Nicht nur für die Geflüchteten selbst, sondern auch für die Gemeinden und Unternehmen, die bereit wären, Geflüchtete einzustellen.

Prognosen zufolge wirkt sich die zu langsame Integration negativ auf die Arbeitslosenquote und das Bruttosozialprodukt aus. Damit die deutsche Wirtschaft trotz des demographischen Wandels in den nächsten Jahren wachsen kann, muss eine Lösung gefunden werden, damit Geflüchtete besser in den Arbeitsmarkt integriert werden.

Die Lösung? Die Onlineplattform JobKraftwerk möchte Geflüchteten bei der Arbeitssuche, Gemeinden bei der Erfassung von Kompetenzen und Unternehmen bei der Suche von regionalen Arbeitskräften helfen. Im Fokus der Jobvermittlung stehen Praktika, allerdings sollen auch Ausbildungsplätze und feste Stellen vermittelt werden.

Geflüchtete können auf der Website Kompetenzen und Qualifikationen in ihrer Muttersprache angeben, aus diesen Angaben generiert JobKraftwerk einen Lebenslauf nach europäischem Standard in deutscher Sprache. Das Portal ist für Geflüchtete per Smartphone auf Deutsch, Englisch, Arabisch, Farsi und Tigrinya (das in Äthiopien und Eritrea gesprochen wird) zugänglich. Danach werden mithilfe psychometrischer Tests weitere Stärken wie mathematisches Verständnis oder räumliches Denken erfasst und die Lebensläufe konkretisiert. Auch diese Tests sind für das Smartphone optimiert. Am Ende der Kompetenzerfassung erhält der Geflüchtete den Lebenslauf sowie Bewerbungstipps zur freien Verfügung.

Für Arbeitgeber bietet die Plattform – ähnlich wie Xing oder LinkedIn – eine Suchfunktion, in der passende Bewerber vorgeschlagen werden und direkt zum Bewerbungsgespräch eingeladen werden können. „Wir unterstützen die Unternehmen nicht mit Bürokratie oder irgendwelchen Regularien“, sagt JobKraftwerk.com-Gründer Oliver Queck. „Wenn sie sich für einen Kandidaten interessieren, kriegen sie fallbezogen auf dessen Asylstatus Informationen darüber, welche Art von Beschäftigung er ausüben darf, welche Fördermöglichkeiten es von der Agentur für Arbeit gibt und ob eine Arbeitserlaubnis auf Basis des Asylstatus notwendig ist.“ Nach erfolgreichen Bewerbungsgespräch kann das Unternehmen dann die Dokumente zur Arbeitserlaubnis auf der Website erstellen.

Auch die Kommunen und Jobcenter erhalten die Daten aus den Lebensläufen, anhand derer weitere Qualifikationsmaßnahmen für die Integration von Geflüchteten in der Region angedacht werden können. Queck sagt, dass mangelnde Sprachkenntnisse die größte Hürde bei der Jobvermittlung seien. Er habe jedoch die Rückmeldung bekommen, dass die Deutschkenntnisse von Geflüchteten immer besser würden. Die Lebenslauferfassung erspart laut JobKraftwerk 90 Prozent der Behördenprozesse.

Wer steckt dahinter? Die Idee hinter JobKraftwerk stammt von Tom Lawson und Oliver Queck, die sich als Berater auf IT und Entrepreneurship spezialisiert haben. Kennengelernt haben sich die beiden über ihre Arbeit bei der Telekom. Unterstützt werden sie vom Entwickler Benedikt Frings. Zwischen Weihnachten und Neujahr 2015/16 ist das Konzept von JobKraftwerk.com entstanden, kurz darauf entstanden der Businessplan und der Prototyp. Im Mai 2016 wurde die Plattform offiziell als Teil des Berliner Social Startups LQ Enterprise GmbH gegründet. Das Team von Jobkraftwerk sitzt zerstreut in ganz Deutschland: Queck arbeitet in Reutlingen, Lawson in Frankfurt und Frings in Berlin.

Die Website wurde in Zusammenarbeit mit dem Landkreis Reutlingen – der Heimatregion von Queck – in einem Pilotprojekt getestet. Seit dem 01. Januar dieses Jahres ist die Plattform für Geflüchtete, Behörden und Unternehmen in der Region und zwei weiteren Landkreisen verfügbar.

Wer glaubt daran? In einer Testregion nahe Reutlingen konnten mit JobKraftwerk mehr als 50 Prozent der erwerbsfähigen Geflüchteten erfasst werden, einige wenige konnten auch schon an Unternehmen vermittelt werden: „Beim Pilotprojekt hatten wir 40 Unternehmen von MDAX-Unternehmen bis zu kleinen Handwerkern. Wir wissen von 37 Vermittlungen, von Praktika, aber auch Ausbildungen“, sagt Queck.

Am engsten arbeitet die Onlineplattform jedoch nicht mit den Unternehmen, sondern mit den Kommunen zusammen. „Die Kommunen machen die Kompetenzerfassung handschriftlich in mehrstündigen Interviews mit Dolmetschern. Danach kommt ein Datenbankeintrag beim Jobcenter, Arbeitsagentur oder in einer landkreisspezifischen Datenbank. Damit kann man aber in der Regel nichts anfangen, das ist ein Einseiter, wo ganz rudimentär Kompetenzen abgefragt werden“, beschreibt Queck die Behördenarbeit. Die Kommunen würden JobKraftwerk nicht als Beweis dafür sehen, dass ihre Integrationsbemühungen fehlgeschlagen sind, sondern die Plattform als Unterstützung ihrer Arbeit anerkennen.

Neben der Partnerschaft mit den Landkreisen arbeitet JobKraftwerk auch mit regionalen Partnern wie der IHK oder Kreishandwerkerschaft zusammen, die Unternehmen auf das Portal aufmerksam machen sollen. Beim Bekanntmachen von JobKraftwerk unter Geflüchteten sollen Behörden, Sozialarbeiter und Ehrenamtliche helfen.

Auch bei Wettbewerben erhielt das Projekt positives Feedback: Beim Businessplan-Wettbewerb Berlin-Brandenburg kam JobKraftwerk auf den ersten Platz in der Kategorie Business Model Canvas. Beim Gründerwettbewerb Chivas – The Venture kam man in die deutsche Finalrunde.

Aber braucht man das wirklich? Demographischer Wandel, Zuwanderung und Integration, aber auch Stadtflucht sind die wohl größten Herausforderungen der deutschen Gesellschaft. Die Gründer von JobKraftwerk haben sich ihr gestellt, um eine Lücke zu füllen. Die Vorteile für Geflüchtete, Kommunen und lokale Unternehmen liegen auf der Hand. Auch wenn das Projekt erfolgreich getestet wurde, braucht es nun die Unterstützung von Kommunen, Jobcentern und Unternehmen bundesweit. Aber auch die Ressourcen, um sich unter Geflüchteten bekannter zu machen.

Wie geht es weiter? JobKraftwerk ist kein Non-Profit Startup. Noch läuft die Gründerfinanzierung, mittlerweile gibt es aber auch die ersten Umsätze. Für Geflüchtete und Unternehmen ist das Angebot kostenlos. „Wir machen eine Optimierung für die Kommune mit dem Fokus auf große Städte und Landkreise. Von den Landkreisen und der Stadt wird es gekauft und dann kostenlos zur Verfügung gestellt“, sagt Queck über das Finanzierungsmodell. Ab Juni 2017 soll sich das Projekt selbst tragen. Aktuell sind die Gründer mit 24 Landkreisen im Gespräch, neben dem Projekt bei Reutlingen nutzen zwei weitere Kommunen JobKraftwerk. Die Gründer möchten ihr Angebot in Zukunft auch international ausbauen.

500 Geflüchtete aus den drei Partnerkommunen nutzen JobKraftwerk aktuell, im Februar soll das Angebot unter dem Namen Vita for Work auch für Geflüchtete außerhalb der Regionen verfügbar sein. Auch für Nicht-Geflüchtete soll das Portal im Laufe des Jahres frei zugänglich werden, die Gründer denken dabei beispielsweise an Schulabgänger und Langzeitarbeitslose als Zielgruppe.

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