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Haben Mobility-Startups ein Problem mit dem Datenschutz?

von Joachim Hentschel
Hemmt der deutsche Datenschutz die Entwicklung auf dem Mobilitätssektor? Die Frage wurde bei der WIRED Mobility in Berlin in einem großen Panel diskutiert, als es um Data Driven Mobility ging.

Kann man den Dauerstau im Stadtzentrum von Shanghai mit den Geodaten der Autos auflösen, die ihn verursachen? Wird es irgendwann in der London Tube weder leere noch überfüllte Bahnen geben? Und könnte Manila bald einen perfekt funktionierenden öffentlichen Nahverkehr haben, ohne dass die Regierung dafür Milliarden in neue Busse, Fahrpläne und Haltehäuschen investieren muss?

Die interessantesten Fragen, die die Zukunft der weltweiten Mobilität betreffen, haben nicht unbedingt nur mit selbstfahrenden Google-Eiern oder ausgefuchsten Drohnenantrieben zu tun, sondern mit Vernetzung, mit gut gefütterten Algorithmen und mit Daten. Das wurde am Donnerstag bei der WIRED Mobility in Berlin schon beim ersten großen Panel „Data Driven Mobility“ deutlich.

Wenn du es in Deutschland schaffst, schaffst du es praktisch überall.

Sohaila Ouffata, BMW i Ventures

Ein neuer VW Golf habe heute mehr als 4500 Sensoren an Bord, merkte Jens Landvogt vom Mapping- und Locationservice-Entwickler HERE zu Anfang an. Aus der mehrzahl der bei einer Fahrt produzierten Daten sei zwar nur ein vergleichsweise kleiner Anteil aussagekräftig — also für neue Mobilitäts-Systeme verwertbar — aber diese Informationen sind dafür pures Gold für den Innovationssektor. Ein breit aufgestellter, für alle offener Marktplatz mit möglichst präzisen, personalisierten (wenn auch anonymisierten) Bewegungs- und Verhaltensdaten der Verkehrsteilnehmer sei die notwendige Basis für alles, was kommen wird.

Diesem Gedanken hat sich auch das Berliner Startup ally mit seinem Businessmodell verschrieben: Ally sammelt per Crowdsourcing in großer Menge Daten über den öffentlichen Nahverkehr — vor allem in aufstrebenden Schwellenländern wie Indien, Mexiko und Tansania. 80 Prozent der weltweiten Städte haben keinerlei digitale Daten über ihre Bus- oder Bahnlinien, daran erinnerte ally-Gründer und CEO Maxim Nohroudi auf dem WIRED-Mobility-Podium. Wenn man diese ermittelt, wie es ally in diversen Projekten bereits gelungen ist, lassen sich nicht nur die vorhandenen Verhältnisse besser kartografieren, sondern man kann so auch Voraussagen über Stoßzeiten und Brennpunkte treffen. Der Transport ist so besser organisiert und kann von einem statischen oder gar nicht vorhandenen Fahrplan zu einem dynamischen, von Nachfrage getriebenen System wechseln.

„In Städten, in denen wenig in den öffentlichen Nahverkehr investiert wird und das Sozialgefüge an sich mehr Belastungsproben ausgesetzt ist, sind die Menschen auch eher bereit, neue Dinge auszuprobieren“, sagte Nohroudi. Was heißen soll: Sie stellen ihre persönlichen Bewegungsdaten zum Mapping zur Verfügung. Lieber als beispielsweise die Deutschen. Und das führt auch zum zentralen Thema, zum Problem Nummer eins der Branche: den Gesetzen und Gewohnheiten beim Datenschutz.

„Besteht die Gefahr, dass Deutschland bei der datengetriebenen Mobilität im internationalen Vergleich zurückfällt?“, fragte provokant Moderator Holger Weiß, CEO des In-Car-Infotainment-Anbieters Aupeo. Ja, antwortete Sohaila Ouffata (BMW i Ventures) im Namen der ganzen Runde. „Den Spruch hört man in der Branche immer wieder: ,Wenn du es in Deutschland schaffst, schaffst du es praktisch überall.’ Wir müssen unbedingt offener werden, sonst wird es auf Dauer schwierig, die Innovationsfähigkeit zu halten.“

Dabei seien gesetzlicher Datenschutz und Cybersecurity nicht mal die springenden Punkte, meinte Ouffata: Die diffuse, oft wenig reflektierte, nicht begründete Angst der Menschen vor Datenmissbrauch müsse ausgeräumt werden. Es bräuchte Aufklärung, Information und gute Vorbilder. „Wir müssen den Usern zeigen, wie sehr sie individuell davon profitieren können, wenn sie ihre Daten mit den richtigen Partnern teilen“, ergänzte Jens Landvogt von HERE. „Datenschutz muss die oberste Priorität bleiben, dennoch muss unsere Gesellschaft ihre Haltung gegenüber persönlichen Daten überdenken.“

Ein kontroverser Punkt, den das WIRED-Panel am Ende den Konferenzgästen zur weiteren Diskussion übergab: Bis zu welchem Limit gehört es zu meiner Privatsphäre, wo ich öffentlich hinfahre? Wo ist die Grenze? Wer profitiert davon, wenn wir unsere Einstellung zu diesem Thema ändern? Und wer schützt uns wie davor, dass jemand ohne unsere Einwilligung auf unsere Daten zugreift?

Die Privacy-Debatte wird weitergehen. Selbstfahrend, nicht gesteuert. 

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