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Wie Flixbus mit Flixtrain die Schiene erobern will

von Benedikt Plass-Fleßenkämper
Flixbus gelang es, das Fernbus-Monopol der Deutschen Bahn zu knacken. Als nächstes will das Münchner Startup der Bahn auf ihrem Hauptterrain Konkurrenz machen: der Schiene. Was Flixtrain genau vorhat? „Wir sind eine Mobilitätsplattform“, sagt der Unternehmenssprecher. Und die Bahn will sich „dazu jetzt gar nicht äußern“.

Wer sich generell für Startups aus Deutschland oder ganz konkret für Herausforderer der Deutschen Bahn interessiert, kennt den Namen Locomore. Dahinter steckte die Locomore GmbH, die mit der Idee gegründet wurde, sich als grüne und kultiviertere Alternative zum Marktführer zu etablieren. Für die Finanzierung des Vorhabens konnten Interessenten ab Oktober 2015 über die deutsche Crowdfunding-Plattform Startnext Geld spenden. So kamen knapp 260.000 Euro zusammen. Im Dezember 2016 nahm Locomore den Betrieb auf und die orangenen Züge pendelten fortan zwischen Berlin und Stuttgart.

Die Idee von Locomore war gut, finanziell allerdings wenig rentabel – und schon am 11. Mai 2017 meldete das Unternehmen Insolvenz an. Doch nur wenige Wochen später hatte das Startup Positives zu verkünden: Das tschechische Verkehrsunternehmen LEO Express übernehme den Betrieb der Züge, die Waggonpool UG, die Website und die Tickets würden über Flixbus vertrieben.

So kam es dann auch, seit dem 24. August 2017 fahren die Locomore-Züge wieder. Plätze lassen sich über www.flixbus.de/locomore buchen.

Ein Fernbusanbieter, der Zugtickets verkauft – das klingt erst einmal etwas seltsam. Dahinter steckt jedoch eine Strategie: Das Bahngeschäft wird nicht über Flixbus selbst, sondern über die neu gegründete Gesellschaft Flixtrain abgewickelt. Diese hat ihren Sitz – genau wie ihre Muttergesellschaft, die FlixMobility GmbH – im Birketweg 3 in München.

Entsteht mit Flixtrain neben Flixbus nun ein weiterer Anbieter für Fernreisen? „Wir verstehen uns als Mobilitätsplattform und sind jederzeit offen für neue Möglichkeiten“, sagt Flixtrain-Unternehmenssprecher David Krebs im Gespräch mit WIRED. „Das heißt, wir schließen auch für die Zukunft weitere Kooperationen nicht aus. Denn die intermodale Vernetzung mit der Schiene ist eine sehr gute Ergänzung zu unserem Fernbusprodukt.“

Konkreter ausgedrückt bedeutet das: Ja, die FlixMobility GmbH will auch auf der Schiene die Deutsche Bahn und andere etablierte Bahngesellschaften angreifen. Als Erstes wolle sich Flixtrain auf die neue Locomore-Kooperation konzentrieren, sagt Krebs. Die Tickets dafür werden wie die Flixbus-Tickets zum Niedrigpreis angeboten: Ab 9,90 Euro kosten die Fahrkarten quer durch Deutschland. Ab Anfang September soll die Taktung erhöht werden. Dann verkehren die Züge fünfmal pro Woche anstatt wie bisher viermal pro Woche zwischen Berlin und Stuttgart.

Flixtrain nahm vor Kurzem für den Ausbau seiner Bahn-Aktivitäten eine wichtige Hürde. Da das Startup seinen Sitz in München hat, erhielt es vom Bayerischen Staatsministerium des Inneren offiziell die Unternehmensgenehmigung, um im Eisenbahnverkehr zum Dienstleister zu werden. Damit darf Flixtrain fortan im deutschen und europäischen Schienentransport mitmischen. „Flixtrain hat die notwendigen Nachweise über die Zuverlässigkeit, fachliche Eignung und finanzielle Leistungsfähigkeit erbracht. Ich freue mich über den Zuwachs im Kreis der deutschen Eisenbahnunternehmen. Konkurrenz belebt das Geschäft“, kommentierte der zuständige Verkehrsminister Joachim Herrmann.

Ich glaube, dazu wollen wir uns jetzt gar nicht äußern

Doris Müller-Hellmann

Ob das die Deutsche Bahn auch so sieht? Wohl kaum. Das halbstaatliche Unternehmen dürfte den neuen Mitbewerber kritisch beäugen, immerhin eroberte Flixbus bereits innerhalb weniger Jahre große Teile des deutschen Fernbus-Marktes. Auf die Frage, ob der Herausforderer ein Konkurrent für die Bahn sei, sagte DB-Unternehmenssprecherin Doris Müller-Hellmann kürzlich zu WIRED: „Ich glaube, dazu wollen wir uns jetzt gar nicht äußern.“

Die ausweichende Reaktion ist verständlich. Die Strecke Berlin-Stuttgart wird höchstwahrscheinlich nicht die einzige Flixtrain-Verbindung bleiben. Gut möglich, dass bald Regionalzug-Anbieter wie Transdev oder BOB ihre Tickets über Flixbus beziehungsweise Flixtrain anbieten. Immerhin arbeitet die FlixMobility GmbH bereits seit Jahren in anderen Ländern mit Partnern auf der Schiene zusammen, zum Beispiel in Tschechien oder Österreich.

Im sogenannten Mobilitätsmix könnte es bei Flixbus und Flixtrain nicht nur Fernverbindungen zwischen deutschen und europäischen Großstädten geben, sondern zahlreiche Angebote zwischen kleinen und mittleren Städten. „Mittelfristig wollen wir noch mehr Menschen vom Umstieg aus dem Individualverkehr für ein optimal vernetztes, komfortables und nachhaltiges Reisemittel überzeugen“, sagt David Krebs. Ein Konzept, das mobilen Menschen, die ein günstiges Verkehrsmittel und eine moderne Alternative zur oft gescholtenen Deutschen Bahn suchen, sicherlich gefallen dürfte.

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