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Die meistunterstützte Kickstarter-Kampagne aller Zeiten verkauft ein schlechtes Mau-Mau

von Dominik Schönleben
4,5 Millionen Dollar für ein Kartenspiel, das in etwa so komplex ist wie UNO oder Mau-Mau — solche Investments gibt es nur, wenn die Internet-Crowd mal wieder ihr Hirn abschaltet. Im konkreten Fall geht es um eine der erfolgreichsten Kickstarter-Kampagnen aller Zeiten: „Exploding Kittens“. Ein Kartenspiel des berühmten Webcomic-Zeichners Matthew Inman, auch als The Oatmeal bekannt. Beim Anblick des Spiels möchte ich am liebsten auch gleich explodieren. Ein Kommentar.

Exploding Kittens“ erreichte in den ersten 20 Minuten sein Funding-Ziel von 10.000 Dollar und innerhalb eines Tages die erste Million. Mittlerweile — nach nur neun Tagen —findet sich das Kartenspiel schon auf Platz sieben der erfolgreichsten Kickstarter-Kampagnen aller Zeiten wieder. Die Top drei scheint ein realistisches Ziel, denn fast im Sekundentakt kommen Unterstützer dazu. Die von den meisten Einzelpersonen unterstützte Kampagne aller Zeiten ist das Spiel schon. Wie hoch der Irrsinn sich noch schaukelt, werden die nächsten 21 Tage zeigen.

Ich finde es bedrückend zu sehen, wie Kickstarter vom Finanzierungs-Traum für Indies zum Fanboy-Tool für die hirnlose Masse verkommen ist. Es geht längst nicht mehr darum, innovative Produkte zu fördern, die keinen Investor finden. Sondern vor allem darum, berühmten Menschen einen Fan-Service zu erweisen. Die Kampagne von Matthew Inman ist das beste Beispiel dafür. Angespornt durch seine selbstlose Crowdfunding-Kampagne für den Bau eines Tesla-Museums will er diesmal selbst etwas vom Geld-Kuchen abhaben und verwurstet seine obszönen Comics zu einem primitiven Kartenspiel. Als Restverwertung für Webcomic-Gags aus fünf Jahren.

In der Entstehungsgeschichte von „Exploding Kittens“ erklären die Erfinder sogar selbst, warum es kein gutes Spiel ist: „Shane Small schlug Elan Lee ein Spiel vor, bei dem ein Joker in ein Kartenspiel gemischt wird und sie abwechselnd eine Karte nehmen, bis einer den Joker zieht. Sie nannten es ‚Bomb Squad’ und es hat überhaupt keinen Spaß gemacht.“ Wer den Joker zieht, verliert. Alle anderen Karten können für Effekte gespielt werden. Etwas, das jeder zu Testzwecken mit einem handelsüblichen Kartenspiel replizieren kann. Wie bei Mau-Mau muss also zum Beispiel der Gegner doppelt ziehen, wenn man eine Sieben spielt. Oder man lässt ihn mit dem Ass aussetzen.

Alles, was die drei Designer dann änderten, führte visuell vielleicht dazu, dass sich das Spiel besser vermarkten lässt, spielerisch ist es aber noch genau so langweilig wie „Bomb Squad“. Die Sieben heißt jetzt „Awaken the Bear-O-Dactyl“ und zeigt einen Bären mit Flügeln, das Ass lässt unter dem Namen „Don A Portable Cheetah Butt“ einen selbst statt des Gegners aussetzen. Im Prinzip ist „Exploding Kitties“ eine verherrlichtes Mau-Mau mit obszönen Katzenbildern. Alternativ kann man es aber auch mit einem Satz Schafkopfkarten spielen und sich über die hundsgefickte Sau lustig machen, wenn man keine Katzen mag.

Die Bilder von The Oatmeal sind vielleicht noch während den ersten drei Partien lustig — wenn man nicht schon täglich seinen Webcomic liest — danach hat man alles gesehen und das Spiel verschwindet vermutlich für immer in der Box. Es auf der Kampagnen-Seite als „hochgradig strategisch“ zu bezeichnen, weil man mit bestimmten Karten seinen nächsten Zug überspringen oder andere Spieler dazu zwingen kann, doppelt zu ziehen, ist wahrer Hohn der Designer.

Kätzchen im Namen: check. Berühmter Internet-Star: check. Völlig aufgeblasene Kickstarter-Kampagne: check. Profit! Profit! Profit! Check.

 

Das dachten sich wohl auch die Erfinder von „Exploding Kittens“. Ich gratuliere ihnen dazu, hunderttausende von Menschen wieder zurück zu einem schlechten Kartenspiel gebracht zu haben. Als nächstes, schlage ich vor, sollte dies mit Brettspielen wiederholt werden. Man sollte unbedingt noch einen „hochgradig strategischen“ Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Klon produzieren. 

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Update 20.02.15: „Exploding Kittens“ ist mit über 8,7 Millionen Dollar zum dritterfolgreichsten Kickstarter-Projekt aller Zeiten geworden. Noch erfolgreicher waren bisher nur die Smartwatch Pebble und eine Kühltruhe. Ihren Erfolg feierten die drei Designer des Kartenspiels mit einem AMA auf Reddit. Auf die Frage des Branchendiensts ICv2, ob das Spiel auch regulär in den Handel kommen soll, antworteten sie: „Damit werden wir uns am Ende der Kampagne beschäftigen.“

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