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Eventbrite-CEO Julia Hartz: „Wir werben Frauen an, die Frauen rekrutieren"

von Domenika Ahlrichs
Vor zehn Jahren hat Julia Hartz Eventbrite mit gegründet, jetzt ist sie CEO des Unternehmens, das weltweit Veranstaltungen verkauft. Eine Frau an der Spitze eines Tech-Unternehmens, das ist noch immer selten. „Ich fühle mich nicht besonders“, sagt Hartz im WIRED-Interview. „Aber ich weiß, dass ich die Branche verändern helfe.“

Ein Vormittag in Berlin, Julia Hartz, seit April Vorstandschefin von Eventbrite, ist gerade auf Europa-Tour. Für mehr als zwei Millionen Veranstaltungen im Jahr regelt Eventbrite den Ticketverkauf, und es sollen mehr werden. Natürlich. Es ist Hartz’ erste Reise in der neuen Funktion. Ihr Mann Kevin, mit dem sie die Ticketing-Plattform vor zehn Jahren gemeinsam gründete, gab das Amt aus gesundheitlichen Gründen ab. Er sei „an dem Punkt gewesen, an dem es für ihn okay war, zur Seite zu treten“, sagt sie im Gespräch mit WIRED Germany. „Und ich war die Beste, um den Job zu übernehmen.“

So führt sie nun also seit einigen Monaten ein Team von gut 500 Mitarbeitern. Eventbrite startete als Mini-Unternehmen in San Francisco und ist mit insgesamt neun Büros in acht Ländern vertreten, unter anderem in der deutschen Hauptstadt.

Im Interview erklärt Hartz, was es heißt „die Beste für den Job“ zu sein und was es nicht nur für Eventbrite, sondern für die gesamte Tech-Branche bedeutet, dass nun eine Frau an der Spitze steht. Entspannt sitzt sie dabei am Tisch in der WIRED-Redaktion, erzählt zwar, dass sie auf ihrer Europa-Tour kaum Schlaf kriegt, aber anzumerken ist ihr das nicht.

WIRED: Sie wirken entspannt. Gefällt Ihnen Ihr neuer Job?
Julia Hartz: CEO zu sein, ist für mich eine tolle Erfahrung. Interessanterweise ist der Job einfacher als der, den ich davor hatte: Präsidentin von Eventbrite. Meine Aufgaben sind jetzt viel klarer umrissen, und ich agiere nicht in einer Art Zwischenposition, sondern habe deutlich mehr Gestaltungsmöglichkeiten.

WIRED: ... die jedoch auch Gestaltungspflichten sind, die Sie als CEO erfüllen müssen.
Hartz: Es geht jetzt für mich darum, eine Vision von Eventbrite für die Zukunft zu entwerfen und alles danach auszurichten. Ich muss ein exzellentes Team zusammenstellen und bei Laune halten, die weltbesten Führungskräfte für uns begeistern und sie an uns binden. Und: Ich will, dass wir wachsen und bis Ende des Jahres aus den roten Zahlen kommen. Trotzdem, viel zu oft wird über Schwierigkeiten und Herausforderungen gesprochen. Hier spreche ich mal darüber, dass es etwas leichter geworden ist. Das ist eine Botschaft, die ich gern weitergebe – vor allem an Frauen.

 

WIRED: Ihr Aufstieg zum CEO in einer doch männlich geprägten Branche beobachten wir mit einigem Interesse.
Hartz: Ich fühle mich selbst absolut nicht speziell, aber ich begreife, dass ich als weibliche Vorstandschefin in der Tech-Branche einen besonderen Status habe und von anderen als Vorbild wahrgenommen werde. Letztlich ist es nur eine Frage der Gewohnheit, dass wir die IT-Industrie als männlich dominiert betrachten – und es ist nur eine Frage der Zeit, dass sich das ändert: Frauen und Männer können gleichermaßen alle Tech-Jobs ausführen. Es gibt auch schon eine Menge toller weiblicher Tech-Pioniere. Deren Geschichten müssen einfach mehr erzählt werden.

WIRED: In der Belegschaft haben Sie einen Frauenanteil von 50 Prozent, und Sie sagen, im Aufsichtsrat sind ein Drittel Frauen. Sie nennen das selbst „ausbaufähig“. Im Vergleich steht Eventbrite damit in der Tech-Branche ganz gut da.
Hartz: Wir haben von vornherein darauf geachtet, Frauen anzuwerben. Und die haben dann wiederum andere Frauen rekrutiert. Das ist das Geheimnis, auf das schon die ganzen Männer-Netzwerke schwören. Ich selbst profitiere immens von einem Frauen-Netzwerk: Da sind zum einen meine Idole Sheryl Sandberg, Meg Whitman und Ursula Burns, die ich eher aus der Ferne bewundere. Zum anderen habe ich tolle Frauen um mich, die mich immer wieder darin bestärken, nächste Schritte zu gehen und nichts für unmöglich zu halten. Darin kann ich ein Beispiel für andere Frauen sein und die Tech-Industrie ein bisschen verändern. Das Silicon Valley ist kein reiner Boys’ Club mehr.

Das Silicon Valley ist kein reiner Boys' Club mehr

Julia Hartz

WIRED: In Ihrer Branche herrscht ein brutaler Wettkampf um die besten MitarbeiterInnen. Was tun Sie, um als vergleichsweise kleines Unternehmen mit Konkurrenten wie Google oder Facebook mitzuhalten?
Hartz: Wir behandeln unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gut. Im Silicon Valley herrscht eine Art Aufrüstungswettkampf: Unternehmen bieten kostenlose Massagen an, Essen, Sportmöglichkeiten. Was sie aber oft zu sehr außer Acht lassen, ist psychologische Sicherheit. Eventbrite vermittelt den Mitarbeitern sehr genau, wer wir sind und was wir wollen. Wir lassen sie ihre Stärken und Interessen mit einbringen.

WIRED: Was genau ist und will Eventbrite denn?
Hartz: Wir wollen die Menschen einander näher bringen durch Live-Events. Wir sind nicht nur eine Ticketing-Firma, sondern wollen dabei helfen, ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken und das Vertrauen darin, irgendwo dazu und dahin zu gehören.

In Berlin laufen Tech-Veranstaltungen am besten. Tech, Tech, Tech. Großartig

Julia Hartz

WIRED: Haben Sie selbst einen Überblick über all die Veranstaltung, die über Ihre Plattform organisiert und gebucht werden?
Hartz: Wir machen alles, was man sich so vorstellen kann. Bis auf die ganz krassen Nischenthemen. Also: Musik, Essen und Trinken, Festivals, Sport-Events, alle Arten von Konferenzen. Ich bin leider selbst viel zu selten auf Eventbrite-Events und glaube, dass ich das noch verbessern muss: Wir sind eine sehr auf den Nutzer ausgerichtete Firma und müssen näher dran sein an dem, was sie so beschäftigt und motiviert, Veranstaltungen zu organisieren oder zu besuchen. Aus gleichem Grund haben wir die vielen Büros außerhalb der USA.

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WIRED: Hier in Berlin kümmern sich zehn Mitarbeiter um die Angelegenheiten von Eventbrite. Was genau ist der Vorteil?
Hartz: Unser Business lebt von der Verknüpfung von Offline-Erfahrung von Events mit E-Commerce. Mitarbeiter vor Ort bringen ihre Kenntnis der Kultur und der Örtlichkeiten mit ein. Um das Vertrauen der Menschen in unterschiedlichen Ländern zu erlangen, müssen wir uns dort auskennen, wo sie wohnen.

WIRED: Was ist Ihnen in Berlin als Eigenart aufgefallen?
Hartz: Tech-Events laufen hier am besten. Tech, Tech, Tech. Großartig.

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