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Es gibt jetzt zwei Bitcoin: Aber welches ist das echte?

von Dominik Schönleben
Über die Cryptowährung Bitcoin gibt es einen Glaubenskrieg. Eine Gruppe Reformisten hat sich mit ihrer eigenen Währung Bitcoin Cash abgespalten. Doch was ist nun das wahre Bitcoin?

Seit knapp drei Monaten gibt es die Cryptowährung Bitcoin zwei Mal. Ende Juli eskalierte ein Streit, der seit Jahren in der Bitcoin-Community ausgetragen wurde – einige Leute hatten einfach genug und spalteten sich mit ihrer eigenen Währung ab: Sie verdoppelten das Geld, veränderten ein Detail im Code und nannten ihren Klon: Bitcoin Cash. Doch die Rebellen wollen keine Alternative zu Bitcoin werden – so wie beispielsweise Ethereum oder Dogecoin. Sondern sie beanspruchen, dass ihres das wahre Bitcoin ist.

Wie konnte es soweit kommen? Um diese Frage zu beantworten, muss man die Genese von Bitcoin betrachten: Es gibt keinen echten Gründer oder Leiter von Bitcoin. Der Erfinder des digitalen Geldes ist nur unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto bekannt. Kurz nachdem er die Software für Bitcoin 2009 ins Netz gestellt hatte, verschwand er für immer. Die Kontrolle über seinen Code auf Github übergab er damals an den Programmierer Gavin Andresen.

Andresen wurde so quasi zum Bitcoin-Petrus. Er scharrte andere Interessierte um sich und lud besonders engagierte Bitcoin-Fans ein, mit ihm die Weiterentwicklung des Codes zu verwalten. Doch im Laufe der Jahre zerstritt Andresen sich mit einigen Mithelfern. Und dieser Konflikt eskalierte im August 2015 so sehr, dass Andresen schließlich ausgeschlossen wurde.

Kann Bitcoin zu einer Konkurrenz für VISA oder Paypal werden?

Dass Bitcoin im Juli 2017 in zwei Devisen gespalten wurde, ist auf diesen Konflikt zurückzuführen. Der zentrale Streitpunkt: Wie soll Bitcoin skaliert werden, damit das digitale Geld zu einem Bezahlsystem werden kann, das mit VISA oder Paypal konkurrieren könnte? Dafür müsste das Netzwerk Tausende von Transaktionen pro Sekunde durchführen. Bisher ist diese Zahl einstellig. Ein Teil der Bitcoin-Community wünschte sich schon lange eine kleine technische Änderung, mit der dieses Limit aufgehoben wird. Dieser Bewegung gehörte auch Andresen an – bevor er ausgeschlossen wurde. Er und andere hatte immer wieder Kompromissvorschläge gemacht, die stets abgelehnt wurden.

Viele Mitglieder des Bitcoin-Entwickler-Teams argumentieren gegen die Aufhebung des Limits: Bitcoin soll so bleiben wie es ist, das sei sicherer für die Stabilität der Währung. Sie wollen, dass kleinere Überweisungen lieber abseits des Bitcoin-Kassenbuchs aufgezeichnet werden. Und so schneller durchgeführt werden können. Zum Beispiel von einer Art Bank, die selbst Bitcoin-Münzen besitzt. Die echten digitalen Münzen würden dann der Goldstandard für diese Überweisungen sein. Eine Sicherheit, dass hier echter Wert übertragen wird.

An sich haben die Entwickler keine Macht über den Code von Bitcoin. Über jedes Update muss das Netzwerk abstimmen. Aber die Entwickler haben Einfluss in der Community, weil viele von ihnen eben von Anfang mit dabei waren. Der Streit brodelte auch lange nach Andresens Abgang weiter. Es gab nie eine Mehrheit, um das Überweisungslimit aufzuheben.

Das wurde zum Problem: Denn Bitcoin hat längst einen Punkt erreicht, an dem die Debatte ernst geworden ist. Weil das Netzwerk nur wenige Überweisungen durchführen kann, ist es ständig überlastet, bei gleichzeitig steigenden Transaktionsgebühren. Als Zahlungsmittel ist Bitcoin schon seit längerem nicht mehr praktikabel.

Ende Juli 2017 war es dann soweit: Ein Teil des Netzwerks spaltete sich ab. Die Reformisten klonten Bitcoin und entfernten einfach das Limit in ihrer eigenen Version. Die Folge war: Jeder der Bitcoins besaß, hatte plötzlich doppelt so viel Cryptogeld. Die neue Devise nannten sie dann Bitcoin Cash.

Die Reformisten argumentieren, dass sie mit Bitcoin Cash die eigentliche Vision von Erfinder Satoshi Nakamoto fortsetzen. Doch wegen der etwas mysteriösen Entstehung der Cryptowährung ist ein Nachweis schwierig. Wer die wahre Intention von Satoshi erahnen will, dem bleibt nichts anderes übrig, als die Blaupause für Bitcoin zu lesen, die er 2008 veröffentlicht hat. Oder man interpretiert Forenbeiträge, die Satoshi einst geschrieben hat. Aber vieles, das Satoshi den ersten Bitcoin-Jüngern erzählt hat, wurde in privaten Chat-Räumen geschrieben. Viele Aussagen von Satoshi basieren auf Hörensagen.

Satoshi hatte kein 1-Megabyte-Limit eingebaut

Ein Beispiel: Laut Programmierer Ray Dillinger besaß die erste Betaversion von Bitcoin kein Limit für Überweisungen. Dillinger war einer jener Experten, die den Open-Source-Code von Bitcoin für Satoshi nach Fehlern abgesucht haben, bevor die Währung veröffentlicht wurde. „Satoshi hatte kein 1-Megabyte-Limit eingebaut“, schrieb Dilliger 2015 im Forum Bitcointalk.org. Es sei nur hinzugefügt worden, weil ein anderer Code-Prüfer ein Sicherheitsrisiko sah, das es ohne das Limit geben könnte. So habe man es eingefügt, um es aber irgendwann wieder zu entfernen.

Basierend auf dieser und ähnlichen Überlieferungen argumentieren die Befürworter von Bitcoin Cash mit den Fans des klassischen Bitcoin. Es erinnert ein wenig an einen Religionsstreit, bei dem kleine Textfetzen immer wieder aufs Neue interpretiert werden. Am Ende gibt es keine objektive Wahrheit. Beide Seiten haben ihre eigenen Motivationen – entweder idealistisch oder ökonomisch – um für die eine oder die andere Seite zu argumentieren.

Auf Reddit und anderen Foren, in denen über Bitcoin diskutiert wird, nimmt der Konflikt eine besondere Härte an. Auf r/Bitcoin ist es beispielsweise von den Administratoren verboten worden, über Bitcoin Cash zu reden und jegliche Kritik am Transaktionslimit wird sofort gelöscht. Bisher war dieses Board der beliebteste Ort, um über Bitcoin zu diskutieren. Doch es ist komplett in der Hand einer Gruppe, die das klassische Bitcoin als das einzig Wahre sehen. Mittlerweile verlagern sich deshalb die Diskussionen mehr und mehr auf ein neueres Board namens r/BTC.

Was das echte Bitcion ist, bestimmt der Börsenkurs

Was das echte Bitcoin ist, bestimmt im Zweifelsfall der Preis, den Menschen bereit sind, zu bezahlen. Derzeit ist Bitcoin Cash die drittgrößte Cryptowährung, mit rund 250 Euro weit abgeschlagen vom Bitcoin-Preis von über fast 5000 Euro. Noch ist also das traditionelle Bitcoin das echte Bitcoin. Doch das kann sich schnell ändern. Das Transaktionslimit könnte schnell zur Achillesferse der Währung werden.

Derzeit wird versucht, die Transaktionen des traditionellen Bitcoins zu beschleunigen – ohne Aufhebung des Limits. Ein neues Update soll dafür sorgen, dass Überweisungen weniger Speicher brauchen, außerdem soll das Limit leicht erhöht werden. Kommen soll diese Veränderung Mitte November. Sollte es keine Mehrheit für diese Veränderung geben, könnte es schnell zum Kurseinbruch kommen, weil viele Menschen das Vertrauen in die Zukunft der Währung verlieren – und deshalb vielleicht doch zu Bitcoin Cash wechseln.

Das erste Bitcoin wird vermutlich nie sterben, aber irgendwann könnte der Moment kommen, wenn die Börsen das Cash im Namen von Bitcoin Cash einfach fallenlassen. Das traditionelle Bitcoin wird dann vielleicht in Bitcoin Klassik umbenannt.

Damit das passieren kann, muss der Kurs von Bitcoin Cash den von Bitcoin übersteigen. Denn das einzige, was Cryptowährungen stützt, ist das Vertrauen seiner Nutzer. Dieses Vertrauen wird im Börsenkurs bemessen. Es wird also stets das Bitcoin das echte Bitcoin sein, das den höheren Preis erzielt.

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