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„Ölfelder finden ist viel schwieriger“: Interview mit den Asteroiden-Bergbauern von Planetary Resources

von Anna Schughart
Asteroidenbergbau, das klingt erst mal nach Science Fiction. Doch Unternehmen wie Planetary Resources arbeiten schon jetzt daran, in einigen Jahren auf Himmelskörpern nach Ressourcen zu schürfen. WIRED hat mit Chris Lewicki, Geschäftsführer von Planetary Resources, über das Vorhaben Asteroid Mining gesprochen.

Chris Lewicki möchte alle davon überzeugen, dass Asteroidenbergbau keine Zukunftsspinnerei ist, sondern ein lohnendes Geschäft. Und er ist nicht allein: Hinter seinem Unternehmen Planetary Resources stecken namhafte Tech-Investoren wie Richard Branson, Larry Page oder Eric Schmidt. Die Firma ist aber nicht die einzige, die sich für die Rohstoffe im All interessiert. Der größte Konkurrent dürfte wohl Deep Space Industries sein. Und zuletzt verkündete Luxemburg, den Asteroidenbergbau zu fördern und einen rechtlichen Rahmen erarbeiten zu wollen.

WIRED: Herr Lewicki, wann wird Planetary Resources den ersten Asteroiden abbauen?
Lewicki: Wahrscheinlich 2025. Dann wollen wir zum ersten Mal Wasser von einem Asteroiden abzapfen.

WIRED: Wasser? Geht es beim Asteroidenbergbau nicht darum, wertvolle Metalle wie Platin zu gewinnen?
Lewicki: Wasser ist die aufregendste Ressource, damit fängt alles an. Wir Menschen brauchen es, um zu überleben. Aber Wasser ist auch gut für Produktionsprozesse, zum Reinigen, zur Kühlung oder um gegen kosmische Strahlung zu schützen. Außerdem kann man aus Wasser Treibstoff gewinnen. Die Idee ist, dass wir im Weltall Depots für Wasser, Treibstoff und Sauerstoff errichten.

WIRED: Dann wird der Asteroid zur Tankstelle?
Lewicki: Bisher war alles, was wir in den Weltraum geschickt haben, komplett mit dem ausgestattet, was es sein ganzes Leben lang im All brauchen wird. Aber je mehr du auf einer Rakete mitnehmen willst, desto mehr Treibstoff brauchst du, desto schwerer wird die Rakete, und desto mehr Treibstoff musst du wieder mitnehmen.

WIRED: Warum also nicht die Ressourcen im Weltall nutzen?
Lewicki: Genau. Wenn wir nur das komplizierte Zeug hochschicken und den Tank im Weltraum wieder auffüllen, dann können wir Raumschiffe immer wieder benutzen. Oder sie könnten zwischentanken und viel weiter in den Weltraum vorstoßen. Das wird den Weltraum im 21. Jahrhundert transformieren.

Es ist wichtig, dass wir zu einer multi-planetaren Spezies werden.

WIRED: Asteroid Mining macht also den Weg bereit für die Kolonialisierung des Alls?
Lewicki: Ich denke, eines der wichtigsten Dinge, die wir tun, ist, uns in eine multi-planetare Spezies zu verwandeln. So wie die Ressourcen unserer Erde es uns erlaubt haben, durch alle Jahrhunderte hindurch neue Kontinente zu entdecken, Infrastruktur zu bauen und neue Zivilisationen und Gesellschaften zu errichten, so wollen wir die Ressourcen des Weltalls nutzen. Das ist die eigentliche Idee von Planetary Resources.

WIRED: Wie sieht das konkret aus?
Lewicki: Stellen Sie sich vor, man könnte die Ressourcen im Weltall einfach direkt verwenden und Infrastrukturen bauen, ohne irgendwelche anderen Baustoffe mitzubringen. Das geht, man nutzt einfach die Metalle, die da sind, und dazu Technologien wie den 3D-Druck. Wir haben neulich aus zum ersten Mal aus Asteroiden-Metallen einen kleinen Raumschiff-Prototypen gedruckt.

WIRED: Heißt das, Sie wollen gar keine seltenen, wertvollen Metalle abbauen, um sie zurück zur Erde zu bringen?
Lewicki: Das wäre die Perfektion dieser Industrie. Wir wissen durch die Untersuchung von Meteoriten und Asteroidenfragmenten, dass die Platinmetalle im Überfluss auf Asteroiden zu finden sind. Auf der Erde sind sie alle in den Erdkern gesunken, also für uns nicht wirklich erreichbar. Aber wir werden die Erde erst mit Platin und anderen Metallen beliefern, wenn das ganze Geschäft gut läuft, wir effizient sind und alle technischen Herausforderungen von hier nach dort gelöst haben.

WIRED: Lohnt sich das denn? Asterank schätzt den Wert einzelner Asteroiden auf Milliarden, teilweise Billionen. Aber das hat sich doch erledigt, sobald die Edelmetalle in Massen zu haben sind.
Lewicki: Das ist nur eine erste Beobachtung. Man muss sich ja nur mal das Beispiel Aluminium anschauen: Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war Aluminium sehr selten. Dann wurden die Technologien entwickelt, um es herzustellen und aus der Erdkruste zu gewinnen und jetzt ist es reichlich vorhanden. Aber es gibt jetzt auch eine viel größere Industrie, die auf dieser Reichlichkeit basiert. Natürlich wird es eine Übergangsphase geben, aber das haben wir auch schon in anderen Industriezweigen gesehen.

WIRED: Bis es soweit ist, müssen Sie aber erst mal beweisen, dass Sie wirklich einen Asteroiden abbauen können. Wie weit sind Sie denn?
Lewicki: Bevor wir mit dem Mining anfangen, müssen wir unsere Ressource erst mal charakterisieren und finden – genau wie eine Bergbaufirma auf der Erde. Daran arbeiten wir gerade: Wir bauen günstige Roboter-Raumschiffe, die die richtige Sensortechnologie haben und diese Messungen machen können. Letztes Jahr haben wir unseren ersten Satelliten Arkyd 3 von der ISS aus gelauncht. Er hat sechs Monate unseren neue Technik getestet. Unsere Computer und Software funktionieren nämlich ganz anders als die Ansätze der Regierungsmissionen.

WIRED: Inwiefern?
Lewicki: Ich habe früher im NASA Jet Propulsion Laboratory an den Mars Rovern und Mars Lander gearbeitet. Die haben im Prinzip ganz ähnlich wie normale Laptops oder Handys funktioniert: Es gibt eine CPU und wenn der etwas passiert, bekommt man quasi den Blue Screen. Das heißt, wir mussten viel Zeit darauf verwenden, dass das Computersystem und die Software extrem verlässlich sind. Man kann ja nicht einfach Strg+Alt+Entfernen auf dem Mars drücken.

Es ist viel schwieriger, die nächste Goldmine auf der Erde zu finden.

WIRED: Und was machen Ihre Computer anders?
Lewicki: Wir haben eher einen Cloud-Computing Ansatz. Der Arkyd-3-Satellit hat ein Dutzend verschiedene Computersysteme, die sich alle jeweils um die verschiedenen wichtigen Parts kümmern. Das erlaubt es dem Zentralcomputer sich auf andere Aufgaben zu konzentrieren – so wie unser Gehirn sich ja auch nicht auf das Atmen oder die Blutzirkulation konzentrieren muss. Das heißt wir können wirklich fortschrittliche Computer in den Weltraum transportieren.

WIRED: Haben Sie denn schon einen Asteroiden für die erste Mission im Blick?
Lewicki: Wir haben eine engere Auswahl von etwa 80 Asteroiden und zehn davon verfolgen wir regelmäßig. Die beiden Asteroiden, die sich die NASA und die japanische Raumfahrtbehörde für ihre Missionen ausgesucht haben, sind besonders erwähnenswert. Ich würde sagen, Ryugu (1999 JU3) der Japaner ist ein bisschen einfacher zu erreichen, er ist näher. Aber das tolle ist ja: Es gibt noch mehr Asteroiden wie diese. Sie sind das am einfachsten zu erreichende Ziel in unserem Sonnensystem.

WIRED: Für viele Menschen klingt das trotzdem immer noch nach Science-Fiction.
Lewicki: Es ist viel schwieriger, das nächste Ölfeld oder die nächste Goldmine auf der Erde zu finden. Auf einem Asteroiden müssen wir zum Beispiel nicht erst durch einen Kilometer Erde graben, um an die Ressourcen zu kommen. Da sind bloß wir, der Asteroid und dazwischen nichts als Vakuum. Ich sage den Menschen immer: Das ist nichts, was vielleicht irgendwann eines Tages passiert. Es passiert jetzt. Und bei jedem Schritt lässt sich Geld verdienen.

WIRED: Wie finanziert sich Planetary Resources heute, wenn Sie erst 2025 Asteroiden abbauen werden?
Lewicki: Am Anfang hatten wir die Unterstützung von sehr bekannten Tech-Investoren. Aber wir müssen nicht warten, bis wir den ersten Asteroiden-„Bergarbeiter“ konstruiert haben, um ein profitables Unternehmen zu sein. Viele neue Technologien, die wir entwickeln, sind auch für andere interessant, für privaten Unternehmen oder auch die NASA. Die Technik, mit der wir Wasser auf den Asteroiden finden wollen, kann man zum Beispiel auch nutzen, um den Wasserkreislauf der Erde zu untersuchen.

WIRED: Sie sind ja nicht das einzige Unternehmen im Asteroidenbergbau-Geschäft und auch in anderen Space-Branchen gibt es Konkurrenten. Erleben wir gerade ein zweites Race to Space?
Lewicki: Ja, das denke ich schon. Aber hier geht es nicht um den Wettbewerb zwischen Regierungen und Ideologien, sondern zwischen Märkten und Ideen. Im Prinzip ist das Weltall nur ein anderer Ort, um Geschäfte zu machen und Probleme zu lösen.

WIRED: Sie und die anderen Unternehmen übernehmen Aufgaben, die früher den Regierungen vorbehalten waren. Sie kapitalisieren den Weltraum.
Lewicki: Wir werden die permanente Präsenz von Menschen im Weltall befördern. Weil wir viel nachhaltiger sind: Wir sind nicht von den Finanzierungs-Zyklen der Regierungen abhängig. Außerdem nutzten wir die besten Technologien, die es gibt und nicht bloß die, die NASA oder die ESA entwickelt haben. Natürlich profitiert Planetary Resources von Jahrzehnten der Forschung durch die Regierung. Aber im Prinzip folgen wir ja einem ganz alten Muster: Könige und Königinnen haben Eroberungen und Entdeckungen initiiert, wie zum Beispiel die Entdeckung Amerikas. Aber Menschen mit kommerziellen Interessen, die nach einem besseren Leben suchten, haben die sogenannten Frontiers gefestigt.

Eines Tages müssen wir vielleicht die United Federation of Planets gründen.

WIRED: Man kann Ihnen aber auch vorwerfen, dass Sie mit dem Abbau von Asteroiden gegen den Weltraumvertrag verstoßen. Er soll verhindern, dass Himmelskörper durch einzelne Staaten okkupiert werden.
Lewicki: Da gab es in den letzten Monaten viel Fortschritt. Die USA haben den SPACE Act 2015 verabschiedet, der amerikanischen Staatsbürgern das Recht gibt, Ressourcen im Weltall zu erkunden und abzubauen. Und zu Beginn des Jahres hat Luxemburg beschlossen, sich in diesem Bereich stärker zu engagieren und einen rechtlichen Rahmen zu schaffen. Aber bald müssen wir sowieso über mordenere Regierungsarten nachdenken.

WIRED: Wieso denn das?
Lewicki: Klar, in der näheren Zukunft werden alle am Asteroidenbergbau beteiligten Menschen auf der Erde wohnen und das Geld wird auf der Erde seinen Besitzer wechseln. Aber eines Tages werden genügend Menschen auf einem Außenposten im Orbit oder auch auf dem Mars leben und dann müssen wir vielleicht die United Federation of Planets gründen. 

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