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Deezer mixt Mensch und Maschine, um unseren Musikgeschmack zu treffen

von Leonie Czycykowski
Die Mitarbeiter des Musik-Streaming-Dienstes Deezer arbeiten Tag für Tag mit Algorithmen, die unseren Musikgeschmack analysieren und darauf zugeschnittene Songvorschläge liefern. Aber brauchen wir solche menschlichen Kuratoren überhaupt noch? Oder kann Mathematik die Arbeit eines Menschen nicht auch in Fragen des Geschmacks längst ersetzen?

Richard Wernicke und sein Team sind die menschliche Komponente in einem von Algorithmen getriebenen Feld. Und dass sie dabei Mensch bleiben, ist von entscheidender Bedeutung für den Erfolg ihrer Musikempfehlungen. „Der menschliche Faktor ist mindestens genauso wichtig wie der Algorithmus. Und wir Redakteure sorgen dafür, dass hier und da ein paar Trojanische Pferde in deinen persönlichen 'Flow' eingespeist werden, die dir etwas zeigen, das du nicht erwartet hättest“, sagt Wernicke, Head of Content and Editorial beim Musik-Streaming-Anbieter Deezer.

In einer Zeit der Diskussion um Filterblasen im Netz, die uns nur noch mit Inhalten konfrontieren, die unsere eigene Weltsicht unterstützen, stellt sich die Frage: Wenn Algorithmen analysieren, was uns gefällt und sich bemühen, uns immer mehr von genau dem zu geben – besteht dann nicht auch beim Musikhören die Gefahr, dass wir uns in der immer gleichen Blase um uns selbst drehen? Und sind wir mit einem durch Algorithmen begrenzten Kosmos eigentlich zufrieden?

Spätestens, als Facebook in diesem Jahr seine News-Redakteure entließ und die Artikelauswahl auf dem Netzwerk einem Algorithmus überließ, muss man sich fragen: Wie viele Tätigkeiten, von denen wir uns heute einbilden, dass sie nur durch menschliche Hand erledigt werden können, können in Zukunft von mathematischen Modellen und Künstlichen Intelligenzen erfüllt werden? Und inwieweit betrifft diese Frage auch den kreativen Bereich?

Algorithmen liefern Daten, Redakteure reichern sie mit Fachwissen an

Im Deezer-Büro in Berlin-Mitte, im hippen und von Touristen bevölkerten Teil der Stadt, sitzt unter anderem auch ein Team aus Content-Redakteuren, die den Playlists des Anbieters die richtige Würze verleihen sollen: Deezer setzt neben technischer Unterstützung auch auf menschliche Kuratoren. Manche Redakteure beschäftigen sich dabei als Experten nur mit einem dezidierten Genre, andere bedienen den übergeordneten regionalen Markt mit all seinen Eigenheiten und musikalischen Vorlieben.

Dass Playlists auch automatisch von Algorithmen auf Basis des bisherigen Nutzerverhaltens zusammengestellt werden können, ist vor allem dank Spotifys Empfehlungsliste Dein Mix der Woche und dem kürzlich hinzugekommenen Release Radar inzwischen als Standard etabliert. Das Versprechen: Unser Musikgeschmack lässt sich berechnen und heraus kommt eine Playlist, die ganz auf unsere individuellen Bedürfnisse zugeschnitten ist. Während sich Spotify – trotz von Menschen zusammengestellter Playlists – ganz klar als Data-First-Unternehmen positioniert, setzt Deezer auf die Mischung zwischen Technik und redaktioneller Betreuung.

„Der Algorithmus analysiert die Musik auf viele Parameter hin – Tempo, Rhythmus, Melodie und so weiter. Diese Vorsortierung ist notwendig. Unsere Redakteure reichern diese Daten dann mit ihrem Fachwissen weiter an“, erklärt Michael Krause, Chief International Officer bei Deezer.

Inzwischen reicht es für die Anbieter zur Profilierung allerdings kaum mehr aus, sich auf Musik zu beschränken. Neben dem Angebot an klassischem Musik-Streaming, setzt man auch bei Deezer zunehmend auf die Produktion von Original Content, also Eigenproduktionen, die eben nur bei dem produzierenden Dienst zu bekommen sind. Und mit diesem Ansatz ist Deezer nicht allein auf dem Markt: Auch Audible und Spotify haben begonnen, den Podcast-Markt in Angriff zu nehmen.

Diese Exklusivität bezieht sich jedoch dezidiert auf Nicht-musikalische Inhalte wie Podcasts, Hörbücher oder Webradioformate. Waren exklusive Musik-Deals vor einiger Zeit noch ein probates Mittel, um neue Nutzer zu generieren, hat sich inzwischen herumgesprochen, dass weder Künstler noch Fans davon wirklich anhaltend profitieren.

Der Kampf um die Gunst der Nutzer wird 2017 erst so richtig losgehen

Der Erfolgsdruck in der Branche ist groß: Im Gegensatz zum Filmstreaming, bei dem die meisten Menschen aufgrund des unterschiedlichen Angebots gleich mehrere Dienste nutzen, beschränken sich viele Nutzer bei Musik normalerweise auf einen Dienst. Die Preisstaffelungen sind bei allen Diensten vergleichbar – es wird künftig also vor allem um die Frage gehen, wie sich die Anbieter noch voneinander abgrenzen können. Spotify hat hier womöglich gerade eine große Chance vertan, indem es die Übernahme von SoundCloud platzen ließ.

Es werden deshalb wohl vor allem selbstproduzierte Inhalte sein, die für die Nutzer künftig den Ausschlag bei der Wahl des Streaming-Anbieters geben könnten. „Im Podcast-Bereich passiert im Moment sehr viel, auch bei Hörbüchern und im Kids-Sektor gibt es noch viele Potenziale“, erklärt Krause in Hinblick auf das kommende Jahr.

Ob nun Podcasts oder strategische Partnerschaften wie Deezer sie zum Beispiel mit der Aktion Musik ist bunt gegen rechte Musik gemeinsam mit dem FC St. Pauli ins Leben gerufen hat – der Bedarf nach mehr Profilschärfe wurde inzwischen von allen Anbietern erkannt. Der Kampf um die Gunst der Nutzer wird 2017 erst so richtig losgehen.

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