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Wieso ein Startup aus Köln so gute Übersetzungen schafft

von Timo Brücken
Google ist schlagbar. Das will das Unternehmen hinter der Übersetzungssuchmaschine Linguee unter dem neuen Namen DeepL beweisen.

„Unser Traum war es, irgendwann so gut zu werden wie Google Translate“, sagt Gereon Frahling, wenn er an die vergangenen zwölf Monate zurückdenkt. „Aber dann stellte sich heraus, dass unsere Ideen ausreichen, um sogar deutlich besser zu sein.“ Frahlings Unternehmen DeepL hat vor wenigen Tagen einen maschinellen Volltext-Übersetzer ins Netz gestellt, der laut ersten Tests von Tech-Medien leistungsfähiger sein soll als die Konkurrenz von Google, Microsoft und Facebook.

Auf Deepl.com lassen sich ganze Artikel in Sekundenbruchteilen übersetzen. Der Nutzer muss dafür nur den Text ins erste Feld kopieren und die Übersetzung erscheint im zweiten. Derzeit werden sieben Sprachen unterstützt: Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Niederländisch und Polnisch. Bald sollen Mandarin, Japanisch, Russisch und Portugiesisch hinzukommen, bis Ende des Jahres will das Startup 230 Sprachkombinationen anbieten.


DeepL hieß früher Linguee und betreibt seit 2009 die gleichnamige Suchmaschine für Übersetzungen. Sie ist eines der Erfolgsgeheimnisse des neuen Produkts: „Wir haben jahrelang nichts anderes gemacht, als alle hochqualitativen Übersetzungen dieser Welt zu sammeln“, erklärt Frahling. Für Linguee durchsuchten spezielle Programme, sogenannte Crawler, das Internet nach übersetzten Texten. Menschliche Redakteure bewerteten diese nach ihrer Qualität und legten Datenbanken an. Eine andere Software merzte wiederum die Fehler aus, die die Menschen dabei machten.


Auf diese Weise kam über die Jahre eine große Menge Trainingsdaten für das neuronale Netz von DeepL zusammen. Neuronale Netze sind eine relativ junge Spielart der künstlichen Intelligenz. Sie sind lernfähig und ahmen die Informationsverarbeitung im menschlichen Gehirn nach. „Wir wurden von dieser Revolution überrollt“, sagt Frahling. Im Übersetzermarkt schlug die Technologie im vergangenen Jahr voll ein, auch Google stellte sein Translate-System entsprechend um. Und das war der Punkt, an dem der Konzern schlagbar wurde.

„Vor fünf Jahren hätte ich mit Sicherheit noch gesagt, Volltext-Maschinenübersetzung machen wir nicht, das ist uns zu kompliziert“, erinnert sich Frahling. „Google hatte sein altes System über zehn Jahre mit sehr vielen Leuten entwickelt und sich damit anzulegen, machte einfach keinen Sinn.“ Auf dem neuen Gebiet der neuronalen Netze konnte sein Unternehmen jedoch mithalten, die Trainingsdaten waren ja da, und die passenden KI-Experten auch. Nur hatten sie bisher eben an der automatischen Fehlerkorrektur für die Linguee-Redakteure gearbeitet und nicht an einem maschinellen Volltext-Übersetzer.

Im Sommer vergangenen Jahres fiel die Entscheidung, DeepL zu entwickeln. Der Vorteil des Systems, das auf einem Supercomputer in Island läuft, soll sein, dass es den ganzen Text gleichzeitig verarbeitet, während andere maschinelle Übersetzer ihn von vorn nach hinten durchgehen müssen. DeepL könne eine Million Wörter in der Sekunde übersetzen und sei von professionellen Übersetzern in Blindtests dreimal besser bewertet worden als die Konkurrenzprodukte von Google, Microsoft und Facebook, schreibt das Unternehmen.

Einnahmen sollen APIs bringen, also Programmierschnittstellen, mit denen Entwickler anderer Apps DeepL in ihre Produkte integrieren können. Seit dem Start von DeepL am Montag habe er schon etwa 40 entsprechende Anfragen bekommen, sagt Frahling. Außerdem kann er sich eine kostenpflichtige Version für professionelle Übersetzer vorstellen. Für alle anderen bleibe das Angebot kostenlos. DeepL-Apps für Android und iOS sollen im Dezember folgen.


Frahling gründete Linguee – heute DeepL – 2009 gemeinsam mit Leonard Fink in Köln. 2012 stieg Fink aus. Die werbefinanzierte Suchmaschine Linguee trägt das Unternehmen laut Frahling seit 2013. Weitere Finanzierungsrunden seien derzeit nicht geplant, sagt der Gründer. 2009 und 2010 erhielt das Startup insgesamt 800.000 Euro Seed-Investment, eine aktuelle Unternehmensbewertung ist nicht bekannt. DeepL hat 22 festangestellte Mitarbeiter in Deutschland und rund 400 freiberufliche Redakteure auf der ganzen Welt.

Linguee soll weiter betrieben werden und richtet sich laut Frahling vor allem an Menschen, die professionell mit Sprache arbeiten und etwa Formulierungshilfe brauchen. DeepL hingegen sei für alle gedacht, die einen Text in einer Sprache verstehen wollen, die sie selbst nicht sprechen. So glaubt der Kölner Gründer, es mit dem Silicon Valley aufnehmen zu können. „Wir haben einen Vorteil dadurch, dass wir in Europa sitzen“, sagt er. „Hier gibt es mehr Entwickler und Forscher, die es gewohnt sind, jeden Tag Fremdsprachen zu sprechen und die Probleme sehr genau kennen, die bei Übersetzungen auftreten.“


Gründerszene

Dieser Artikel erschien zuerst bei Gründerszene
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