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Das sind die Trends auf der IFA 2016

von Karsten Lemm
Die Deutschen verlieren die Lust am Fernsehen mit festen Sendezeiten, begeistern sich für Virtual Reality und werden Fans von Wearables: Eine Bitkom-Umfrage zum Start der IFA zeigt, wie Digitaltechnik das ganze Land verändert.

Die 92-Jährige versteckt ihr Alter hinter eine Abkürzung. IFA, das steht eigentlich für Internationale Funkausstellung und stammt aus Zeiten, in denen Rundfunk und Fernsehen noch durch Radiowellen übertragen wurden. Heute dreht sich allerdings auch bei der Berliner Messe, die 1924 zum ersten Mal veranstaltet wurde, alles um Digitaltechnik.

Vom Fernsehen in herkömmlicher Form wollen immer weniger Menschen etwas wissen. 72 Prozent der Deutschen verabschieden sich von festen Sendezeiten, weil sie sich an Video-Streaming als Alternative gewöhnt haben. „Jeder Vierte könnte sich vorstellen, auf klassisches Fernsehen zu verzichten“, berichtet Timm Lutter, zuständig für Unterhaltungselektronik und Medien bei Bitkom.

Der Branchenverband ermittelt jährlich zur IFA gemeinsam mit der Unternehmensberatung Deloitte, wie Deutsche Unterhaltungselektronik nutzen. 2016 schiebt sich Virtual Reality ins Rampenlicht, Streaming wird bei Bild und Ton zum Standard, und das Smartphone zeigt sich in einer Doppelrolle: Es zerstört, wo es Aufgaben anderer Geräte übernimmt, und fördert zugleich den Aufbau ganz neuer Geschäfte – etwa beim Internet der Dinge. WIRED zeigt die wichtigsten Trends im Überblick.

1. Virtual Reality: Ein neues Medium wird geboren
Vor kurzem mag der Begriff noch Kopfschütteln ausgelöst haben; jetzt können es viele gar nicht mehr erwarten, in die schöne neue Welt der Rundum-Bilder einzutauchen. „Virtual Reality ist angekommen“, sagt Klaus Böhm, Medien-Direktor bei Deloitte. 59 Prozent der Deutschen wissen, worum es dabei geht; jeder Zehnte hat schon mal eine VR-Brille ausprobiert, und ein Drittel zeigt ganz allgemein Interesse: Macht 21 Millionen potentielle Nutzer.

Bis 2020, schätzt Deloitte, könnte ein Markt mit mehr als einer Milliarde Euro Umsatz im Jahr entstehen. Gaming vor allem sehen die Marktforscher als Treiber für die Entwicklung zum Massenmedium. „Auch ältere Spieler sind heiß auf Virtual Reality“, sagt Böhm.

Als nächstes könnten sich Sportsender, Konzertveranstalter oder Reiseanbieter für das neue Medium begeistern. Die Aussicht für Fans: Plötzlich selbst in der Boxengasse der Formel Eins stehen, mit Kanye West auf der Bühne sein oder Australien besuchen, ehe man den Koffer gepackt hat. Für solche Erlebnisse, glauben die Verfasser der Studie, wären viele Menschen bereit, extra zu zahlen. Deshalb entfallen drei Viertel der erwarteten Einnahmen nicht auf Brillen, Konsolen und andere VR-Hardware, sondern auf Inhalte.

Allerdings stehen gerade Produzenten von Film- und Fernsehproduktionen noch vor der Frage, wie sich in Virtual Reality packende Geschichten erzählen lassen, wenn die Macher viel weniger Kontrolle darüber haben, wo ihr Publikum gerade hinschaut. „Das passende Konzept gibt es noch nicht“, sagt Böhm und vermutet, dass Produzenten sich stark daran orientieren werden, was im Gaming gut funktioniert: „Die Grenzen verschwimmen.“

2. Aber bitte per Streaming
Der Fernseher: nur noch ein Bildschirm von vielen. Die Stereo-Anlage: ein Auslaufmodell, wenn sie sich nicht irgendwie mit Spotify, Deezer oder iTunes Music versteht. Das ist die neue Wirklichkeit in Deutschlands Wohnungen. 77 Prozent der Zuschauer haben sich vom Live-TV entkoppelt, besuchen lieber die Mediatheken von ARD, ZDF und Privatsendern oder schalten auf Netflix & Co. um. Die Tatsache, dass jeder Vierte sich sogar vorstellen könnte, ganz auf klassisches Fernsehen zu verzichten, kommt für den Bitkom-Experten Timm Lutter einer Revolution gleich: „Es wird den Bewegtbild-Markt komplett verändern.“

Bei den Umsätzen erwarten die Marktforscher bis 2018 ein Wachstum auf 1,1 Milliarden Euro – 300 Millionen mehr als in diesem Jahr. Knapp die Hälfte soll auf werbefinanzierte Videos entfallen, der Rest auf Einzelkäufe und Monatsabos.

Während der Bilderreichtum aus dem Internet mittlerweile alle Altersgruppen begeistert, spricht Musikstreaming bisher vorwiegend Jüngere an: Mehr als die Hälfte der unter 30-Jährigen holt sich die Lieblings-Hits aus dem Netz, bei den 50- bis 64-Jährigen ist es knapp ein Drittel. Wer einmal auf den Geschmack kommt, will dann auch die ganze Wohnung mit der Sound-Cloud verbinden. Das fördert den Boom vernetzter Musiksysteme. „Darüber wird für die gesamte Audio-Sparte mittlerweile ein Wachstum von 5,8 Prozent erzielt“, sagt Lutter. Verlierer sind die, deren Geräte kein Bluetooth oder WLAN verstehen, um bei der neuen Musikbegeisterung mitzuspielen.

3. Die Welt gehört dem Smartphone
Neun von zehn Deutschen unter 65 Jahren benutzen mittlerweile ein smartes Handy. Das sieht nach Sättigung aus, doch der Hunger auf neue Modelle kennt offenbar keine Grenzen. Deshalb sollen in diesem Jahr 28 Millionen Geräte verkauft werden – ein neuer Rekord. Der Umsatz wird dabei wohl zum ersten Mal schrumpfen, von 10,6 auf 10,4 Milliarden Euro. Den scheinbaren Widerspruch erklärt Bitkom mit billigeren Modellen, die genug leisten, um teurere zu verdrängen.

„Das Smartphone ist so lebendig wie nie“, erklärt Lutter. Seine Beliebtheit treibe das Geschäft in zahlreichen neuen Kategorien an, etwa bei Wearables und dem Internet der Dinge. Fast die Hälfte der Deutschen zeigt inzwischen Interesse an einer Smartwatch, wovon 18 Prozent sagen: „Ich werde eine Smartwatch auf jeden Fall nutzen.“ 1,6 Millionen Käufer erwartet Bitkom in diesem Jahr. Das wären mehr als Fitness-Tracker (1,3 Millionen). „Diese neue Kategorie hat sich komplett etabliert“, sagt Lutter.

Auf der anderen Seite vernichten die digitalen Alleskönner traditionelle Geschäfte mit weniger talentierten Geräten: Hersteller von Fotoapparaten, MP3-Spielern und Navigationssystemen haben das bereits zu spüren bekommen. Videokameras werden wohl ebenso in einer Nische verschwinden: Drei Viertel der Deutschen unter 50 Jahren greifen regelmäßig zum Handy, um Filmclips aufzunehmen, ein Drittel von ihnen stellt sie anschließend ins Netz.

Auch beim Trend-Thema VR ist das Smartphone schon dabei, sind in den Vordergrund zu drängeln: Mobile-VR-Geräte, die als Aufsatz ans Handy geklemmt werden, mögen nicht die Leistung einer Oculus-Rift-Brille bieten – aber sie sind weit billiger und machen das meiste aus dem, was alle Welt schon hat. „Die Geräte für den Massenmarkt sind eigentlich schon da“, sagt Timm Lutter. „Wir haben sie alle in der Hand.“ In spätestens fünf Jahren, schätzt der Bitkom-Experte, wird Virtual Reality im Alltag angekommen sein – mit viel Hilfe vom Smartphone.

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