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„Früher gab es den Kaninchenzüchterverein, heute gibt es das Pinterest-Board“ — Jan Honsel von Pinterest über Selbstdarstellung im Social Web

von Elisabeth Rank
Pictures work best, das ist die Maxime vieler Social-Media-Redakteure. Und genau die prophezeien auch, dass 2015 das Jahr von Pinterest wird. Warum das Bild aber doch nur Mittel zum Zweck ist, hat uns Jan Honsel erklärt, Pinterests Country Manager für Deutschland, Österreich und die Schweiz.

WIRED: Ist Pinterest wirklich ein Social Network?
Jan Honsel: Wir sind schon ein soziales Netzwerk, aber nicht so wie Facebook. Bei uns geht es nicht um Menschen aus deinem nahen Lebensumfeld, sondern um gemeinsame Interessen. Das heißt nicht direkt, dass du die Menschen hinter diesen Passionen unbedingt persönlich treffen willst. 

WIRED: Meinen Sie nicht, das öffentliche Pinnen von schönen Sachen hat auch etwas mit dem Wunsch nach Zugehörigkeit zu tun?
Honsel: Naja, früher gab es eben den Kaninchenzüchterverein, in dem man sich connecten konnte, heute gibt es ein Pinterest-Board dafür und man muss die Leute nicht einmal treffen. Das hat relativ wenig mit Selbstdarstellung zu tun. Dass es die Möglichkeit gibt, Profile zu erstellen oder anzuklicken, ist nur ein Nebeneffekt. 

WIRED: Aber ohne Profile könnte man die Daten der Nutzer nicht auslesen. Gibt es Erhebungen zu den Motivationen der Nutzer, Pinterest zu nutzen?
Honsel: Bisher haben wir dazu noch keine Studie gemacht. Aber du findest Dinge bei uns anders als bei Google. Es gibt ja viele Fragen, die dir als Nutzer noch gar nicht bewusst sind, aber die du dir eigentlich stellst. 

Viele Leute gehen über den Ku’damm und kaufen nichts. Aber das Laufen und Schauen ist ja auch schön.

Jan Honsel

WIRED: Sie meinen das sogenannte „Bedürfnis“, das Marken bei Kunden erwecken wollen, um ihre Produkte verkaufen zu können? Dem Kunden wird gezeigt, was es Schönes gibt, damit er erst einmal merkt, dass er das Schöne haben will, weil er selbst nicht drauf kommt?
Honsel: Das ist bei uns das Thema „Entdecken & Inspiration“, wir übernehmen eine Discovery- und Suchmaschinen-Funktion, neben der Sortierung und unserem sozialen Netzwerk. Am Anzeigen-Targeting arbeiten wir gerade. Das ist ein großes Thema, denn in den USA gibt es nun erste Bezahlmodelle und da muss man gründlich überlegen, wer die Burberry-Anzeige nun ausgespielt bekommt. 

WIRED: Gleichzeitig pinnen User natürlich nicht nur Sachen, die sie sich wirklich leisten können, sondern auch Dinge, die sie sich wünschen — oder von denen andere glauben sollen, dass sie diese besitzen. 
Honsel: Natürlich bilden Boards nicht 1:1 die realen finanziellen Möglichkeiten der User ab. Beim Magazin Gala ist das ja ähnlich, da sind auch Anzeigen von Marken drin, wo du dich fragst: Sind die Anzeigen bei den Kunden, die die Gala lesen, eigentlich richtig platziert? Sind die Leserinnen wirklich die, die ein Chanel-Kostüm kaufen wollen, geschweigen denn können. Du hast immer große Wünsche dabei, die einfach nur Eye Candy sind und nichts mit der Realität zu tun haben. Menschen mit diesen Boards kann ich natürlich nicht einfach Haute Couture verkaufen, aber ich weiß dann, dass derjenige ein Interesse an Trends hat, kann ihn einsortieren und perspektivisch mit einer Anzeige bespielen. 

Dass bei Pinterest alles so gut aussieht, ist doch schön!

Jan Honsel

WIRED: Ist Pinterest manchmal auch so etwas wie Shopping-Natreen, das Pinnen also eine Ersatzhandlung?
Honsel: Viele Leute gehen über den Ku’damm und kaufen nichts, weil sie nicht wollen oder nicht können. Aber das Laufen und Schauen ist ja auch schön. Aber es gibt eben auch jene, die zu Zara gehen und sich 25 Teile auf einmal kaufen. Wir bilden jeden Use-Case ab. Was nicht heißt, dass ich ein Board anlege, damit mich die Community für einen anderen Menschen hält, als ich eigentlich bin.

WIRED: Also doch Selbstdarstellung?
Honsel: Das kann schon passieren. Ich glaube aber, das ist eher bei Facebook und Instagram der Fall, denn da ist die soziale Peer-Group näher. Natürlich erschafft man auch bei uns ein Bild von sich.

WIRED: Ich pinne also auf Pinterest eher das schöne Bild eines Weckers, den ich gerne hätte, anstatt meinen eigenen Wecker hübsch auszuleuchten und ihn dann auf Instagram zu posten? 
Honsel: Ja, Blogger und Webseitenbetreiber pinnen schon auch ihre eigenen Sachen, aber bei uns sind nur fünf Prozent der Inhalte wirklich nutzergeneriert. 95 Prozent der Bilder kommen von Drittanbietern und kursieren bereits im Netz. 

Auf Pinterest werden in Zukunft viel mehr IKEA-Bilder zu finden sein als welche im VOGUE-Style.

Jan Honsel

WIRED: Die sehen ja auch sehr hübsch aus, fast wie eine idealisierte, eigene Welt. Immer das richtige Licht, immer aufgeräumt, immer perfekt.
Honsel: Das liegt daran, dass unsere Inhalte zum größten Teil von Profis gemacht, ins Netz gestellt und auf Pinterest nur verteilt werden. Und dass alles gut aussieht, ist doch schön! Ich glaube, die User sind sich dessen auch bewusst. Meine Spaghetti sehen ja auch nicht aus wie in einem Food-Magazin. Und keiner meiner Freunde erwartet das, wenn er zum Essen kommt.

WIRED: Aber schürt so ein Haufen aufgehübschter Bilder nicht falsche Idealvorstellungen?
Honsel: Ich glaube, diese Idealisierung ist in anderen Bereichen noch viel schlimmer. Gerade wenn es zum Beispiel um Körpermaße geht. Alle Menschen fühlen sich ständig falsch. Ja, das passiert auch wegen Medien. Ich glaube aber, auf Pinterest werden in Zukunft eher noch viel mehr IKEA-Bilder zu finden sein als welche im VOGUE-Style. Weil IKEA eher der Lebensrealität der Menschen entspricht. 

Wir stellen uns Kooperationen vor, bei denen jemand einen Laden betritt, und Pinterest ihm sagt: Dort gibt es das Produkt, das du auf deinem Board hast.

Jan Honsel

WIRED: Das Ziel ist also, Konsum online und offline zu messen und zu steuern?
Honsel: Bei uns geht es immer darum, das Digitale und das Analoge zu verbinden. Natürlich können wir uns Kooperationen vorstellen, bei denen jemand einen Laden betritt, und Pinterest ihm sagt: Dort gibt es das Produkt, das du auf deinem Board hast. Schließlich scheint es für denjenigen dann eine gewisse Relevanz zu haben. Solche Konzepte sind noch Zukunftsmusik. Mit unseren Product Pins setzen wir aber bereits die Online-Variante davon um, indem wir Nutzer daran erinnern, wenn sich zum Beispiel der Preis eines bestimmten Produktes ihres Boards ändert. 

WIRED: Pinterest steht als Verteiler zwischen Marke und Konsument. Sind die Händler und Marken mit ihren neuen Redaktionen und Content Hubs nicht ein bisschen spät dran?
Honsel: Besser spät als nie. Und jeder Vertical-Anbieter wird in seinem speziellen Themengebiet immer ein größerer Fachmann bleiben als wir von Pinterest. Das ist auch richtig so. Und je mehr digitaler Content von Experten da draußen herumschwirrt, desto mehr ist wieder von den Nutzern verpinnbar. 

WIRED: Das klingt beinahe so, als könne Pinterest auch Newsverteiler werden.
Honsel: Das glaube ich nicht, denn das widerspricht der Natur des Produkts. In einem Forbes-Artikel, der neulich erschienen ist, hieß es, Facebook beschäftige sich hauptsächlich mit deiner Vergangenheit, Twitter mit der Gegenwart und Pinterest bildet deine Zukunft ab. Eben weil du dich heute mit einem Thema beschäftigst, das für dich eine Perspektive ist, egal ob das Essen, eine Reise oder deine neue Klamotte ist. Natürlich tauchen auch mal News auf verschiedenen Boards auf, aber dabei geht es nicht um News Spotting sondern um die individuelle Relevanz für den Einzelnen. 

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