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Cindy Gallop will die Revolution des Social Sex anführen

von Cindy Michel
Cindy Gallop glaubt an Liebe, Sex und Technologie. Die Gründerin von MakeLoveNotPorn sagt, sie wolle die „Revolution of Social Sex“ anführen. In Berlin sprach sie mit WIRED über ihr Social-Sex-Network.

Die riesige Bühne scheint einfach zu klein zu sein. Ganze Filmorchester haben im Funkhaus Berlin schon Platz gefunden – sie alle verhallen leise gegen die rund 1,60 Meter große Frau, die da gerade wild ihr Publikum beackert. „Ich werde es euch verfickt noch mal zeigen!“, ruft Cindy Gallop. Die 56-Jährige spricht auf Tech-Open-Air 2016 (TOA) über ihre neuen Projekte. Irgendwie ist aus ihrem Auftritt eine Predigt geworden. Die Message: „Sex-Tech wird das nächste große Ding in der Tech-Industrie.“

Gallops Vision basiert auf einem ihrer Projekte. Sie hat das Social-Sex-Network MakeLoveNotPorn (MLNP) gegründet. Sie glaubt an Social Sex – also Sex, den User über das Internet miteinander teilen. Das Potenzial dahinter sei enorm, sagt Gallop. Es gehe um sexuelle Befreiung im Internet, aber auch um Geld. Sex-Tech könne das nächste große „Trillionen-Dollar-Geschäft“ werden, sagt die Gründerin.

MakeLoveNotPorn soll aber mehr sein, als nur ein Online-Swingerclub mit guten Einnahmen. Die Seite soll ihren Nutzern den Unterschied zwischen Pornografie und „Liebe machen“ erläutern. Stereotypen, die von der Pornoindustrie kreiert wurden – etwa dass alle Frauen es toll finden, wenn Männer in ihr Gesicht kommen oder dass sexy Frauen keine Haare unter den Achseln hätten – stellt sie der realen Welt gegenüber und entkräftet sie so.

Das Geschäftsmodell dahinter funktioniert so: Menschen können auf MLNP für fünf Dollar Kuratier-Gebühr Videos von ihrem Real-World-Sex hochladen. Diese Filme, die auf beiderseitigem Einverständnis der Teilnehmer beruhen müssen, können Mitglieder wiederum für fünf Dollar ausleihen. Die Einnahmen aus dem Verleih eines Videos werden zwischen MakeLoveNotPorn.com und dem Lieferant der Beiträge geteilt. „Das ist das Business-Modell der Zukunft: Shared Actions und Shared Values ergeben Shared Profit“, sagt die studierte Theaterwissenschaftlerin und Marketingexpertin Gallop. Mit diesem Modell wird MLNP zum florierenden Social-Sex-Network, hofft sie.

Viel aussortiert wird dabei nicht. Nur Porno-Stereotypen, die lässt das Netzwerk nicht zu. „Die Leute sind schon so geprägt von der Pornoindustrie und ihrer Ikonographie, dass sie denken, Sex müsse wirklich so aussehen. Aber wer will denn bitte etliche Close-Ups von irgendwelchen Genitalien sehen? Die Leute sollen die Kamera früh einschalten und lange mitlaufen lassen. Echter Sex endet nicht mit der Ejakulation des Mannes, sondern beim Kuscheln oder der Dusche danach“, erklärt Gallop gegenüber WIRED.

Ihr guter Freund Matt Brimer hat MakeLoveNotPorn einmal so beschrieben: „Jeder hat diese Facebook-Freunde, die er gerne mal im Bett beobachten würde. MLNP eröffnet genau diese Möglichkeit, den Blick in fremde Schlafzimmer.“ 2014 verdiente eine YouTuberin aus Südkorea, die sich beim Essen filmte, 9000 Dollar. Die Macher von MakeLoveNotPorn fragen: Warum sollte das mit einvernehmlichen Sex anders aussehen?

Doch bei einer reinen Social-Sex-Plattform soll es nicht bleiben. Aktuell arbeitet Gallop an einer MakeLoveNotPorn-Akademie: Lehrer, Autoren und andere Experten sind dazu aufgerufen, Beitrage zu generieren, die sich mit sexueller Aufklärung beschäftigen. „Ich kann mir gut vorstellen, dass wir ganze Lehrbücher herausbringen, die Schulen dann bei uns ausleihen oder bestellen können“, sagt die Unternehmerin. Auch wolle sie ihr Projekt um Fotos erweitern, die derzeit bei Social-Media-Foren wie Facebook oder Instagram für Unruhe sorgten oder gar gelöscht würden: „Leute sollen bei uns ihre Körper zeigen dürfen. Nicht auf pornografische Art, sondern auf eine natürliche Weise. Frauen etwa, die ihre Babys stillen. Das ist doch wunderschön, daran kann nichts anstößig sein.“

Wir verlegen einfach die kommenden 20 Fifty-Shades-Bände, denn die werden längst auf MLNP geschrieben

Cindy Gallop, Gründer von MakeLoveNotPorn

Auch für Aktmaler und Autoren erotischer Literatur soll ein Bereich auf der Website entstehen. „Ich finde es unglaublich, dass Künstler, die sich auf Erotik spezialisiert haben, noch immer nicht genügend gefördert werden, nur weil sie Sex zu ihrem Thema machen.“ Dies sei selbst noch nach dem Bestseller Fifty Shades of Grey der Fall, meint Gallop. Ihr Plan: „Wir verlegen dann einfach die kommenden 20 Fifty-Shades-Bände, denn die werden längst auf MLNP geschrieben.“

Längst werden eine Vielzahl innovativer Startups in der Sex-Tech-Branche von Unternehmerinnen wie Gallop geführt. „Frauen haben die Macht, hier wirklich etwas zu bewegen. Mit ihren Produkten, Ideen und Konzepten können sie eine fast ausschließlich männlich geprägte und von der Pornoindustrie verbreitete Perspektive auf Sex verändern“, sagt sie.

Gallop selbst ist aus ähnlichen Ambitionen und durch Zufall in der Sex-Tech-Branche gelandet: Anfang 2000 wollte sie mit ihrer Werbeagentur für eine Dating-Website pitchen und kreierte sich ein Profil. „Es stellte sich heraus, dass ich anscheinend genau der Typ Frau bin, auf den jüngere Männer stehen“, sagt sie. Über 75 Prozent der zahlreichen Anfragen seien von Männern zwischen 20 und 30 Jahren gekommen.

„Man kann sich vorstellen, wie gut das meinem Ego tat.“ Kurz habe sie überlegt und festgestellt, dass ihr eines fehle im Leben: Spaß. „Also fing ich an, mit jüngeren Männer auszugehen. Ein Dating-Konzept, das perfekt zu mir passt.“ Nach und nach habe sie festgestellt, dass viele von ihnen sich im Bett sehr ähnlich verhielten und nicht über Sex sprachen. „Ich war mir ziemlich sicher, dass ich nicht die einzige war, die diese Erfahrungen machte, und wollte etwas daran ändern.“ Also gründete Gallop MakeLoveNotPorn.

Das Social-Sex-Network könnte einer der Vorreiter einer neuen sexuellen Revolution im Netz werden. Die Webseite verbindet Menschen, die auf ihren persönlichen, pornofreien Sex teilen. Leute, die diese Filme mit ihren Partnern schauen, fangen an zu kommunizieren und sehen wie normal Sex sein kann. Auch Gallop glaubt: „Das führt zu besserem Sex, besseren Beziehungen und einem glücklicheren Leben.“

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Doch es gibt Hindernisse. Oft begegnen Gallop homo- und transexuelle Paare, die sich vor Verfolgung fürchten. Auf der geschäftlichen Seite wollen etwa Kreditinstitute nichts mit ihrem Projekt zu tun haben. Das Problem: Die Gesellschaft konotiere Sex, vor allem die nicht idealisierte Vorstellung von Sex, als schmutzig. Die Unternehmerin will das ändern. Dem Publikum beim TOA brüllt sie es geradezu entgegen: „Wenn man eine gute Idee für ein Startup hat, für das die Welt glaubt, noch nicht bereit zu sein, dann muss man eben die Welt ändern!“ 

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