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Zukunft des Social Web / „Ohne die Community würde Airbnb nicht funktionieren“

von Kati Krause
Mehr als 40.000 Menschen teilen in Paris ihre Wohnungen über Airbnb. Die Plattform für Unterkünfte ernannte Paris deswegen kürzlich zur „Stadt des Home Sharing“. Doch welche Märkte will das Unternehmen noch erschließen? Welche Rolle spielt die internationale Community? Und was hat das alles eigentlich noch mit Sharing Economy zu tun? Wir haben mit Christopher Cederskog gesprochen, Regional Manager Germany von Airbnb.

WIRED: Benutzt Du im Bezug auf Airbnb noch den Begriff “Sharing Economy”?
Christopher Cederskog: Über den Begriff kann man lange diskutieren, doch für uns steht er nicht im Vordergrund. An sich ist das Thema ja nicht neu. Dass man bei Fremden übernachtet, das gab es im 17. Jahrhundert schon. Neu ist, dass es global funktioniert — und in 190 Ländern. Wie das Ding heißt, ist im Endeffekt egal. Wir sehen uns als Hospitality Company. „Gastfreundschaft“ ist eine gute Übersetzung von Hospitality, „Gastgewerbe“ eine schlechte.

WIRED: Ein Wachstumszweig bei Airbnb sind Geschäftsreisen. Wie verträgt sich das mit der Idee der Gastfreundschaft?
Christopher Cederskog: Auch Geschäftsleute haben ein Recht darauf, etwas Sinnvolles zu erleben. Wir sehen das sehr pragmatisch. Wir wollen mit unserem Team ein Offsite machen, und statt uns im Konferenzraum eines Hotels zu treffen, gehen wir in ein Airbnb in Finnland und kochen zusammen — das ist eine Geschäftsreise. Wenn ich für ein Meeting nach Frankfurt fahre und dort eine Nacht bleibe, dann bietet Airbnb natürlich nicht das beste Produkt. Das ist nicht unser Ansatz.

Wir sind kein Full-Service-Anbieter, der auch noch den Kühlschrank vollmacht.

WIRED: Geschäftsreisen verlangen aber auch einen Grad an Professionalisierung. Man will vielleicht einen vollen Kühlschrank haben oder bestimmte Bettwäsche. Bedenkt ihr das?
Cederskog: Grundsätzlich ist Airbnb eine sehr professionelle Plattform, was Sicherheit, Kommunikation und das Vertrauen der Nutzer angeht. Wir bieten unseren Geschäftskunden jetzt schon die Möglichkeit, ihre Travel Policies in die Auswahl der möglichen Unterkünfte mit einfließen zu lassen. Doch wir sind kein Full-Service-Anbieter, der auch noch den Kühlschrank vollmacht und einen Koch nach Hause schickt. Ich glaube auch nicht, dass das die typische Geschäftsreise ist.

WIRED: Generell entwickelt sich Airbnb zu einer Reiseplattform, richtig?
Cederskog: Wir schauen uns natürlich an, was eine richtig schöne Reise ausmacht. Auch hier geht es darum, die Technologie und das Netzwerk, das wir gebaut haben, zu nutzen. Dazu gehören ganz praktische Dinge: Schlüsselübergabe, Reinigung, Kühlschrank füllen. Aber was eine authentische Reise ausmacht, das sind Erfahrungen und die Beziehungen zu Menschen.

Deutschland ist für uns vor allem ein Gästemarkt.

WIRED: Viele Startups, die schnell wachsen, tun sich schwer mit den Verhältnissen in anderen Ländern. Wie geht ihr das Thema Lokalisierung an?
Cederskog: Unser Vorteil ist, dass wir sehr früh global waren und internationale Mitarbeiter hatten. Das gibt uns einen kulturellen Vorsprung. Weit über 50 Prozent unseres Geschäfts findet außerhalb der USA statt, über 50 Prozent in Europa, dazu kommen dann Asien und Südamerika, die USA machen ungefähr 30 Prozent aus. Das heißt, wir sind auch technisch so aufgestellt und haben uns zum Beispiel nicht auf eine Zahlungsmethode festgelegt. Da kann man bestimmte Weichen stellen. Wir müssen dann nur Prioritäten setzen.

WIRED: Und was sind die Prioritäten? Konzentriert ihr euch auf Gast- oder Gastgebermärkte?
Cederskog: Es ist eine Mischung. Wir schauen uns unterschiedliche Länder an, aber das ist letztendlich ein Spiegelbild des Reisemarkts: Für uns ist Deutschland vor allem ein Gästemarkt, aber 50 Prozent der Reisen, die in Deutschland starten, enden auch in der Region. Das heißt, wir müssen uns auch die andere Seite des Marktplatzes anschauen.

WIRED: Was sind eure großen Wachstumsmärkte?
Cederskog: China — vor allem als Ursprungsland. Es gibt über eine Milliarde Chinesen und die reisen immer mehr. Einige Märkte in Asien sind viel stärkere Wachstumsmärkte als Europa.

Wir versuchen unsere Gastgeber zu erziehen, ihre Hausregeln klar zu kommunizieren.

WIRED: Müsst ihr dann helfen, kulturelle Brücken zu bauen, zum Beispiel zwischen Gastgebern in Europa und Gästen aus China?
Cederskog: Ein großer Teil unseres Produktes besteht darin, Brücken zu bauen. Wir stellen den Kontakt zwischen Gast und Gastgeber her, und wir versuchen unsere Gastgeber zu erziehen, ihre Hausregeln klar zu kommunizieren. Das ist ganz tief in unserem Produkt verankert.

 

WIRED: Vor etwa zwei Jahren hatte Airbnb in Deutschland eine Facebook-Kampagne, bei der es nur ums Geld ging: „Verdiene bis zu 200 Euro pro Tag mit deiner Wohnung!“ Da war dann nichts mit Feelgood-Faktor. Ist Deutschland da anders als andere Länder?
Cederskog: Ich werde versuchen, nicht zu sehr zu pauschalisieren: Es gibt kulturelle Unterschiede zwischen Deutschland und den USA, zwischen Berlin und Bottrop, zwischen den Altersklassen. Aber wir stellen uns nicht hin und sagen: „So, in Deuschland geht’s ums Geld, deshalb machen wir in Deutschland die Kommunikation nur daüber.“ Auch in Deutschland spielt vieles andere eine wichtigere Rolle als das Geld.

WIRED: Die Community ist der Kern von Airbnb, doch ihr nutzt im Augenblick hauptsächlich Drittplattformen wie Twitter und Facebook für die Vernetzung. Könnte das irgendwann zum Problem werden?
Cederskog: Unser wichtigstes Tool, um mit der Community zu sprechen, ist unsere eigene Gruppenfunktion, die derzeit aber nur für Gastgeber offen ist. Wir haben in Deutschland um die 40 Gruppen, in denen Gastgeber zusammenkommen, diskutieren und sich gegenseitig helfen. Wir halten uns aus den Gruppen raus, doch jede Gruppe hat einen Moderator und zu denen suchen wir den persönlichen Kontakt.

Es macht keinen Sinn, ein Airbnb-Social-Network zu bauen.

WIRED: Wollt ihr Airbnb so ausbauen, dass sich alle darauf vernetzen können?
Cederskog: In den bestehenden Social-Media und Messaging-Plattformen steckt sehr viel und sehr gute Technologie. Ich glaube nicht, dass es für uns Sinn macht, ein Airbnb-Social-Network zu bauen.

WIRED: In New York setzt Airbnb gerade sehr auf die Unterstützung der Gastgeber-Community, um die Gesetzgebung zu ändern. Die Community in Aktivisten zu eurem Zweck umwandeln — geht ihr damit nicht zu weit?
Cederskog: Ohne die Community würde das Modell nicht funktionieren. Die Gastgeber machen Airbnb aus. Die Community ist für uns extrem wichtig, und wir versuchen sie immer stärker mit ins Boot zu holen. Deshalb haben wir zum Beispiel in San Francisco die Airbnb Open gemacht, zu der wir Gastgeber aus aller Welt eingeflogen haben. Wir wollen uns als Firma nicht von ihnen weg bewegen. Was wir in New York spezifisch verfolgen, dafür bin ich zu weit weg, als dass ich die Frage sinnvoll beantworten könnte.

Wir instrumentalisieren unsere Community nicht.

WIRED: Aber es könnte ja hier in Berlin auch passieren.
Cederskog: Das Eigeninteresse der Gastgeber, Klarheit zu schaffen, ist sehr hoch. Wir sehen es nicht so, dass wir die Community instrumentalisieren. Wir vertreten die Community. Wenn ich mit einem Politiker spreche, dann spreche ich für unsere Community. Wie wir in Berlin agieren würden, würden wir im Einzelfall entscheiden.

WIRED: Seht ihr Parallelen zwischen dem Backlash gegen Uber und dem gegen Airbnb?
Cederskog: Wir werden häufig in einen Topf geworfen. Natürlich gibt es Parallelen. Unser Ansatz ist jedoch immer, den Dialog zu suchen. Die öffentliche Diskussion wird nicht immer sachlich geführt, und da hilft es, wenn man Argumente hat und sich austauscht, statt einfach zu sagen: Alles, was es gab, ist doof und wir machen alles neu.

WIRED: Nun, es geht um Regulierung, Lizenzen, Steuern.
Cederskog: Mir wäre es sehr lieb, das zu tun, was wir jetzt ein Stück weit in Amsterdam und San Francisco machen: Dem Staat helfen, die Steuern einzutreiben. Wir haben auch in Deutschland schon lokale Regelungen an die Gastgeber kommuniziert, zur Kurtaxe zum Beispiel. In Amsterdam helfen wir, die Steuern direkt an die Stadt abzuführen. Doch das dürfen wir in Deutschland gar nicht.

WIRED: Macht ihr in Deutschland politische Lobbyarbeit?
Cederskog: Wir reden mit Gesetzgebern, und in Deutschland bin ich der einzige, der das macht.

Airbnb ist nicht für den Wohnungsmangel in Berlin verantwortlich.

WIRED: Es wird viel über den wirtschaftlichen Nutzen von Phänomenen wie Airbnb diskutiert, doch der lässt sich tatsächlich nur schwer berechnen, oder?
Cederskog: Ich glaube, Zahlen helfen grundsätzlich schon, sonst bleibt alles im luftleeren Raum. Die GEWOS hat sich in unserem Auftrag zum Beispiel mal den Wohnungsmarkt in Berlin angeschaut. Da kann man ganz klar sehen, dass Airbnb nicht für den Wohnungsmangel verantwortlich ist. Berlin ist in den letzten vier Jahren netto um 140.000 Einwohner gewachsen. Gleichzeitig sind 15.000 neue Wohnungen gebaut worden. Es gibt in Berlin geschätzt 12.000 professionelle Ferienwohnungen. 75 Prozent aller Airbnbs in Berlin werden weniger als 60 Tage im Jahr vermietet. Selbst wenn wir alle 10.000 Airbnbs in Berlin vom Markt nehmen würden, könnten nicht 140.000 neue Menschen eine Wohnung finden.

Christopher Cederskog wird am 10. März auf dem worldwebforum in Zürich sprechen. WIRED Germany ist offizieller Medienpartner und berichtet vorab sowie vor Ort. 

Wir fragen uns: Was machen Blogger, wenn sie keine Unternehmen mehr beraten können? Und wie sozial ist das Web wirklich noch? Twittern bald all unsere Kühlschränke, sobald wir neue Butter brauchen? Leben wir bald alle nur noch im Darknet? Diese und mehr Fragen zur Zukunft des Social Web beantworten wir den ganzen März hier auf WIRED.de. 

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