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Wie Samsung die Krise überwinden kann

von Elisabeth Oberndorfer
Der größte Smartphone-Hersteller der Welt steht nicht nur wegen der Rückrufaktion des Galaxy Note 7 unter Druck. Die Geschäftszahlen stimmen zwar bei Samsung, doch Investoren verlangen trotzdem einen Strategiewechsel. Den will das Unternehmen mit neuen Technologien einläuten.

Der Sommer begann so gut für Samsung. Im Juli meldete der Konzern, im zweiten Quartal 2016 zwischen 75,6 und 78,3 Millionen Smartphones verkauft zu haben. Erzrivale Apple verkaufte im gleichen Zeitraum nur 40,4 Millionen iPhones. Wenige Wochen später, im August, präsentierte Samsung dann sein neuestes Gerät: Das Galaxy Note 7 verkaufte sich in der ersten Woche 400.000 Mal. Anfang September war jedoch Schluss mit den Positivschlagzeilen und auf den Aufwärtstrend folgte eine Krise.

Nach Gerüchten um Brandgefahr beim Galaxy Note 7 sah sich das Unternehmen gezwungen, eine Rückrufaktion zu starten. Die 2,5 Millionen Besitzer sollen ihr Gerät gegen eine neue Version eintauschen. Drei Wochen später meldete Samsung, dass in den USA und Korea 60 Prozent der Kunden diese Option in Anspruch genommen haben.

Doch als wäre die Rückrufaktion schon nicht katastrophal genug für den Hersteller, machen offenbar auch die Tauschgeräte Probleme. Über das vergangene Wochenende berichteten Medien von mindestens fünf Fällen, in denen das umgetauschte Galaxy Note 7 wieder Feuer gefangen haben soll. Ein Gerät fing zu rauchen an, als es der Besitzer vor dem Start eines Fluges der Southwest Airlines ausschalten wollte. Das Flugzeug wurde daraufhin evakuiert und der Flug abgesagt.

Die großen US-Mobilfunker AT&T, T-Mobile und Sprint entschieden sich nach den erneuten Zwischenfällen am Wochenende, das Galaxy Note 7 nicht mehr zu verkaufen, bis die Ursache geklärt ist. Jetzt zieht auch Samsung die Notbremse und stoppt laut Reuters vorläufig die Produktion des Smartphones. Offiziell hat der Konzern den Schritt noch nicht bestätigt. Man passe den Produktionsplan an, um Qualität und Sicherheit gewährleisten zu können, sagte Samsung gegenüber der BBC.

Samsung hat bei Android-Geräten nicht mehr die einstige Macht

In den Geschäftszahlen des dritten Quartals hat sich die Krise noch nicht bemerkbar gemacht. Der Konzern kündigt einen Gewinn aus dem Kerngeschäft, zu dem auch die Smartphones zählen, in Höhe von 6,3 Milliarden Euro an – 5,6 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Die genauen Umsatz- und Verkaufszahlen des vergangenen Quartals veröffentlicht Samsung erst in einigen Wochen.

Den Druck der Investoren bekommt der börsennotierte Konzern aus Südkorea bereits zu spüren. Der Hedgefonds Elliott Management fordert die Aufspaltung der Geschäftsbereiche, die dann getrennt an der Nasdaq gelistet werden sollen. Mit der neuen Struktur könnten Aktionäre direkter in das Kerngeschäft des Elektrokonzerns investieren, lautet das Argument von Elliott Management. Der Aktienkurs brach Mitte September nach Beginn der Rückrufaktion ein, erholte sich danach wieder, zeigte am Freitag allerdings wieder einen Abwärtstrend.

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Nicht nur am Kapitalmarkt, sondern auch im Handel steht Samsung unter Druck. Spätestens nach der zweiten Brandserie beim Galaxy Note 7 dürfte der Smartphone-Produzent einen nachhaltigen Imageschaden erleiden. Dass Samsung bei Android-Geräten nicht mehr die einstige Macht hat, kommt erschwerend hinzu. Denn mitten im Akkubrand-Debakel hat Konkurrent Google seine neue Smartphone-Linie Pixel vorgestellt.

Die Alphabet-Tochter produziert ihre mobilen Endgeräte künftig selbst, für die Nexus-Serie holte sich Google noch Unterstützung von Samsung. Hunderte Millionen Dollar soll Google in Werbung für die Pixel-Modelle stecken. Das vorweihnachtliche Geschäft ist für die Gadget-Hersteller die wichtigste Saison, aber Samsung ist noch mit der Rückrufaktion des Note 7 beschäftigt. Sinken die Verkaufszahlen der Samsung-Geräte, könnten Google und Apple davon profitieren.

Belastend ist für Samsung auch der ewige Patentstreit mit Apple. Der Prozess um drei Patentverletzungen, der 2012 begann, geht am Dienstag vor dem Höchstgericht ins Finale. Samsung will sich gegen die Schadenzahlungen in Höhe von 548 Millionen US-Dollar wehren. In dem anderen Prozess, bei dem es um das „Slide-to-lock“-Patent geht, verurteilte ein US-Gericht Samsung vergangene Woche zu einer Zahlung in Höhe von 119,6 Millionen Dollar an Apple.

Was Samsung aus der aktuellen Abwärtsspirale helfen kann, sind Investitionen in neue Geschäftsbereiche und Technologien. Das Unternehmen übernimmt Viv, das Startup der Siri-Gründer, und kauft sich damit Kompetenz für Künstliche Intelligenz zu. Während Apple und Google ihre eigenen persönlichen Assistenten entwickeln, will Viv eine offene Plattform für intelligente Anwendungen sein. Die Technologie soll nicht nur bei Samsung-Geräten, sondern auch bei anderen Herstellern zum Einsatz kommen.

In der aktuellen Krise hilft nur mehr Transparenz

Mit Viv hat der südkoreanische Elektronik-Konzern die Chance, nicht nur Google und Apple, sondern auch Amazon herauszufordern. Außerdem will Samsung seine Kompetenz im Display-Bereich nutzen, um seine Stellung am Smartphone-Markt nicht zu verlieren. 2017 soll das erste Handy mit zusammenfaltbaren Screen in den Handel kommen. Abseits der mobilen Endgeräte investiert Samsung 1,2 Milliarden Dollar in Internet-of-Things-Lösungen, die andere Produktkategorien des Konzern stärken sollen. Überschaubar ist hingegen die Digital-Health-Offensive, die 2014 groß angekündigt wurde. Das damals vorgestellte Wearable Simband ist noch immer nicht reif für den Konsumentenmarkt.

Mit den brandgefährdeten Smartphones, dem Hardware-Push von Android-Betreiber Google und dem andauernden Rechtsstreit mit Apple muss Samsung um seinen Platz als größter Smartphone-Hersteller der Welt kämpfen. Deshalb muss die Marke verstärkt auf neue Produkte und Technologien setzen, um das Schicksal der einstigen Smartphone-Größen HTC und Blackberry zu vermeiden. In der aktuellen Galaxy-Note-7-Krise hilft nur mehr Transparenz, sodass Samsung nicht nur sein Image schützt – sondern auch die Kunden vor Brand- und Rauchverletzungen.

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