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Analyse: Hat das Gesetz gegen Airbnb in Berlin gewirkt?

von Alsino Skowronnek
Seit Mai 2016 ist es in Berlin untersagt, komplette Wohnungen über Airbnb zu vermieten. Doch vielen Anbietern scheint dieses Zweckentfremdungsverbot egal zu sein. Ein Gastbeitrag von Studio Karat.

Anfang 2015 wollten Alsino Skowronnek, Jonas Parnow und Lucas Vogel für ihr Projekt Airbnb vs. Berlin herausfinden, ob das Sharing-Economy-Portal mitverantwortlich für die steigenden Mietpreise in der Haupstadt ist. Ein Ergebnis: Viele Anbieter zweckentfremden Airbnb, indem sie mehrere Unterkünfte oder sogar ganze Wohnungen inserieren. Dagegen erließ die Stadt Berlin im Mai 2016 das sogenannte Zweckentfremdungsverbot. Doch hat das Gesetz gewirkt? Das haben Skowronnek und Parnow in einer zweiten Analyse untersucht, die sie hier erläutern:

Das Thema Airbnb und die damit verbundene Diskussion um die Verknappung von Wohnraum sind in Berlin mittlerweile in aller Munde. Seitdem das Projekt airbnbvsberlin.de im März 2015 erstmals Angebotsdaten von Airbnb in Deutschland analysierte und öffentlich zugänglich machte, hat die Debatte Fahrt aufgenommen.

Am 1. Mai 2016 trat in Berlin das sogenannte Zweck­entfremdungs­verbot in Kraft, das Vermietung von kompletten Wohnungen über Airbnb und andere Portale untersagt und mit Strafen von bis zu 100 .000 Euro belegt. Dennoch stehen noch immer viele komplette Wohnungen auf der Plattform zur Vermietung.

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Fünf Monate nach Einführung des Zweck­entfremdungs­verbots ist es nun an der Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen: Hat das Verbot die erhoffte Wirkung erzielt und die kurzzeitige Vermietung von Wohnraum eingedämmt? Ein Blick auf die Entwicklung der Berliner Airbnb-Angebotsdaten – die wir heute erstmals öffentlich präsentieren – verrät mehr:

Die Entwicklung der Airbnb-Angebote in Berlin seit März 2015
Schaut man sich die wöchentliche Entwicklung aller Airbnb-Angebote in Berlin seit März 2015 an, so kann insgesamt ein rasanter Anstieg der Angebote zwischen März 2015 und Januar 2016 festgestellt werden. Lagen im März 2015 nur knapp 11 500 Angebote vor, so waren es im Januar 2016 schon 19 700 Angebote, also eine Zunahme von rund 68 % in nur zehn Monaten.

Abschreckung, Abmahnung oder Verwirrung - was hat das Zweck­entfremdungs­verbot bewirkt?
Besonders interessant ist der Verlauf der Angebots­zahlen kurz vor und nach Inkraft­treten des Zweck­entfremdungs­verbots am 1. Mai 2016: In Antizipation des drohenden Verbots entfernten viele Nutzer ihre Inserate von der Plattform, sodass zwischen März und Mai dieses Jahres die Gesamtzahl der Angebote um 40 % zurückging.

Der vorherige zehn­monatige Anstieg der Inserate wurde damit innerhalb von weniger als zwei Monaten wieder rückgängig gemacht, sodass im Mai in etwa wieder das Niveau von Anfang 2015 erreicht wurde. Wie viele Airbnb-Nutzer ihre Angebote in dieser Zeit nun freiwillig von der Plattform entfernten oder – wie wir bereits zuvor in Zusammenarbeit mit ZEIT Online berichteten – dazu von Airbnb bewegt wurden, ist nicht vollständig geklärt.

Seit Inkrafttreten des Verbots am 1. Mai 2016 zeigt sich interessanterweise wieder eine leichte Zunahme der Angebote. Aktuell sind knapp 12 400 Berliner Inserate auf Airbnb zu finden (Stand: 1. Oktober 2016). Die neuen Zahlen deuten darauf hin, dass die bisherige Wirkung des Zweck­entfremdungs­verbots hauptsächlich in einem kurzzeitigen Abschreckungs­effekt bestand, welcher das Verhalten vieler Anbieter nicht nachhaltig prägt.

Grund dafür ist sicherlich, dass die Kontrolle des Gesetzes bisher nur schleppend anläuft und bei Missachtung nur selten mit Sanktionen zu rechnen ist. Außerdem tragen sowohl die teilweise unklare Formulierung des Gesetzestextes als auch die unterschiedlichen Auslegungen durch die Berliner Bezirke zu einer allgemeinen Verwirrung bei, sodass sich viele Anbieter oftmals nicht sicher sind, was derzeit noch legal ist und was nicht. Im Zweifel – so scheint es – vermieten viele Anbieter (ggfs. nach einer Unterbrechung) nun also erst einmal weiter.

Im Rahmen der Debatte um Zweckentfremdung von Wohnraum durch Airbnb geht es vor allem um vollständige Wohnungen, die dem Mietmarkt entzogen werden, weniger um einzelne Zimmer, die zur Vermietung stehen. Die Daten zeigen, dass der Anteil kompletter Wohnungen an allen Angeboten über längere Zeit stabil blieb.

Im März 2015 waren noch 11 500 Inserate, also knapp zwei Drittel aller Angebote komplette Wohnungen. Dieser Anteil blieb bis Januar 2016 in etwa konstant. Allerdings gibt es seit März 2016 – also ab dem gleichen Zeitpunkt, als auch die Gesamtzahl der Angebote stark abnahm – eine Trendwende. Seitdem ist der Anteil kompletter Wohnungen, die zur Vermietung stehen, um etwa 10 % auf nur noch etwa die Hälfte aller Angebote gesunken. Derzeit sind auf der Plattform nur noch knapp 6 500 komplette Wohnungen zu finden. Dies ist ein weiteres Indiz dafür, dass das Zweck­entfremdungs­verbot kurzfristig besonders diejenigen Anbieter von der Plattform vertrieben hat, die komplette Wohnungen angeboten haben. Seit September dieses Jahres ist allerdings bereits wieder eine leichte Trendwende erkennbar.

„Home sharer“ oder kommerzielle Anbieter?
Ein wichtiger Aspekt in der Debatte um Airbnb ist die Unterscheidung zwischen Anbietern, die ihre Wohnung nur ab und zu vermieten, z.B. wenn sie in den Urlaub fahren (Airbnb nennt diese Nutzer »Home sharer«), und professionellen Anbietern, die wiederholt und mit gezielt kommerziellem Interesse mehrere Wohnungen über die Plattform vermieten. Die Unterscheidung ist wichtig, da letztendlich nur letztere Gruppe auf Dauer Wohnraum verknappt. Wir haben die kommerziellen Anbieter und Inserate deshalb noch einmal unter die Lupe genommen:

 

Studio Karat

Schaut man sich die absolute Anzahl kommerziell angebotener Wohnungen* auf der Plattform an, so fällt auch hier ein starker Anstieg ab März 2015 auf. Da im gleichen Zeitraum allerdings auch die Gesamtanzahl an Angeboten steigt, bleibt der Anteil kommerzieller Wohnungen mit ca. 30 % bis November 2015 relativ konstant. Interessant ist aber der deutliche Anstieg ab November 2015 bis Februar 2016. In diesem Zeitraum sind zwischenzeitlich fast 40 % aller Angebote auf der Plattform kommerzielle Wohnungen. Inzwischen ist der Anteil deutlich gesunken und nur noch etwa jede fünfte Wohnung auf Airbnb kann als kommerziell eingestuft werden.

Quick facts: Airbnb und das Zweck­entfremdungs­verbot

Insgesamt hat die Anzahl von Airbnb-Angeboten in Berlin im Jahr 2015 mit knapp 8 000 zusätzlichen Angeboten stark zugenommen. Die Wachstumsquote zwischen März 2015 und Januar 2016 betrug 68 %.

• Ebenfalls stark angestiegen ist in diesem Zeitraum auch das Angebot an komplett vermieteten und kommerziellen Wohnungen. Allerdings wurde diese Zunahme im Vorlauf des Inkrafttretens des Zweck­entfremdungs­verbots am 1. Mai 2016 wieder weitestgehend rückgängig gemacht, da viele Anbieter ihre Inserate von der Plattform entfernt haben oder dazu von Airbnb bewegt wurden. Zwischen März und Mai 2016 verzeichnete das Portal einen Angebotsrückgang von 40 %.

• Das Zweck­entfremdungs­verbot hat offensichtlich einen relevanten Abschreckungs­effekt erzielt und zu einem deutlichen Rückgang von kommerziellen Wohnungen auf der Plattform geführt. Deren Anteil ist von knapp 40 % Mitte November 2015 auf aktuell nunmehr 20 % gesunken.

• Allerdings scheint der Effekt des Zweck­entfremdungs­verbots in Berlin nur kurzfristig gewesen zu sein. Seit dem Tiefststand der Gesamt­angebote Ende Mai 2016 verzeichnet die Plattform nun wieder deutliches Wachstum und ist mittlerweile mit rund 12 000 Angeboten in etwa wieder auf dem Niveau vom Frühjahr 2015.

Dieser Text erschien zuerst auf dem Blog von Studio Karat.

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