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Der Airbnb-Gründer über die Geschichte hinter seinem Milliarden-Startup

von Alex Hofman
Mit 14 brachte er sich das Programmieren bei, mit 20 war er Fast-Millionär. Und dann gründete Nathan Blecharczyk zusammen mit zwei Freunden Airbnb.

Airbnb ist ein Superlativ, und das gleich mehrfach. Die letzte Bewertung der Unterkünfte-Plattform lag bei 25,5 Milliarden Dollar, insgesamt 2,4 Milliarden Dollar an Funding sind bereits in das Unternehmen geflossen – von Investoren wie Sequoia Capital, Andreessen Horowitz oder Tiger Global. Umsatzzahlen nennt Airbnb nicht, das Wall Street Journalspekuliert, es sollen über 900 Millionen Dollar im Jahr 2015 gewesen sein.

80 Millionen Gäste haben die Plattform bislang benutzt. Weil die Gastgeber ihre Wohnungen mit Fremden teilen – etwas, das es vor Airbnb in dieser Form nicht gab. 2,2 Milliarden Dollar sollen ihre Buchungen im vergangenen Jahr wert gewesen sein, Tendenz steigend. Für viele sind „Airbnbs“ – mehr als zwei Millionen Listings gibt es auf der Plattform, 75.000 davon in Deutschland – als Reiseunterkünfte nicht mehr wegzudenken.

Allerdings wurde Airbnb nicht in jeder Stadt willkommen geheißen. Anders als zum Beispiel Hamburg wehrte sich Berlin gegen die Plattform und ihre deutschen Pendants wie Wimdu oder 9flats. Grund: Wohnungsnotstand – und die Vermutung, dass viele Berliner leerstehende Wohnungen lieber regelmäßig über Airbnb Touristen zur Verfügung stellen, als sie langfristig zu vermieten. Ab dem 1. Mai soll das nur noch mit Lizenz möglich sein, Verstöße werden mit bis zu 100.000 Euro geahndet – und Nachbarn sollen auch noch Airbnb-Anbieter ohne Erlaubnis verpetzen.

Im Interview verrät Airbnb-Mitgründer Nathan Blecharczyk, wie alles anfing, wie das Unternehmen mit Zweifeln am Geschäftsmodell umgeht und wie er den hektischen Alltag eines Gründers in den Griff bekommt.

Gründerszene: Nate, Du hast Airbnb als CTO mitgegründet. Wie bist Du zum Techie geworden?
Nathan Blecharczyk: Mein Vater war Elektroingenieur. Als ich eines Tages mal krank zuhause war, habe ich eines seiner Bücher aus dem Regal genommen. Das hat mein Interesse am Programmieren geweckt. Es begann als Hobby, ich habe mir alles selbst beigebracht und alles online gepostet. Mit 14 habe ich dann einen Anruf bekommen von jemandem, der meine Sachen im Internet gesehen hatte und mir 1.000 Dollar geben wollte, wenn ich ihm etwas programmiere. Als ich das meinem Vater erzählt habe, hat er erst mal schräg geguckt.

Hast Du es trotzdem gemacht?
Ja, ich wollte das unbedingt, und wenn es nur für den Spaß gewesen wäre. Am Ende hat er den Betrag dann aber auch bezahlt. Und er hat mich anderen vorgestellt, die ähnliche Aufträge zu vergeben hatten. Während der Highschool habe ich weiter programmiert und fast eine Million Dollar damit gemacht. Wichtiger als das Geld war aber die Selbstsicherheit als Entrepreneur, die das in mir erzeugt hat – zu wissen, dass man sich neue Sachen beibringen und daraus ein Geschäft machen kann. Es war schon prägend, das alles mit 20 schon erlebt zu haben.

Geht Dein Lebenslauf so ungewöhnlich weiter?
College, Universität (Harvard, Anm. der Red.), Job bei einem sehr stabilen Unternehmen – danach wurde es erst mal ziemlich normal. Nach ein paar Monaten habe ich dann aber gekündigt und bin an die Westküste gezogen, um Startup-Luft zu schnuppern. Da habe ich zunächst einmal alles gelernt, was man nicht machen sollte. Es hat alles nicht so funktioniert, wie die Gründer sich das vorgestellt hatten. Und wie ich mir das vorgestellt hatte. Aber das war eine unglaublich wertvolle Lektion, aus Fehlern zu lernen.

+++ Die Macher von „Airbnb vs. Berlin“ im Interview +++

Wie bist Du dann letztlich zum Tech-Gründer geworden?
Als ich an die Westküste zog, brauchte ich eine Wohnung. Also habe ich mich auf Craigslist umgesehen und so meinen späteren Mitgründer Joe Gebbia kennengelernt, wir wurden dann Mitbewohner. Brian Chesky traf ich über Joe. Als im Sommer 2007 die Miete für die Wohnung heftig angehoben wurde, zog ich aus. Joe und Brian wollten bleiben, hatten aber kein Geld, weil sie keinen festen Job hatten. Da kam ihnen die Idee: Man könnte das frei gewordene Zimmer ja kurzfristig untervermieten. Und weil während einer wichtigen Design-Konferenz alle Hotels ausgebucht waren, übernachteten drei Designer in der Wohnung – das brachte ihnen 1.000 Dollar.

Das war dann wohl der Startschuss für Airbnb.
Basierend auf dieser einzigen Erfahrung haben wir drei uns ein paar Monate zusammengesetzt und beschlossen, das auch für andere Menschen möglich zu machen: Eine Übernachtung in einer Wohnung zu finden sollte so einfach sein wie ein Hotelzimmer zu buchen. Anfang 2008 wuchsen wir dann zu einem richtigen Team zusammen.

Jetzt, acht Jahre später, ist Airbnb eine der größten Startup-Erfolgsgeschichten des Silicon Valley. Was sind die wichtigsten persönlichen Erfahrungen aus dieser Zeit?
Zum ersten, wie wichtig es ist, als Team zusammenzuhalten. Das erste Jahr war sehr stressig. Kein VC wollte uns Geld geben und wir hatten ja alle keine Jobs mehr, also auch kein Einkommen. Und San Francisco ist echt teuer. Das schlug schon sehr aufs Gemüt. Wir hatten alle möglichen Sachen am Laufen und ich bin sogar kurzfristig nach Boston zurückgezogen. Es hat nicht viel gefehlt und das Team wäre auseinandergefallen. Ende 2008 haben wir dann beschlossen, dass wir noch einmal 110 Prozent geben zu wollen, bevor wir aufgeben können. Zum Glück wurden wir in den Y Combinator aufgenommen und in den elf Wochen des Programms wollten wir noch mal richtig ranklotzen. Wenn wir dann immer noch kein zufriedenstellendes Ergebnis schaffen würden, hätten wir ruhigen Gewissens aufgeben können. Das war eine unglaublich wichtige Entscheidung.

Und zum zweiten?
Rauszugehen und unsere Community persönlich zu treffen: Wir sind nach New York geflogen und haben mit einer professionellen Kamera selbst Fotos von den Wohnungen geschossen. Wir haben alle Gastgeber getroffen und ihnen das Airbnb-Konzept erklärt – auch, wie man die Webseite und den Dienst benutzt. Wir haben Feedback eingesammelt, ihnen geholfen, die Preise zu setzen und die Beschreibungen zu formulieren. Am Ende hatten wir 40 wirklich gute Unterkünfte in New York. Danach ging es mit dem Business endlich bergauf. Und es hat letztendlich auch dazu geführt, dass Sequoia Capital investiert hat.

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Hattet Ihr auch einmal Zweifel, ob das Airbnb-Modell überhaupt funktionieren kann?
2011 gab es große Fragezeichen hinsichtlich des Vertrauens in das Geschäftsmodell. Zum ersten Mal hatte es einen großen Zwischenfall gegeben, wo ein Apartment komplett demoliert wurde. Das war kurz nach unserer nächsten Finanzierungsrunde und Airbnb hatte eine Milliardenbewertung. Das heißt: Wir standen sehr im Rampenlicht. Und wir mussten uns eine Menge sehr skeptischer Fragen stellen lassen. Für uns war das ein echter Moment der Wahrheit und wir mussten zeigen, dass unsere Vertrauens- und Sicherheitsmechanismen gut genug würden, solche Vorfälle zukünftig zu verhindern. Wir mussten aus einer Schwäche eine Kernkompetenz machen.

Derzeit bläst Airbnb aus einer anderen Richtung eine ganze Menge Gegenwind ins Gesicht. Die Stadt Berlin zum Beispiel klagt darüber, dass fast 15.000 Apartments fehlen, weil sie dauerhaft über Plattformen wie Airbnb als Ferienwohnungen vermietet werden. Ab dem 1. Mai braucht man in der deutschen Hauptstadt zwingend eine Genehmigung. Wie reagiert Ihr auf so etwas?
Weltweit vermieten mehr als 80 Prozent unserer Gastgeber die Wohnung, in der sie selbst auch leben. Das schränkt die Problematik schon mal sehr stark ein. Dass jemand eine leerstehende Wohnung das ganze Jahr über vermietet, ist wirklich ein sehr untypischer Fall. Home-Sharing gab es vor Airbnb ja nicht, also gibt es auch keine entsprechenden Gesetze. Das vor ein paar Jahren in Berlin verabschiedete Kurzmietengesetz macht keinen Unterschied zwischen dem kurzfristigen Vermieten der eigenen Wohnung und dem kommerziellen Vermieten. Das ist eine verpasste Gelegenheit, die zu viel Verwirrung und Kontroversen geführt hat. Hamburg zum Beispiel hat die Chance genutzt, und das ist eine gute Sache.

Wie lassen sich da die Grenzen zwischen gut und schlecht ziehen?
Es ist ja bei Airbnb sehr klar ersichtlich, wann es eine Vermietung der eigenen Wohnung ist. Genau damit hat Airbnb gestartet und wir sind davon überzeugt, dass Home Sharing eine gute Sache für die Welt ist. Und dass es erlaubt sein sollte. Alles, was darüber hinaus geht, benötigt eine klare Definition. Ich habe keine pauschale Meinung, was dabei gut oder schlecht ist. Das müssen die einzelnen Städte gemäß ihrer speziellen Interessen entscheiden. Wohnungsnot ist ja kein Problem, dass Airbnb verursacht hat.

Haben kleine Pensionen einen Platz auf Airbnb? Aus Nutzersicht wäre das ja nichts Schlechtes.
Airbnb steht für ein authentisches Erlebnis. Wenn Pensionen das liefern können und es sich mit den jeweiligen örtlichen Gesetzen zu vereinbaren lässt, dann ist das völlig in Ordnung.

Neben der rechtlichen Lage ist für Airbnb vor allem das Vertrauen der Kunden ausschlaggebend. Welche Mechanismen sind die wichtigsten, um Erwartungen und Erlebnis möglichst nah beieinander zu halten?
Wir haben diverse Features um die Sicherheit der Gäste und Gastgeber zu gewährleisten. Als Beispiel zum einen das Review- und zum anderen das Payment-System: Die Zahlung an den Gastgeber wird erst 24 Stunden nach dem Check-In des Gastes autorisiert, um sicherzustellen, dass die Erwartungen erfüllt werden. Und die Reviews müssen von beiden ausgefüllt werden und werden erst veröffentlicht wenn beide ihre Bewertung abgegeben haben – somit sind die Bewertungen immer echt. Das klingt zwar alles erst einmal recht simpel. Aber es bringt die Interessen aller auf die richtige Weise zusammen und hilft dabei, Vertrauen in die Plattform aufzubauen.

Oft war es in der Vergangenheit so, dass Nutzer positive Bewertungen abgegeben haben, damit sie selbst auch eine bekommen.
Das war wirklich einmal ein Problem, deswegen haben wir den Prozess geändert. Heute haben sowohl Gast als auch Gastgeber 14 Tage Zeit, ihre Bewertung abzugeben. Dabei kann man nicht vorab sehen, wie der andere einen bewertet hat. Erst wenn beide das getan haben, wird veröffentlicht und man kann nichts mehr ändern.

Aber ändert das wirklich was? Man schreckt doch immer noch vor schlechten Bewertungen zurück.
Es gibt ja unterschiedliche Bewertungen. Die öffentliche sieht man auf der Webseite. Und ja, vielleicht tendieren die Leute dazu, in diesen etwas netter zu bleiben. Aber dann gibt es ja noch die nicht-öffentliche Bewertung, mit der man dem Gegenüber eine private Nachricht hinterlassen kann. Die Crux bei Airbnb ist es, dass es klare Erwartungen gibt. Vorab und – wenn etwas schiefläuft – auch im Nachhinein. Man kann auch eine private Nachricht direkt an unser Team schicken, die sich damit dann auseinandersetzen.

Unterscheiden sich die Erwartungen eigentlich in den einzelnen Ländern? Nett und sauber heißt ja gerne mal etwas anderes in verschiedenen Ecken der Welt.
Das ist tatsächlich weniger kompliziert als man denkt. Was wahrscheinlich daran liegt, dass den Reisenden schon vorab recht klar ist, was sie in unterschiedlichen Regionen erwarten sollten. Man reist ja gerade, um die Unterschiede in den Kulturen kennenzulernen. Airbnb-Kunden suchen nicht nach einem Hotelurlaub. Sondern nach einem echten Erlebnis. Und dann gibt es ja noch die Bewertungen der Gäste, die vorher da waren, die einen guten Einblick zur Unterkunft geben.

Wie planen Airbnb-Gäste eigentlich ihre Reisen? Eher kurz- oder eher langfristig?
Wir sehen dieses Jahr eine ganze Menge an kurzfristigen Buchungen, aber gerade bei den Deutschen wird auch langfristig geplant und viele haben schon gebucht. Vor allem in reisestarken Zeiten.

Wird dafür eher die App oder die Webseite genutzt?
Die Zahl der mobilen Buchungen wächst ständig, aber die Webseite ist immer noch dominant. Ganz oft nutzen die Gäste auch beides: Sie fangen über die App an, nach interessanten Wohnungen zu suchen – die eigentliche Buchung passiert dann aber über die Webseite. Das ist auch regional ganz unterschiedlich. In Indien zum Beispiel wird die Plattform fast ausschließlich über die App genutzt.

Kurz noch mal zurück zu Deinem Leben als Gründer – und zwar auf die praktische Seite. Gibt es einen Kniff, mit dem Du Dir die Alltagshektik etwas erträglicher machst?
Ich bin morgens am effizientesten – daher blocke ich mir jeden morgen erst einmal Zeit in meinem Kalender, damit ich mich sortieren kann. Dafür plane ich meine Termine rückwärts: Ich fange bei 17:30 Uhr an, dann 17 Uhr und so weiter, damit ich meine freie Zeit am Morgen maximieren kann.

Welches Buch würdest Du jungen Gründern empfehlen?
Das neueste Buch von Al Gore, „Die Zukunft: Sechs Kräfte, die unsere Welt verändern“. Das ist eine sehr gute Übersicht über die großen Trends. Und es zeigt, wie sie die Welt verändern und welche Fragestellungen sie aufwerfen.

Nate, vielen Dank für das Gespräch!

Dieser Artikel ist zuerst bei Gründerszene erschienen. Das Original findet ihr hier

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