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Haben der BND und die Telekom unsere europäischen Nachbarn ausspioniert?

von Max Biederbeck
Die E-Mail eines Mitarbeiters der Telekom an den BND sorgt für Aufregung in Europa. Sie scheint zu beweisen: Der Konzern hat dem Geheimdienst seit Jahren dabei geholfen, die europäischen Partner Deutschlands auszuspionieren. In Österreich werden bereits zwei Klagen gegen den BND und das Unternehmen vorbereitet. Es könnten noch mehr werden.

Peter Pilz will eine Sache klarstellen: Heute gehe es vielleicht nur um eine Anzeige aus Österreich, schon morgen aber könnte auch Frankreich klagen, Polen, Irland oder Slowenien. Im Grunde ganz Europa. Eigentlich, so sagt Pilz, sei er zum Freundschaftsbesuch in Deutschland. Er ist sicherheitspolitischer Sprecher der österreichischen Grünen und Mitglied des Nationalrats. Mit Freundschaft habe das alles aber nichts mehr zu tun, das betont er immer wieder. „Als Angela Merkel ausgespäht worden ist, hatte sie die Sympathien von uns allen. Heute aber ist sie nicht mehr das Opfer sondern die Chefin der Tatverdächtigen“, sagt Pilz am Dienstag in Berlin.

Schon 2004 soll der BND mit der Deutschen Telekom eine Zusammenarbeit vereinbart haben. Inhalt des angeblichen Vertrags: Der Konzern liefert dem Geheimdienst sämtliche Transitverkehr-Daten, die er auftreiben kann. Darunter fallen Internet-Traffic, Telefonate, E-Mails und Faxe, bei denen weder Ursprung noch Ziel in Deutschland liegen. Den Vorwurf anders ausgedrückt: Die Telekom hilft dem BND, Deutschlands Nachbarn auszuspionieren. Neben den Datenlieferungen soll sich das Unternehmen auch dazu verpflichtet haben, die Geheimdienstler fortzubilden und zu beraten sowie „mindestens zehn Jahre“ über die Kooperation zu schweigen — für einen Freundschaftspreis von gerade einmal 6500 Euro im Monat.

Seit der ‚Umschalteaktion‘ werden scheinbar nur noch Freunde überwacht.

Pilz will dem angeblichen „Geschäftsbesorgungsvertrag Transit“ anhand von E-Mails zwischen Telekom-Mitarbeitern und BND-Beamten auf die Spur gekommen sein. Darin war von einer Glasfaserleitung STM1 die Rede, die zwischen Österreich und Luxemburg verläuft — durch Deutschland. Auch eine „Umschalteaktion“ wird erwähnt, bei der deutsche Daten aus den Informationen herausgefiltert worden seien. Laut Pilz gibt es Hinweise darauf, dass seitdem zwar keine deutschen Bürger, dafür aber eben die „Freunde“ überwacht werden. Elf Leitungen sollen es allein in Österreich sein — auf Basis einer Prioritätenliste der NSA. Das Land liege damit sogar nur im Mittelfeld der Überwachten in Europa, sagt Pilz.

Die Abhöraktion soll Teil der „Operation Eikonal“ gewesen sein, bei der deutsche Agenten Datenkabel an einem Internetknotenpunkt in Frankfurt mithilfe der Telekom angezapft und die Daten an die NSA weitergeleitet haben. Der deutsche Geheimdienst habe so französische Politiker und Unternehmen abgehört, aber auch österreichische Ziele, heißt es.

Wir waren überrascht, dass der BND offenbar auf der anderen Seite steht.

Peter Pilz

Die Regierung in Wien spricht im Zusammenhang mit den Vorwürfen von Spionage „zum Schaden Österreichs“ und hat Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Doch das ist Pilz nicht genug. „Wir haben nach Snowden gedacht, dass die österreichische Spionageabwehr sich mit dem BND verbündet. Wir waren überrascht, dass er offenbar auf der anderen Seite steht“, sagt er und bereitet eine weitere Klage vor. Nicht gegen Unbekannt, sondern gegen konkrete Mitarbeiter der Telekom und des BND. Pilz will die rechtlichen Schritte in der kommenden Woche fraktionsübergreifend auch mit anderen europäischen Landesvertretern besprechen.

„Niemand von uns zweifelt, dass zur Wahrung von nationalen Sicherheitsinteressen auch geheimdienstliche Methoden gehören. Vieles davon, was hier im Raum steht hat mit Terrorismus aber nicht die Bohne zu tun“, sagt auch der deutsche Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir. Es gehe hier scheinbar vor allem um politische und wirtschaftliche Spionage gegen die europäischen Partner. Die Vorwürfe an Regierung und Telekom seien rückhaltlos aufzuklären. Dazu gehöre etwa auch, die Selektorenliste herauszurücken, also jenes Dokument, das die Suchbegriffe für die Leitungen aufführt und damit festhält, wer eigentlich genau überwacht wird. Die Regierung weigert sich schon lange, das Dokument preiszugeben.

Deutsche Sicherheitskreise weisen die Vorwürfe der „Freundes“-Spionage nach wie vor zurück. Nur weil etwa eine Leitung von Wien nach Luxemburg abgehört werde, bedeute das nicht, dass auch die Endpunkte dieser Daten überwacht würden. Auch Daten aus dem Iran und Russland würden durch diese Leitungen laufen. Die Telekom äußerte sich am Dienstag gegenüber Heise. Der Konzern sei „wie alle anderen Telekommunikationsnetzbetreiber in Deutschland“ gegenüber dem BND verpflichtet und dieser Verpflichtung nur für eine Aufwandsentschädigung nachgekommen. Dass der BND mit der NSA kooperiert, sei dem Unternehmen nicht bekannt gewesen.

Zusätzlich zu seiner Klage verlangt Peter Pilz eine offizielle Entschuldigung von Angela Merkel. In Berlin sagen Özdemir und er gebetsmühlenartig ein altes Zitat der Kanzlerin auf. Es ist die Nachricht der beiden für die Öffentlichkeit: „Ausspähen unter Freunden — das geht gar nicht.“ 

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