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Mad Max down under: Das wüsteste Rennen der Welt

von Melody Paloma
In Australiens Wüste suchen Auto-Piloten Nervenkitzel und die eigenen Grenzen.

Es ist ein langer Weg ins Nichts. 1275 Kilometer von Melbourne in die Wüste, 21 Stunden Fahrt – wenn man keine Pause einlegt. Der nächste Ort, Iron Knob, bleibt 121 Kilometer zurück. Elf Monate und drei Wochen im Jahr ist die Natur unter sich, bis zur Speed Week Ende März, wenn Hunderte von Zweibeinern mit ihren Gefährten eintreffen, um ohne Limit das Tempo zu jagen. Nirgendwo Down Under geht das besser als am Lake Gairdner, Australiens drittgrößtem Salzsee: Der Boden ist flach, hart und trocken, der Horizont weit, kein Baum in Sicht. Selbst Fliegen meiden diesen Ort: zu staubig, zu sandig.

 

Nichts stellt sich Fahrern in den Weg, die einer nach dem anderen über die beiden Pisten rasen – die eine drei Meilen lang (4,8 Kilometer), die andere neun. Die Schnellsten kommen auf über 400 km/h, meist in Eigenbauten, die Raketen auf Rädern ähneln. Andere lassen es gemächlicher angehen – in modifizierten VW Käfern, E-Autos oder Postie Bikes, Motorrädern, die bei Australiens Briefträgern beliebt sind. Doch immer geht es darum, Rekorde zu brechen, auf schnurgerader Strecke im Rennen gegen die Uhr.

Man kann hierherkommen mit einem Auto, das aussieht wie ein Haufen Müll, und trotzdem einen neuen Rekord aufstellen.

Rebecca Powditch

„Man kann hierherkommen mit einem Auto, das aussieht wie ein Haufen Müll, und trotzdem einen neuen Rekord aufstellen“, sagt Rebecca Powditch. „Hier sind wir alle gleich.“ Es gibt keine Preisgelder und keine Sponsoren. Nur Motorsportfreunde aus allen Lebenslagen, Himmelsrichtungen, Altersgruppen. Powditchs Sohn Lachlan, gerade 13 geworden, ist der jüngste Teilnehmer in diesem Jahr, in dem die Speed Week ihr 25. Jubiläum feiert. Lachlan ist von klein auf dabei, fiebrige Begeisterung für das Wüstenrennen liege ihm im Blut, sagt seine Mutter.

Andere haben sich dem Festival der Flitzer verschrieben, um ihrem Leben neuen Sinn zu geben. Greg Butler kämpfte mit Depressionen, als er seinen Job verlor. „In meiner Brieftasche steckte immer die Visitenkarte eines Bestattungshauses“, erzählt er. Sein Arzt riet ihm, sich in ein Hobby zu vertiefen. So konstruierte Butler seinen eigenen Rennwagen, einen windschnittigen Lakester, mit dem er nun in der Kategorie für Spezialkonstruktionen antritt. „Der Rennsport hat mein Leben gerettet“, sagt Butler, „genau wie der Bau des Autos.“

Natürlich ist es riskant, die Grenze zwischen Fahren und Fliegen zu erkunden. Am Tag zwei dieser Speed Week überschlägt sich ein Teilnehmer beim Versuch, die Mauer von 200 Meilen pro Stunde (322 km/h) zu durchbrechen – die Schnellsten der Schnellen werden vom Veranstalter Dry Lakes Racers Australia mit der symbolischen Aufnahme in den 200MPH Club geadelt. Der Verunglückte fliegt stattdessen im Rettungshubschrauber nach Adelaide; die Ärzte können sein Leben retten.

Stundenlang bleibt die Strecke nach dem Unfall gesperrt. Sicherheit geht vor, so sehr, dass sich das Rennen ironischerweise sehr langsam abspielt. Geduldig stehen die Fahrer Schlange, ehe sie die Chance bekommen, Vollgas zu geben. Sporadisch nur heulen Motoren auf, dazwischen das Geplauder der Teilnehmer, die sich oft seit Jahren kennen und eifrig Tipps austauschen, vereint in ihrer Begeisterung für Maschinen und das Adrenalin.

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Und dann, immer wieder: Stille, surreal anmutend im Wechsel mit dem Motorenlärm und vor dem Hintergrund der weißen, kahlen Landschaft, deren Horizont sich in der Ferne verliert. Den Aborigines vom Stamm der Kokatha ist Lake Gairdner heilig. Ihnen gehört dieser See, der groß genug ist, um auf Satellitenaufnahmen klar erkennbar zu sein: mehr als 160 Kilometer lang, fast 50 Kilometer breit.

Jedes Jahr schicken die Kokatha zwei Stammesältere, um das Treiben im Sand zu beobachten. Sie achten unter anderem darauf, dass Staub, der sich an Reifen und Chassis festsetzt, gewissenhaft abgeputzt wird. Probleme gibt es selten. Die Organisatoren zeigten Respekt, sagen die Kokatha. Sie sind froh über die Speed Week. Das Rennen bringt ihnen Geld, Aufmerksamkeit – und Trubel. In einer Gegend, die sonst allein dem Wind und der Einsamkeit gehört. 

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