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Zerstört Elon Musk nun das, was er mühsam aufgebaut hat?

von Alex Davies
Seine loyalen Fans verehren ihn. Doch die positiven Schlagzeilen der Vergangenheit bekommt Tesla-Chef Elon Musk nicht mehr – und das, obwohl der Autobauer zuletzt Erfolgsmeldungen ablieferte. Der Milliardär ist angeschlagen – auch wegen seinen Tweets, die ständig für Aufregung sorgen.

Viele Stellen im Interview mit Elon Musk, das die New York Times am 16. August veröffentlicht hat, waren bemerkenswert: Tränen, keine Reue über bestimmte Tweets und die Tatsache, dass die Rapperin Azealia Banks irgendwie Teil von Teslas finanzieller Zukunft sein könnte. Doch der krasseste Punkt war Musks Behauptung, er wäre bereit, seine Rolle als CEO und Vorstand von Tesla aufzugeben. „Wenn ihr jemanden habt, der den Job besser machen kann, lasst es mich bitte wissen. Er kann den Job haben“, sagte er der Zeitung. „Gibt es jemanden, der den Job besser machen kann? Er kann gerne das Ruder übernehmen.“

Oberflächlich gesehen ist es Unsinn zu glauben, dass sonst niemand seinen Job machen kann. Viele Leute könnten Tesla leiten. Angefangen bei den Hunderten von fähigen Führungskräften der großen Automobilhersteller, von denen die meisten größer, effizienter und profitabler sind als Tesla. Wahrscheinlich könnte jemand andere ein besserer Top-Manager sein. Geht man jedoch etwas tiefer, findet sich der wahre Grund, warum man Elon Musk trotzdem nicht einfach ersetzen kann: Der Mann ist nämlich nicht nur ein CEO – für viele ist er eine Legende.

Das fängt schon mit der Geschichte von Tesla an. Als das Unternehmen im Jahr 2003 gegründet wurde, deckten sich Autohändler noch mit riesigen Spritfressern wie dem Hummer H2 ein – und die beliebtesten batteriebetriebenen Fahrzeuge fuhren über Golfplätze. Die amerikanische Autoindustrie ist bekanntermaßen brutal zu Neuankömmlingen, und der Gedanke, man könnte mit Elektrofahrzeugen Erfolg haben, war schlichtweg wahnwitzig. Jahrelang warteten die Skeptiker darauf, Tesla neben Tucker, DeLorean und Fisker zu begraben. Doch Musk hat die Sache durchgezogen.

Elon Musk machte Elektroautos begehrenswert

Er machte Elektroautos fahrtüchtig, einigermaßen selbstfahrend und leicht aufladbar – sogar mit einer selbst gebauten Infrastruktur. Aber vor allem machte er sie begehrenswert. Der Tesla wurde zum Statussymbol. Etwa 400.000 Menschen stehen auf einer Warteliste, um das Model 3 zu kaufen. Das gesamte Unternehmen hat bewiesen, dass man nicht GM, Ford oder Chrysler sein muss, um Autos in Amerika zu bauen. Man muss auch nicht BMW, Mercedes oder Lexus heißen, um den Amerikanern Luxusautos schmackhaft zu machen.

Gleichzeitig leitete Musk SpaceX. Unter seiner Führung trotzte der kommerzielle Raumfahrtkonzern etablierten Luftfahrtgiganten wie Boeing, indem er in die Raketenforschung einstieg. Musk versprach, den Mars zu kolonisieren. Nebenbei erweckte er eine Hyperloop-Industrie zum Leben, versuchte sich an künstlicher Intelligenz und gewann den Auftrag, Tunnel unter Chicago zu graben.

Auf dem Weg dorthin wurde er von einem Großteil der Welt angefeuert. Musk zierte Titelseiten. Er war die Inspiration für Lieder, trat in Talkshows auf, tauchte bei den Simpsons und South Park auf und machte Schlagzeilen. Sicher, er hat ein großes Ego (wer hätte das nicht an seiner Stelle?). Er hat auch die Angewohnheit, diejenigen, die an ihm zweifeln oder sich ihm widersetzen, die „Hater“, mit Geringschätzung zu behandeln. Doch die Öffentlichkeit verzieh ihm diese kleinen Übergriffe weitgehend aufgrund seiner großen, mutigen Ideen und deren Umsetzung.

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Im letztem Jahr ging es bergab

Im letzten Jahr verspielte er aber immer mehr Kredit. Hauptsächlich ist das auf Musks größte unternehmerische Herausforderung zurückzuführen: die Massenproduktion des Model 3 für 35.000 US-Dollar. Das Auto, das Tesla lange versprochen hatte, das Fahrzeug, das den Menschen sauberes Fahren ermöglichen und den Aktionären Gewinne bringen würde, das Tesla zu einem echten Autohersteller machen würde. Wie immer setzte sich Musk ehrgeizige Ziele und Fristen. Und wie immer verpasste er sie. Mehrmals. Die Investoren waren inzwischen schon daran gewöhnt, aber die Zukunft des Unternehmens hängt am Model 3, was den Druck offensichtlich noch verschärfte. Zumal es bei der Produktion einige unerwartete Schwierigkeiten gab.

„Dieses letzte Jahr war das schwierigste und schmerzhafteste Jahr meiner Karriere“, sagte Musk der Times. „Es war unerträglich.“ Er hatte seinen Kummer nicht mehr unter Kontrolle. In der ersten Jahreshälfte 2018 wetterte er gegen die Medien, er beleidigte Analysten während einer Telefonkonferenz mit Investoren und er griff das National Transportation Safety Board an – eine als sehr redlich angesehene Institution.

Dann, in der letzten Juniwoche, ganz am Ende des zweiten Quartals, erreichte Tesla schließlich sein Ziel, mehr als 5.000 Model 3 in einer einzigen Woche zu bauen (5.031, um genau zu sein) – der Punkt, an dem Musk glaubte, dass die Einnahmen aus dem Verkauf die Produktionskosten übersteigen und zur Rentabilität führen werden. Der Autohersteller begann außerdem damit, mehr verschiedene Ausführungen des Autos anzubieten, was darauf hinweist, dass man zuversichtlich war, das Produktionstempo beibehalten zu können. Das Vertrauen der Investoren in Musk schien endlich gerechtfertigt.

Die Affäre um das Mini-U-Boot für Thailand

Das hätte den Druck verringern sollen. Aber Musk fand sich immer wieder im Zentrum unerwünschter Aufmerksamkeit. Im Juli beschimpfte er diejenigen, die sagten, dass sein Angebot, bei der Rettung einer Gruppe von Jungen aus einer Höhle in Thailand zu helfen, eher selbstverherrlichend als ernst gemeint war. Als einer der beteiligten Taucher ihn beleidigte, nannte Musk ihn „pädophil“ (er entschuldigte sich später). In der gleichen Woche musste er erklären, warum er etwa 40.000 US-Dollar eine republikanische Organisation gespendet hatte, obwohl viele Republikaner den Klimawandel leugnen. Nichts davon erhöhte das Vertrauen in Musk, aber das Model 3 kam weiterhin vom Band. Die Investoren verzeihen vieles, solange sie Geld verdienen.

In der vergangenen Woche kam dann er nächste Schock auf Twitter. Am Dienstag schrieb er, dass er in Erwägung ziehe, Tesla zu privatisieren und die notwendige Finanzierung „gesichert“ sei. Der Aktienkurs des Autoherstellers schoss in die Höhe, gleichzeitig wurde die Börsenaufsichtsbehörde SEC, die Securities and Exchange Commission, misstrauisch. Besonders als Musk ein paar Tage später enthüllte, dass er mit "gesichert" nicht wirklich sicher meinte. Die SEC ermittelt nun und es drohen hohe Bußgelder. Verärgerte Investoren haben bisher vier Klagen eingereicht. „Als Ergebnis der materiell falschen und irreführenden Aussagen der Beklagten sowie ihrer Marktmanipulation entstanden den Käufer von Tesla-Wertpapieren Schäden in Höhe von Hunderten von Millionen Dolla“, liest man.

Obwohl die Erfolge beim Model 3 den Druck eigentlich verringert haben, steht Musk immer noch unter Strom. Ihm ist nicht egal, was die Leute von ihm und seinen Unternehmen halten. Seine heftigen Reaktionen auf die negativen Schlagzeilen führen oft zu noch mehr negativer Berichterstattung – eine deutlich Abkehr von der bisher durchweg positiven Publicity und der Bestätigung, die er wahrscheinlich erwartet hatte. Doch obwohl er eine loyale Armee von Twitter-Anhängern hinter sich hat, wird Musk von seinem Publikum inzwischen nicht mehr als unfehlbar angesehen.

Hat die Anstrengung ihn verrückt gemacht?

In seinem Interview mit der Times sagte Musk, dass bei Tesla das Schlimmste vorbei sei. „Aber von einem persönlichen Schmerzstandpunkt aus“, sagte er, „kommt das Schlimmste noch.“ Das ist nicht nur für seine Investoren ein schlechtes Zeichen, sondern für alle, die meinen, Autos sollten Spaß machen und gut für den Planeten sein, die den Weltraum erkunden wollen, und die an eine bessere Zukunft glauben.

Musk ist so eine Art Herkules. Der größte der griechischen Helden verrichtete seine berühmten Heldentaten als Buße für den Mord an seinen Kindern in einem Anfall von Tobsucht. Musk hat seine Arbeit getan, Raketen auf Booten gelandet und ein wunderbares, erschwingliches, elektrisches Auto geliefert. Doch die Anstrengung scheint ihn verrückt gemacht zu haben – und jetzt droht er damit, das zu zerstören, was er geschaffen hat.

WIRED.com

Dieser Artikel erschien zuerst bei WIRED.com
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