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Genug gejammert, gebt Wikitribune eine Chance!

von Johnny Haeusler
Seit Jahren beobachtet unser Kolumnist die Misere des Journalismus in Zeiten der Digitalisierung. Immer wieder saß er auf Panels und hörte sich das Gejammer der Branche an. Heute setzt Johnny Haeusler sein Geld stattdessen lieber auf den Gründer der Wikipedia.

Am Anfang eines Startups, so kommt es mir vor, steht viel zu oft der Satz: „Damit kann man bestimmt viel Geld verdienen!“ Wie viel sympathischer ist es doch, wenn eine neue Idee mit den folgenden Worten eingeleitet wird: „Fuck it, das kann ich nicht ertragen. Wollt ihr mich verarschen? Wir müssen was dagegen tun!“ Unzufriedenheit ist mir der liebere Antrieb als Gier.

Nun kann sich der Mann, der diese Worte im WIRED-Interview gesagt hat, den Verzicht auf Rendite gut leisten. Jimmy Wales hat nicht nur in seiner Eigenschaft als Gründer der Wikipedia ausgesorgt, er verfügt zudem über genügend Erfahrung und Bekanntheit (anders ausgedrückt: Marktmacht), um sein neuestes Vorhaben zum Erfolg zu führen.

Wikitribune soll mit einem Mix aus Crowdfunding und Wikipedia-Mechanismen den Journalismus retten – der nicht nur in Jimmy Wales' Augen an der klickabhängigen Werbefinanzierung bei gleichzeitiger Kostenfreiheit für die Leser zu zerbrechen droht.

Keine Werbung, sondern Community
Die Nachrichten-Plattform soll von professionellen Journalist*innen betreut und von einer möglichst breiten Community von Freiwilligen editiert und beobachtet werden. Für den Start will Wikitribune über monatlich zahlende Supporter das Geld für zehn angestellte Journalist*innen einsammeln, dann soll es in etwa einem Monat losgehen. Kostenlos für alle Leserinnen und Leser und natürlich frei von Werbung.

Besonders viel Information zur inhaltlichen Ausrichtung und Haltung der Plattform oder zu einzelnen Arbeitsprozessen gibt es noch nicht. Wer kann was und wie editieren? Wie sollen die Faktenchecks so transparent wie angekündigt gestaltet werden? Wie werden Urheber von Fake News erkannt und ihre Aktivitäten unterbunden? Es ist noch eine kleine Wundertüte, auf die man sich bei Wikitribune derzeit einlässt.

Dass die Plattform mit einigem Gegenwind und Herausforderungen zu kämpfen haben wird, darf man als garantiert ansehen. Doch das geht der Wikipedia, mit der Wales' neues Projekt geschäftlich übrigens nichts zu tun hat, ganz genauso. Dennoch gilt die Online-Enzyklopädie zurecht noch immer als eines der erfolgreichsten Online-Projekte überhaupt. Bisher hat es niemand gewagt, ein ähnlich umfangreiches Community-Unterfangen auf die Beine zu stellen. Vielleicht gab es neben Jimmy Wales aber auch einfach niemanden, dem man es zugetraut hätte.

Meine zehn Euro im Monat habe ich ihm jedenfalls zugesagt, ich unterstütze damit schon allein den Versuch, das Wagnis. Anderen geht es anscheinend genauso: Allein während der zwei Minuten, die ich für das Ausfüllen meiner Basisdaten benötigte, kamen einige Dutzend weitere Supporter hinzu. Die Teilnahme ist schließlich relativ risikofrei: Man bezahlt nur, wenn das Ziel erreicht wird, mindestens zehn Profis finanzieren zu können, und das „Abo“ ist danach jederzeit kündbar.

Eigentlich logisch!
Wikitribune zieht die eigentlich logischen Schlussfolgerungen aus der journalistischen Misere der vergangenen Jahre: Wenn Nachrichten nicht durch Werbung oder andere Sponsoren finanziert werden sollen – wofür es viele gute Gründe gibt – dann muss das Geld ganz klassisch von der Leserschaft kommen. Und wenn diese aus Menschen besteht, die mit Wikipedia aufgewachsen sind, dann sollten diese auch bei einer Nachrichten-Plattform neue Partizipationsmöglichkeiten haben. Zumal das im besten Fall die Qualität von Wikitribune verbessert und Fake New verhindert.

Wie es Wikitribune schaffen soll, sich als vertrauenswürdige und seriöse Quelle zu etablieren, darüber hat sich das Team um Jimmy Wales sicherlich einige Gedanken gemacht. Ich bin neugierig darauf, sie in der Umsetzung zu sehen. Allein der Versuch und der Mut sind es wert, diesen Mann zu unterstützen. Gejammert wurde nun wirklich lange genug.

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