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Wie ein Gründer sein Startup vom Inselstrand aus leitet

von Gründerszene
Für Kleinstadtfreunde und Naturverbundene ist das Leben auf der Nordseeinsel Föhr ein Traum. Doch wie sieht es aus, wenn man von hier einen Onlineshop leitet?

Es dauert nur ein paar Minuten, dann ist Marten Peyser am Meer. Das Haus auf der Nordseeinsel Föhr, in dem er zusammen mit seiner Familie lebt, liegt rund 200 Meter vom Strand entfernt. Dort surft er gern, wenn der Wind stimmt. Auch zur Arbeit hat es Peyser nicht weit: Seinen Job erledigt er von zu Hause. Ein Laptop und ein Telefon sind alles, was er dafür braucht.

Marten Peyser ist der Chef des Onlineshops Greenyogashop für Yoga-Zubehör und ein Paradebeispiel dafür, dass ein Geschäftsführer im Digitalzeitalter auch ohne Großraumbüros und Mittagsmeetings gut arbeiten kann. Nur manchmal, etwa alle vier Wochen, verlässt Peyser das Nordsee-Idyll der kurzen Wege. Dann trifft er sich mit seinem Geschäftspartner Stefan Miebach. Um ihn spontan zu sehen, müsste Peyser einmal quer durch Deutschland fahren, bis ins 615 Kilometer entfernte Köln.

Meistens verabreden sich die Partner deshalb in Hamburg. Ganz in der Nähe der Hansestadt, bei Buxtehude, sind die beiden auch aufgewachsen. Hier haben sie sich als Jugendliche beim Fußball kennengelernt – und später aus ihrem gemeinsamen Interesse am Sport ein Geschäft gemacht. Über ihr kleines E-Commerce-Unternehmen verkaufen sie seit sechs Jahren Matten, Leggings und Trinkflaschen an Yoga-Fans.

Auf rund 300 Produkte für Männer und Frauen bringt es der Greenyogashop insgesamt, sagen die Gründer. Trotz der geografischen Entfernung zwischen seinen Schöpfern scheint der Shop gut zu laufen: Miebach berichtet stolz, dass die Bestellzahlen dieses Jahr von Monat zu Monat gewachsen seien. Außerdem sei die Retourenquote niedrig. Und auch das Sortiment wird größer: Im vergangenen Jahr mussten die Gründer das Warenlager in Peysers Keller auf Föhr, das damals aus allen Nähten zu platzen drohte, an einen Dienstleister in der Nähe von Aachen übergeben.

Peyser ist gelernter Physiotherapeut und Altenpfleger. Da liegt ein gewisses Interesse für den eigenen Körper nahe. Er sei der „Yogi“ des Gründerteams, sagt er. Vor etwa zehn Jahren fing der heute 36-Jährige an, Yoga-Übungen zu machen. „Das wurde immer mehr, als meine Kinder zur Welt kamen. Ich habe das als Gelegenheit gesehen, mal für mich zu sein und neue Konzentration zu schöpfen“, erzählt er.

Eine passende Geschäftsidee ließ nicht lange auf sich warten: Bei einem Achtsamkeitsworkshop bemerkte Peyser, dass ihm die Auswahl an Meditationskissen, die Meditierende beim Aufrechtsitzen unterstützen sollen, nicht reichte. Zu klein, zu schlecht verarbeitet, befand er, nachdem er sich einen Überblick über die damals am Markt verfügbaren Kissen verschafft hatte. Zusammen mit einem Hamburger Schneider bastelte er anschließend an einem „guten“ Kissen, das Peysers Geschmack in Sachen Größe und Qualität traf. Das fertige Produkt verkaufte er online. Der Grundstein für den heutigen Shop war gelegt.

Von Hamburg nach Föhr zog Peyser dann 2011, um dort einen Job als Sportlehrer in einem Kinderkurheim anzunehmen. Den jungen Greenyogashop betrieb Peyser zu diesem Zeitpunkt noch nebenberuflich. Das änderte sich erst Anfang 2016, drei Jahre nach der Gründung der GmbH: Das Kurheim, wegen dem Peyser mitsamt Familie nach Föhr gekommen war, machte dicht. „Für mich war das der Punkt zu sagen: Ich nehme diese Gelegenheit jetzt wahr und werde den Shop so hochziehen, dass wir davon leben können“, beschreibt Peyser die Situation. „Das hat im ersten Jahr schon sehr gut funktioniert.“

Dass der Shop überhaupt funktioniert, führen die beiden Firmengründer auch auf eine gute Arbeitsteilung zurück. Peyser kümmert sich hauptsächlich um die Bereiche Koordination und Kommunikation, ist für die Kunden da, hat den Lagerbestand im Blick, beantwortet Produktanfragen. Miebach dagegen verantwortet den Marketing-Bereich und ist der Ansprechpartner für Finanzen und Strategie. Der 34-Jährige knüpft auch die Kontakte zu neuen Partnern. Das geht in Köln besser als in Nordfriesland.

Seit Kurzem beschäftigen die Gründer außerdem zwei Mitarbeiter, eine Einkäuferin und einen Entwickler. Beide arbeiten nebenberuflich für den Yoga- Shop – und sitzen ebenfalls in Nordrhein-Westfalen. Auch mit ihnen läuft die Koordination meistens aus der Ferne, nur ab und zu trifft sich das kleine Team persönlich. „Das ist schon manchmal etwas komplizierter, und ich fände es schöner, wenn wir alle zusammen in einem Raum sitzen würden. Aber keiner der anderen kann zurzeit sein Leben nach Föhr verlagern, und ich erwarte das auch von niemandem“, sagt Peyser, der aktuell als Einziger in Vollzeit für den Greenyogashop arbeitet.

Doch das Unternehmen wächst – und Miebach will, das sagt er selbst, sobald wie möglich auch voll einsteigen. Noch ist er den größten Teil der Woche Marketing-Leiter bei einem Onlineshop für Kindermode.

Peyser lebt auf Föhr ein eher ungewöhnliches Gründerleben. Einen Nine-to-five-Job hat er zwar nicht, regelmäßig legt er Nachtschichten für sein Startup ein. Doch Peyser unterstreicht, dass er vor allem für seine Familie da ist, als „Vater und Hausmann“, wie er es selbst bezeichnet. An drei Tagen in der Woche schmeißt er nicht nur den Shop, sondern auch den Haushalt – und arbeitet dann, wenn es eben gerade passt. Peyser gefällt diese flexible Einteilung fast ohne Terminstress gut: „Das Schöne ist, dass ich meine Kinder aus dem Kindergarten und der Schule abholen kann und dann trotz der vielen Arbeit immer Zeit für sie habe. Das haben viele Startup-Väter sicherlich nicht.“

Trotzdem ist Peysers Shop natürlich auch das Werk eines Ehrgeizigen mit sehr viel Disziplin. Und die hat der 36-Jährige, das merkt man schnell: Vier- bis sechsmal wöchentlich zieht er ein eineinhalbstündiges Sportprogramm durch, geht surfen, laufen oder macht Kraftsport – und zum Abschluss eine Runde Yoga. Wenn das Wetter mitspielt auch mal am Strand. Das bringe ihm die nötige Konzentration, sagt Peyser. Er brauche das, um sich wohlzufühlen.

Ich würde sagen, dass Yoga in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist

Stefan Miebach

Ein erwachsener, sportlicher Mann, der Yoga macht. Das ist heute nichts Ungewöhnliches mehr. Lange Zeit haftete den Übungen für Körper und Geist das Image an, angestaubt und esoterisch zu sein. Wer noch vor ein paar Jahrzehnten von Yoga hörte, dachte an Om-Gesänge. Doch plötzlich fingen gut aussehende und durchtrainierte Hollywoodstars an, Yoga zu machen – und es wurde hip.

Inzwischen gibt es eine ganze Reihen von Hochglanzmagazinen am Kiosk, die sich voll dem Yoga-Machen verschrieben haben. Apps wie Asana Rebel machen auf dem Smartphone ganze Yoga-Workouts vor. Den Fitness-Aspekt möchten auch die Macher des Greenyogashops hervorheben – und die esoterische Schiene mit Klangschalen und Räucherstäbchen, wie sie einige Yoga-Onlineshops im Angebot haben, lieber meiden. „Ich würde sagen, dass Yoga in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist“, findet Miebach.

Und so hat der Yoga-Trend natürlich längst auch bei anderen E-Commerce-Anbietern Einzug gehalten. Matten und entsprechende Kleidung gibt es bei Amazon. Zalando verkauft Yoga-Klamotten im großen Stil. Dazu kommen zahlreiche kleinere Anbieter, die sich wie Greenyogashop auf den Verkauf von Yoga-Zubehör spezialisiert haben.

Zalando erscheint vielen Yogis wie ein riesiges Monster

Stefan Miebach

Trotz dieser Konkurrenz ist Miebach überzeugt, dass die Zielgruppe ihres Unternehmens lieber im Greenyogashop einkauft. Warum? „Wir legen großen Wert auf gute Beratung“, versichert er. „Oft rufen uns Kunden an und fragen, welche Yogamatte sich für sie am besten eignet. Dann fragen wir, welchen Stil sie praktizieren, ob sie die Matte mit auf Reisen nehmen oder nur zu Hause nutzen wollen und wie rutschfest die Unterlage sein soll.“ Solche Anfragen könne „Yogi“ Peyser gut beantworten. Und dann sei da ja auch noch der Kommerzgedanke, der dem modernen Yoga-Praktizierenden nach wie vor ein Dorn im Auge sei.

„Zalando erscheint vielen Yogis wie ein riesiges Monster“, behauptet Miebach. „Der durchschnittliche Yogi kauft da lieber in einem kundennahen und fachspezifischen Onlineshop ein.“ Das liegt nach Angaben von Miebach auch daran, dass das „Grün“ im Namen auch wirklich so gemeint sei. Die Gründer würden nur Marken in das Produktportfolio aufnehmen, von denen sie wissen, dass die Arbeiter fair bezahlt wurden. Für den Yogi von heute ist das zwar nicht mehr ganz so wichtig wie früher, gibt Miebach zu. „Bei unserer Zielgruppe gibt es ganz klar eine geringere Geiz-ist-geil-Mentalität.“

Die Meditationskissen der Eigenmarke, mit denen das Geschäft ursprünglich startete, machen heute nur noch einen kleinen Teil des Greenyogashop-Angebots aus. Die Kunden, hauptsächlich Deutsche und Österreicher, kommen nun vor allem wegen der Matten und der Fitness-Kleidung auf die Seite. „Der Kleidungsbereich erlaubt uns, zu skalieren“, sagt Miebach. Das leuchtet ein: Eine neue Yoga-Matte braucht man höchstens alle paar Jahre. Mode dagegen bindet. Wer erst mal eine Matte hat, braucht eine Tasche, ein Mattentuch – und immer wieder neue, trendige Yoga-Klamotten. Artikel der Eigenmarke, zu denen auch Kleidungsstücke gehören, werden nach Angaben der Gründer von einer deutschen Näherei hergestellt.

Das Unternehmen ist komplett eigenfinanziert. Gewinne, die erwirtschaftet werden, stecken die Gründer gleich wieder in das Geschäft. Ein Budget für die Buchung von AdWords oder Online-Bannerwerbung haben die Gründer nicht, stattdessen setzen sie vor allem auf Suchmaschinenoptimierung und Content-Marketing. Keine Angaben wollen die Greenyogashop-Macher zu Kundenzahlen oder dem Jahresumsatz ihres Onlineshops machen. Nur so viel: Das Geschäft sei profitabel.

Wie stellen sich die beiden die Zukunft ihres Unternehmens vor? Die Seite stehe gerade vor einem Relaunch, sagt Peyser. Ziel sei es, der „kundenfreundlichste und schönste“ Shop im Yoga-Bereich zu werden. Dazu will man vor allem den Beratungsbereich weiter ausbauen: „Wir werden unter anderem einen Yoga-Matten-Guide anbieten, der unseren Kunden zeigt, wo die Unterschiede liegen und worauf man beim Kauf achten sollte.“

In Sachen Personal könnte ein weiteres Wachstum aber zum Problem für die jetzige Team-Konstellation werden. Das sieht auch Peyser so: „Ich glaube, dass wir die Zusammenarbeit nach unseren Möglichkeiten optimiert haben. Jetzt ist die Frage, wie lange das noch so möglich ist.“ Konkrete Pläne für die zukünftige Organisationsstruktur gibt es noch nicht. Wenn es so weit ist, will sich Peyser mit seinem Mitgründer und seinen Mitarbeitern zusammensetzen. „Dann werden wir schon eine gute Lösung finden“, sagt er. „Wie wir es gerade machen, ist es sehr gut. Und das wird sicher auch noch eine Weile so weitergehen.“ Peyser denkt lieber in kleinen Dimensionen. Zu 100 oder mehr Angestellten soll es nach seinem Geschmack gar nicht erst kommen.

In einem wuseligen Startup-Büro in Hamburg, Berlin oder Köln zu arbeiten, mag sich Peyser auch gar nicht so recht vorstellen. Dafür würde er sein 8.500-Seelen-Eiland auf keinen Fall für immer verlassen. „Ich mag mein Leben hier in der Schroffheit der Insel, im Wind und in den Wellen“, schwärmt er. Was er sich aber vorstellen kann: die Arbeitsorte aufzuteilen. Einen Teil des Monats würde er dann in der Stadt verbringen und ansonsten weiter am Arbeitstisch auf Föhr sitzen.

An allererster Stelle steht eben die Familie, das betont Peyser immer wieder. „Wir gehen sehr achtsam mit uns selbst und untereinander um“, sagt er über sich und seinen Mitgründer – und klingt nun doch fast esoterisch. Marten Peyser und Stefan Miebach sind Menschen, die auch an sich denken. In der schnelllebigen Startup-Welt ist das nicht selbstverständlich.

Gründerszene

Dieser Artikel erschien zuerst bei Gründerszene
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