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Was genau sind Quantencomputer – und was können sie?

von Anna Schughart
Die Erwartungen an Quantencomputer sind hoch. Wann haben wir endlich alle so einen Superrechner zu Hause? WIRED erklärt, wie die Quantencomputer funktionieren, was wir von ihnen erwarten und wann wir mit ihnen rechnen können.

Was ist das Ziel?

Supercomputer können fast alles rechnen. Manches aber eben auch nicht. Dazu gehört zum Beispiel die Faktorisierung – also Zerlegung – von sehr großen Zahlen. Auch kleinste Vorgänge auf Molekül- oder Atomebene können die herkömmlichen Supercomputer nicht simulieren, so wie zum Beispiel das Verhalten von Atomen in einem neuen Molekül. Um solche Quantenobjekte und -systeme zu verstehen, braucht es Quantencomputer. Das Versprechen: Quantencomputer sind schneller und besser als alles, was wir bisher kennen.

Wie funktioniert das?

Ein Quantencomputer unterscheiden sich deutlich von dem klassischen Computer. Im Zentrum des Quantencomputers stehen als kleinste Einheiten die Quantenbits oder auch Qubits. Ihre Eigenschaften machen die Quantencomputer so besonders. Ein normales Bit hat zwei Zustände, seine digitale Welt ist ein einfaches „0“ oder „1“. Ein Qubit dagegen arbeitet mit den Gesetzen der Quantenphysik und das bedeutet unter anderem, dass es nicht bloß „0“ oder „1“ sein kann. Stattdessen kann sich das Qubit auch in vielen anderen Zwischenzuständen befinden – und das auch noch gleichzeitig.

Das Besondere an dieser „Superposition“: Ein Qubit befindet sich so lange in diesem Zwischenzustand, bis man es misst. Denn in der Messung findet man bei den Qubits nur den Zustand 1 oder 0. Um die besondere Eigenschaft der Qubits nutzen zu können, muss man sie also bis zum Ende der Rechnung in der „Superposition“ halten.

Ein Qubit alleine nutzt dabei aber noch nicht viel. Interessant wird es, wenn man mehrere hat, sie zu einem Register zusammenfügt. Denn eine zweite, wichtige Eigenschaft der Qubits ist: Sie können auf besondere Weise miteinander verbunden sein. Das nennt sich Quantenverschränkung. Die ist etwas spukhaft und vielleicht noch ein bisschen schwerer vorstellbar als die Superposition. Aber einfach gesagt bedeutet das, dass Teilchen, die miteinander verschränkt sind, „wissen“, was das jeweils andere tut – auch wenn sie Tausende Kilometern entfernt sind. Ihre Zustände sind nicht unabhängig voneinander; führt man an einem Teilchen eine Messung durch, steht für das andere das Ergebnis auch schon fest.

In einem Quantencomputer sind eine bestimmte Anzahl von Quibts miteinander verschränkt. Sie können also quasi mehrere Rechenwege gleichzeitig nehmen. Statt – wie in einem herkömmlichen Computer – nach und nach Schalter von eins auf null (oder umgekehrt) umzulegen, interferieren die Rechenwege in einem Quantencomputer und man kann „parallel“ statt linear rechnen. „So kann der Quantencomputer bestimmte Probleme viel schneller lösen, als normale Computer“, sagt Tommaso Calarco von der Universität Ulm.

Für einen Quantencomputer braucht man also Qubits, eine Möglichkeit, die empfindlichen Qubits zu handhaben und zu manipulieren, und schließlich muss man die Quantencomputer auch noch programmieren können.

Was steht im Weg?

„Klassische Computer funktionieren alle mit Silizium“, sagt Calarco. „Bei Quantencomputern ist noch nicht klar, welches Material sich durchsetzen wird.“ Denn Baumaterial für Qubits können ganz unterschiedlich Dinge sein. Experimentiert wird zum Beispiel mit Ionen, Atomen oder auch supraleitenden Schaltkreisen. Alle Möglichkeiten haben jeweils ihre Vor- und Nachteile, die noch weiter erforscht werden müssen.

Um dann einen stabilen Quantencomputer zu bauen, muss man es schaffen, möglichst viele Qubits miteinander zu verschränken. Die Herausforderung dabei ist: Die Qubits sind sehr empfindlich und verlieren schnell ihren Superpositionszustand. (Man könnte auch sagen: Sie fallen der Dekohärenz anheim.) Wenn das passiert, bevor die Rechnung durch ist, ist sie futsch. „Die technologische Hürde besteht darin, jedes einzelne Qubit, aber auch die Gesamtheit kontrollieren zu können, so dass sie das machen, was sie tun sollen“, erklärt Calarco. In etwa so, wie wenn man ein Orchester dirigiert. Das wird aber immer schwieriger, je mehr Qubits man kontrollieren möchte. Auch die Fehlerkorrektur ist noch eine große Herausforderung.

Wer ist dabei?

Für Quantencomputer interessieren sich viele: VW zum Beispiel will eines der Unternehmen sein, das Quantencomputing als erstes einsetzt. Dazu kündigte der Autobauer vor einigen Tagen eine Zusammenarbeit mit Google an. Denn natürlich arbeiten nicht nur Wissenschaftler an Universitäten und Forschungsinstituten, sondern auch die großen, amerikanischen Tech-Riesen – von Google über IBM und Microsoft bis hin zu Intel – an der Entwicklung von Quantencomputern. Auch China interessiert sich stark für Quantentechnologien. Vergangenen Sommer starteten die Chinesen den weltweit ersten Quantensatelliten, ein ganz neues Forschungszentrum soll sich ab 2020 unter anderem der Entwicklung eines Quantencomputers widmen.

Und Europa? Calarco sagt: „Europa kann noch knapp mithalten.“ Das Problem: Das Quanten-Know-How sitzt zwar hauptsächlich hier – die Konzepte für einen Quantencomputer sind in Europa entstanden –, aber es fehlt an Geld und am Engagement der Industrie. Das Quantum-Technology-Flagship der Europäischen Kommission soll das nun ändern. Eine Milliarden Euro an Fördermitteln sollen unter anderem dafür sorgen, dass aus der Quantentechnologie nicht nur Quantencomputer, sondern auch andere konkrete Produkte und Anwendungen entstehen. „Ich habe also noch Hoffnung“, sagt Calarco.

Wann können wir damit rechnen?

Quantencomputer, die zum Beispiel mit 20 Qubits arbeiten, gibt es schon. Die entscheidende Frage ist allerdings: Wann bringen die Quantencomputer einen Vorteil? Wie viele Qubits bräuchte ein Quantencomputer, um etwas zu können, das ein Supercomputern nicht kann? Oft heißt es: Die magische Grenze liegt bei etwa 50 Qubits. Google hat angekündigt, bis Ende des Jahres einen 49-Qubit-Rechner präsentieren wollen.

Doch wie groß ist der Aufwand, um von 50 auf 1000 oder noch mehr Qubits zu kommen? „Dann müsste der Produktionsprozess automatisiert werden und das ist eine große ingenieurtechnische Herausforderung“, sagt Calarco. Als Wissenschaftler falle es ihm schwer, hier eine klare Prognose abzugeben: „In der Industrie sind aber viele Menschen davon überzeugt, dass das in zehn Jahren möglich ist.“ Hartmut Neven, der Googles Quantum AI Lab leitet, glaubt sogar, dass in diesem Zeitraum ein Ein-Millionen-Qubit-System denkbar sei.

Viele Wissenschaftler glauben nicht, dass die Quantencomputer unsere normalen Rechner ganz ersetzen werden. Stattdessen wird man sie wohl vor allem für Spezialprobleme einsetzen. Calarco sieht für die Quantencomputer ein großes Anwendungspotenzial: Sie können gigantische Datenbanken durchforschen oder mit der Simulation von Molekülen in der Medizin oder beim Entwickeln von neuen Düngern helfen, aber: „Das größte Potenzial sehe ich im Machine-Learning.“

Aber nur, weil nicht jeder einen kleinen Quantencomputer zu Hause hat, muss das nicht heißen, dass wir ihre Fähigkeiten nicht nutzen werden, wenn Google sie zum Beispiel für seine Cloud verwendet. Und ganz sicher sagen, dass wir nicht doch eines Tages Personal-Quantencomputer haben, kann wahrscheinlich niemand. Schließlich hat das bei den ersten Computern auch kaum jemand geglaubt.

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