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Was die Rekordstrafe der EU-Kommission für Google bedeutet

von Wolfgang Kerler
Die Europäische Kommission bleibt hartnäckig. Wieder einmal hat sie eine Rekordstrafe gegen Google verhängt. Diesmal geht es um Android, das Betriebssystem für Smartphones. WIRED erklärt, warum das Milliardenbußgeld für Google kein Problem sein dürfte, die übrigen Auflagen der EU-Kommission allerdings schon.

Die Wettbewerbskommissarin der EU, Margrethe Vestager, hat keine Angst vor amerikanischen Tech-Konzernen. Amazon und Apple verdonnerte sie dazu, Steuern in gigantischer Höhe nachzuzahlen. Google knöpfte sie sich im vergangenen Jahr schon einmal vor: Sie verhängte die Rekordstrafe von 2,4 Milliarden Euro, weil der Konzern aus Sicht der EU-Kommission die eigene Marktmacht missbrauchte, um seinen Preisvergleichsdienst Google Shopping zu bevorzugen.

2,4 Milliarden Euro? Gegen die heutige Entscheidung erscheint das fast schon harmlos. „Die Kommission hat heute entschieden, gegen Google ein Bußgeld in Höhe von 4,34 Milliarden Euro zu verhängen“, verkündet Vestager in Brüssel. Der Grund: „der Verstoß gegen EU-Kartellrecht.“

Was wirft die EU-Kommission Google vor?

Aus Sicht der Kommission zementiert der Konzern mit illegalen Methoden die Marktmacht seiner Suchmaschine– und zwar indem er Mobilfunkbetreibern und Smartphone-Herstellern, die sein Android-Betriebssystem nutzen wollen, Vorgaben macht. Konkret stört sich Vestager an drei Geschäftspraktiken:

  • Wollen Smartphone-Hersteller den Play Store von Google lizenzieren, den ihre Kunden brauchen, um viele der beliebtesten Apps herunterzuladen, müssen sie zwei Apps auf dem Gerät vorinstallieren: die Google-Suche und den Chrome-Browser.
  • Der Konzern hat Mobilfunkanbieter und Smartphone-Hersteller dafür bezahlt, ausschließlich die Such-App von Google vorzuinstallieren.
  • Herstellern die auf einem ihrer Geräte Google-Dienste vorinstallieren wollten, hat Google verboten, auch nur ein einziges Smartphone anzubieten, das eine von Google nicht genehmigte Version von Android als Betriebssystem verwendet.

„Auf diese Weise hat Google Android dazu verwendet, die marktbeherrschende Stellung seiner Suchmaschine zu festigen“, sagt Wettbewerbskommissarin Vestager. „Durch diese Praktiken wurde Wettbewerbern von Google die Möglichkeit genommen, innovativ und konkurrenzfähig zu sein.“

Wie genau soll Google mit Android sein Suchmaschinen-Monopol gefestigt haben?

Lässt man China außen vor, laufen weltweit etwa 95 Prozent aller Smartphones, die auf ein „lizenzpflichtiges Betriebssystem“ setzen, mit Android von Google. Die Betriebssysteme der iPhones und Blackberrys sind aus Sicht der EU keine echte Alternative, da deren Betriebssysteme von den Herstellern exklusiv für ihre Geräte entwickelt wurden. Google dagegen vergibt Android-Lizenzen an Samsung, Huawei oder Sony.

Daher kommt die Kommission zum Schluss, das Google mit Android eine „marktbeherrschende Stellung“ hat, also fast ein Monopol. Diese Marktmacht habe der Konzern durch die oben beschriebenen Praktiken ausgenutzt, um sein Quasi-Monopol in einem anderen Bereich aus der Desktop-Welt ins mobile Internet zu retten: bei der Onlinesuche.

In Europa werden 90 Prozent aller Internet-Suchanfragen über Google abgewickelt. Die Kommission geht offenbar davon aus, dass der Marktanteil etwas geringer wäre, würde das Unternehmen nicht dafür sorgen, dass seine Suchmaschine auf Androird-Smartphones exklusiv vorinstalliert ist. Den Beleg sollen die Windows-Smartphones liefern, die kaum noch im Einsatz sind: Dort ist Bing als Standard-Suchmaschine eingestellt – und schon nutzten nur 25 Prozent der Smartphone-User die Google-Suche, sagt die Kommission.

Was verlangt die Kommission jetzt von Google?

Neben der saftigen Geldstrafe von 4,34 Milliarden Euro macht die EU-Kommission Google klare Auflagen. Innerhalb von 90 Tagen muss das Unternehmen die drei kritisierten Geschäftspraktiken abstellen, sonst drohen weitere Zwangsgelder: und zwar von bis zu 5 Prozent des weltweiten Tagesumsatzes von Alphabet, der Muttergesellschaft von Google. Das wären über 10 Millionen Euro am Tag. Weitere Strafen drohen auch, wenn sich das Unternehmen neue Tricks einfallen lässt, um sich Konkurrenz vom Hals zu halten. Google muss die Kommission laufend darüber informieren, wie es die Auflagen erfüllen und auf Dauer einhalten will.

Tut die Strafe Google überhaupt weh?

Die Geldstrafe ist für das Unternehmen unschön, aber verkraftbar. Immerhin machte Google 2017 einen Umsatz von rund 100 Milliarden Euro. Mit dem Bußgeld allein wird die EU-Kommission den Tech-Riesen also nicht in die Knie zwingen. Die anderen Auflagen könnten auf Dauer schmerzhafter sein. Will Google keine weiteren Zahlungen riskieren, muss es Wettbewerbern, zum Beispiel anderen Suchmaschinen-Anbietern, den Zugang auf Android-Geräte erleichtern.

Auch das ist zunächst keine große Bedrohung. Schließlich hat Google auch auf Windows-PCs und -Laptops einen Marktanteil von fast 90 Prozent, obwohl deren Nutzer ohne Probleme andere Dienste verwenden könnten. Aber sollte irgendwann ein neuer Konkurrent, dessen Suchmaschine noch besser funktioniert, auf den Plan treten – dann könnte Google die heutige Entscheidung der EU-Kommission verfluchen.

Microsoft musste vor knapp 10 Jahren auf Druck der EU-Kommission den Windows-Nutzern neben dem eigenen Internet Explorer auch andere Browser zur Auswahl stellen. Der wegen der Qualitätsprobleme der Software ohnehin schon beginnende Verfall des Microsoft-Marktanteils wurde dadurch beschleunigt. Waren es früher einmal über 90 Prozent der Nutzer, die den Internet Explorer verwendetet, sind es heute nur noch rund drei Prozent.

Wie hat Google reagiert?

Google ist sich keiner Schuld bewusst. Die Ansicht der EU-Kommission, dass Apples iOS keine Konkurrenz sei, weißt das Unternehmen zurück. Außerdem habe Android laut Google zu mehr Wettbewerb zwischen den Smartphone-Herstellern geführt. Und: Jeder Nutzer und Hersteller könne weitere Apps auf den Handys installieren. Google wird die Strafe der EU-Kommission jetzt anfechten.

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