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Warum wir auch 2029 noch auf Super-Roboter warten werden

von Wolfgang Kerler
Wir diskutieren schon heute über autonome Killer-Krieger, die gegeneinander Krieg führen. Das ist zwar ein wichtiges Thema, aber hat noch etwas Zeit. Denn die Roboter haben gerade erst damit angefangen ihre Käfige in den Fabrikhallen zu verlassen. Auch in zehn Jahren werden sie längst nicht im Alltag angekommen sein. Der WIRED2029-Beitrag zum Thema Roboter.

Wenn es einen Roboter gibt, den sich viele lieber heute als morgen wünschen, dann ist es vermutlich Rosie. In der 60er-Jahre Trickfilm-Serie Die Jetsons schmeißt sie ganz allein den kompletten Haushalt der Familie. Rosie kocht, bügelt, putzt die Fenster, saugt Staub. Und weil sie das so schnell kann, spielt sie zwischendurch mit den Kindern ein bisschen Ball. Für ein Schwätzchen ist der sympathische Metallkasten sowieso immer zu haben. Tja, leider wird es Rosie auch im Jahr 2029 nicht geben.

Denn um einen Roboter von Rosies Kaliber zu konstruieren, müssten neue Technologien perfektioniert und erschwinglich werden, die gerade – wenn überhaupt – in den Laboren von Universitäten und Forschungseinrichtungen entstehen. Doch das dauert. „In zehn Jahren wird sich nicht allzu viel verändert haben“, sagt daher Oussama Khatib, Professor am Robotics Laboratory der Stanford University, zu WIRED.

Keine Sorge, mit „nicht allzu viel“ meint er eigentlich, dass sich bis 2029 ziemlich viel verändern wird. Nur vom alleskönnenden Haushaltsroboter werden wir trotzdem noch weit entfernt sein. Warum? Weil wir bei Robotern, die tatsächlich mit ihrer Umwelt interagieren und sie manipulieren, ziemlich am Anfang stehen.

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Roboter verlassen ihre Käfige und lernen

Der bisherige Standard sind Industrieroboter. Gerade in Deutschland schweißen und lackieren sie oft Autokarosserien. Das erledigen sie zwar mit einer Präzision und Geschwindigkeit, die für Menschen unerreichbar ist. Doch das klappt nur, weil ihnen alles, was sie brauchen, immer in exakt derselben Weise und an exakt derselben Stelle zur Verfügung gestellt wird. Sie sind dafür programmiert, genau diesen einen Job zu erledigen. Sie erkennen ihre Umgebung nicht wirklich, sie können nicht selbstständig neue Fähigkeiten lernen – und ihnen fehlt der menschliche Tastsinn. Alle Beteiligten können deswegen froh sein, dass sie meistens in Käfigen untergebracht sind.

Das Gegenmodell zu diesen klassischen Robotern drückt heute noch die Schulbank – in einer alten Werkshalle im Zentrum von München. Die Schulbank ist durchaus wörtlich gemeint. Denn die auf Tische montierten Roboterarme vom Typ Panda gehören der neu gegründeten Munich School of Robotics and Machine Intelligence der Technischen Universität. Dort haben sie den Pandas beigebracht, sich selbst beizubringen, wie sie Schlösser mithilfe von Schlüsseln aufsperren können. Das klingt erstmal unspektakulär. Doch das täuscht, erklärt Professor Sami Haddadin, der Leiter der Roboterschule, im Gespräch mit WIRED.

„Sich halbwegs sicher von A nach B zu bewegen, ohne dabei permanent mit der Welt zu kollidieren, das kann ja im Grunde schon der Einzeller“, sagt Haddadin, der zu den weltweit führenden Roboterforschern zählt. „Aber das Greifen und Manipulieren von Objekten, das ist den Primaten vorenthalten.“ Die Hände wiederum, die sich vielseitig als Werkzeug einsetzen lassen, zeichneten die besonderen Fähigkeiten des Menschen aus – genau wie der Verstand, mit dem der Mensch immer neue Anwendungen für seine Hände finden kann. Ein Roboter, der sich selbst beibringt, wie man ein Schloss aufschließt, hat also zumindest weite Teile des Tierreichs hinter sich gelassen.

Selbstlernende Roboter müssen nicht langwierig programmiert werden

Gegenüber den gigantischen, aber wenig intelligenten Käfig-Robotern der Fabrikhallen – die beim Versuch ohne Anleitung einen Schlüssel in ein Schloss zu stecken scheitern (oder gleich den Schlüssel zerbrechen) würden – sind die Panda-Roboter in München zumindest ein ordentlicher Schritt in Richtung Rosie. Sie sind absolut ungefährlich, denn sie merken, wenn Menschen ihnen in die Quere kommen. Sie spüren, wie viel Druck sie ausüben können, ohne etwas kaputtzumachen. Bei Bedarf sind sie flexibel und nachgiebig wie menschliche Arme – nicht starr und steif wie Industrieroboter. Und vor allem können sie sich selbstständig beibringen, wie sie neue und unterschiedliche Aufgaben lösen – und müssen nicht teuer und langwierig dafür programmiert werden.

Wer bei YouTube nach den Panda-Roboterarmen sucht, die vom TIME Magazine zu den wichtigsten Erfindungen 2018 gezählt wurden, stößt übrigens auf ein paar ganz nette Videos. Zum Beispiel auf Pandas, die Brote bestreichen.

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Die echte Welt ist verdammt kompliziert

Was die Fingerfertigkeit der Roboter angeht, ist die Forschung also auf einem guten Weg. Doch vom Aufsperren einer Tür ist es zum Kochen, Putzen und Bügeln noch ein weiter Weg. Dazu kommen andere Baustellen, die bis 2029 ebenfalls nicht verschwunden sein werden. Zum Beispiel: die Spracherkennung. Wer schon einmal versucht hat, mit Alexa, Siri oder Cortana eine echte Unterhaltung zu führen, der weiß, dass KI noch nicht in der Lage ist, komplexe menschliche Sprache wirklich zu verstehen. Bei Multifunktions-Haushaltsrobotern wird das aber unerlässlich sein. Ihre Besitzer wollen sie schließlich per Sprache steuern – und nicht erst Programmieren lernen müssen.

Das nächste Problem: unsere vollgestellten und verwinkelten Wohnungen. Viele Experten sind durchaus skeptisch, ob wir 2029 schon selbstfahrende Autos auf den Straßen sehen werden. Und das, obwohl Straßen und die dazugehörige Straßenverkehrsordnung für rollende Maschinen konzipiert wurden und Schilder, Markierungen und Ampeln für Ordnung sorgen. Roboter, die sich zuverlässig in der „freien Wildbahn“ eines Haushalts zurechtfinden – und dabei mehr können sollen als nur den Teppich saugen oder den Rasen mähen –, wird es in zehn Jahren vermutlich nur in Forschungseinrichtungen geben, nicht als erschwingliche Massenprodukte.

Reha-Roboter und autonome Rollstühle

Trotz dieser vielen Einschränkungen, werden wir in zehn Jahren Roboter erleben, die viel mehr können als heutige Maschinen. „Ich glaube, in zehn Jahren werden wir Roboter in der realen Welt einige besonders gefährliche Jobs für uns erledigen lassen“, sagt Oussama Khatib. Für lebensbedrohliche Einsätze in Minen, Rettungsmissionen nach Naturkatastrophen oder für Forschungsmissionen in der Tiefsee kann sich Khatib Roboter vorstellen, die genug Autonomie besitzen, um sich fortzubewegen und mit der Umgebung zu interagieren – aber noch nicht intelligent genug sind, um Entscheidungen zu treffen. Sie würden von Menschen ferngesteuert werden.

Werden politisch die richtigen Weichen gestellt, kann sich auch Sami Haddadin echte Fortschritte vorstellen, gerade im Gesundheitssektor. „Ich bin davon überzeugt, dass wir 2029 richtige Reha-Roboter haben werden.“ Nach einem Schlaganfall oder einer Hüftoperation könnten sie die Patienten bei der Frühmobilisierung unterstützen. Außerdem rechnet Haddadin mit einer neuen Generation von minimalinvasiven Robotern, die bei Operationen innerhalb des menschlichen Körpers zum Einsatz kommen. Service-Roboter, die Dinge vom Boden aufheben oder die Spülmaschine ausräumen können, erwartet er zumindest als Pilotstudien.

Rollstühle, die ihren Nutzern dabei helfen, Türen zu öffnen oder Hindernisse aus dem Weg zu räumen, hält nicht nur Haddadin bis 2029 für machbar, sondern auch sein Kollege Dieter Fox, der an der Universität von Washington in Seattle an Robotern forscht. Er hofft im Gespräch mit WIRED außerdem, dass autonome Autos, die für ihn auch Roboter sind, bis dahin zumindest in einigen Gebieten einsatzbereit sind.

Wird es vielleicht nie Roboter geben?

Eine ziemlich pragmatische Antwort hat der italienische Robotik-Professor Antonio Bicchi von der Universität Pisa im WIRED-Interview parat: „Was wir jetzt als Roboter bezeichnen, werden wir in zehn Jahren nicht mehr als Roboter wahrnehmen“, sagt er. „Denn auch in zehn Jahren werden wir mit ,Roboter‘ nur Dinge meinen, die es noch nicht gibt. Denn sobald etwas tatsächlich existiert, ist es für uns nur noch eine Maschine.“ Sollte er Recht haben, werden Roboter immer der Stoff für Science-Fiction-Serien wie Die Jetsons bleiben.

Alle Artikel des WIRED2029-Specials, die vom 12. bis 19.12.2018 erscheinen werden, findet ihr hier.

Wolfgang Kerler

Wolfgang Kerler

von GQ

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