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Warum am Hamburger Hafen schon autonome Fahrzeuge im Einsatz sind

von Jürgen Stüber
Von wegen Zukunftstechnologie: Nur weil auf den Straßen immer noch keine autonomen Fahrzeuge unterwegs sind, heißt das doch nicht, dass das überall so ist. Auf abgegrenzten Terrains wie Häfen sind Roboterfahrzeuge längst angekommen und weiter als man denkt.

Hinter Firmentoren ist die Welt in Ordnung – jedenfalls was das automatisierte oder gar das autonome Fahren betrifft. Da treten keine unkonzentrierten Fußgänger plötzlich auf die Fahrbahn. Keine Radfahrer sind unterwegs, die beim Rechtsabbiegen übersehen werden könnten. Kein „sportlicher“ Pkw-Fahrer drängelt in frei werdende Lücken. Und die Durchschnittsgeschwindigkeit ist niedrig.

Betriebsgelände sind deshalb ideale Versuchsfelder für die Erprobung und Entwicklung des autonomen Fahrens. Denn die Regeln, das Grundgerüst des maschinellen Lernens bei Computerprogrammen, sind klar definiert und überschaubarer als auf Straßen mit starken Mischverkehren. Künstliche Intelligenz lässt sich auf Betriebsgeländen deshalb schneller generieren als in komplexeren Szenarien.

Auch wirtschaftliche Gründe sprechen für die Automatisierung des Verkehrs in der Logistik: Der Fahrermangel ist eklatant. Die Stückzahlen steigen. Der Wettbewerb wird härter. So ist etwa der operative Gewinn des Marktführers Deutsche Post im Paketgeschäft im zweiten Quartal 2018 um 60 Prozent eingebrochen. Preiserhöhungen stehen ebenso im Raum wie Sondertarife im Weihnachtsgeschäft. Dadurch sollen die Einnahmen wieder steigen.

Zeit- und Kostendruck nehmen zu

Denn eines ist sicher: Die Stückzahlen werden weiter nach oben gehen. Der Bundesverband Paket- und Expresslogistikerwartet, dass die Zahl der Lieferungen in fünf Jahren von derzeit 3,3 auf dann 4 Milliarden gestiegen sein wird. Dass die Umsätze des Wirtschaftsbereichs insgesamt steigen, wie eine Statistik der Bundesvereinigung Logistik (BVL) zeigt, ist deshalb nur die eine Seite der Medaille.

Für die einzelnen Unternehmen steigen der Zeit- und Kostendruck sowie die Flexibilitätsanforderungen. Eine Lösung ist die smarte Logistik auf Betriebshöfen und anderen abgeschlossenen Arealen mit automatisierten Fahrzeugen. „Derartige Transportmittel vermeiden Rangierschäden und Ausfallzeiten, was Logistikunternehmen einen Wettbewerbsvorteil verschafft", sagt Fredrik Staedtler, Leiter der Division Nutzfahrzeugtechnik des Technologieunternehmens ZF, dem weltweit viertgrößten Zulieferer der Autoindustrie.

Das Unternehmen hat autonome Fahrzeuge entwickelt, die Trailer von Zugmaschinen auf Betriebshöfen fahrerlos rangieren und sogenannte Wechselbrücken (containerartige Lkw-Aufbauten) dank Lasertechnologie und künstlicher Intelligenz millimetergenau an Laderampen rangieren können.

Auch Speditionen experimentieren mit solchen Technologien. Das automatisiert fahrende „Wiesel“ von DB Schenker kann ähnlich wie das Innovationsfahrzeug von ZF Wechselbrücken identifizieren, auf- und absetzen. Schenker nutzt bereits heute fahrerlose Transportsysteme und will das weiter ausbauen.

Die Kölner Spedition Emons hat gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme ein ähnliches Testszenario entwickelt. Der automatisierte batterieelektrisch angetriebene Lkw steuert vom Werkstor zur gewünschten Laderampe. Er wird von einem Operateur in einer Art Leitzentrale gesteuert. Laut Fraunhofer ist es möglich, dass ein einzelner Operateur bis zu 50 Fahrzeuge gleichzeitig steuert. Die erste eigenständige Fahrt des Emons/Fraunhofer-Lkw ist für den Sommer 2019 geplant.

Weiter ist da der Hamburger Hafen. Dort geht bereits die vierte Generation der automatisiert fahrenden Containertransporter an den Start. Das Container Terminal Altenwerder (CTA) hat das erste von knapp 100 Automated Guided Vehicles (AGV) mit einer Lithium-Ionen-Batterie erhalten.

AGV transportieren bis zu zwei 20-Fuss-Container vom Hafenkai zum Blocklager, wo diese dann eingestapelt werden. In den Boden eingelassene Transponder weisen den Fahrzeugen ihren Weg. Die Software der Leitzentrale sendet Informationen über Start und Ziel an die Robo-Transporter. Hergestellt werden die Spezialfahrzeuge vom Kranspezialisten Kone in Düsseldorf.

Nur 90 Minuten Ladezeit

„Betrachtet man das Verhältnis der eingesetzten Energie zur realen Antriebsleistung, sind sie drei Mal effizienter als ihre dieselbetriebenen Vorgänger“, sagt CTA-Geschäftsführer Ingo Witte. Im Vergleich zu den bisher eingesetzten AGV mit Bleibatterien zeichnet sich die Lithium-Ionen-Technologie unter anderem durch ihre Schnellladefähigkeit aus: Die Akkus können in rund anderthalb Stunden vollgeladen werden, wiegen nur etwa ein Drittel von herkömmlichen Blei-Säure-Batterien und müssen nicht gewartet werden.

Mit dem neuen „Arbeitstier“ geht die vierte Generation der AGV an den Start. Sie ersetzt zunächst die erste Generation der Diesel-betriebenen Fahrzeuge, dann die zweite Generation der diesel-elektrischen AGV, und als letztes lösen sie die mit Bleibatterien betriebenen Transporter ab. Die vollständige Umstellung soll bis Ende 2022 vollzogen sein.

Weniger Emissionen im Hamburger Hafen

Die neue Technologie ist umweltfreundlich: Nach Umstellung der Flotte reduziert der Hafen den jährlichen Ausstoß von CO2 um rund 15.500 Tonnen und von Stickoxid um etwa 118 Tonnen. Bei aller Innovationsfreude in der Industrie stimmt eine Studie skeptisch. Der BVL hat sein Netzwerk nach der Bedeutung der Digitalisierung in den einzelnen Unternehmen befragt. Knapp die Hälfte der Unternehmen planen keine Digitalisierung. Der Grund, so die Autoren der Studie: „Die fehlende Vorstellung, wie das eigene digitalisierte Geschäftsmodell beschrieben und gestaltet werden kann."

Gründerszene

Dieser Artikel erschien zuerst bei Gründerszene
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