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Viessmann: Wie ein 29-Jähriger seinen Familienkonzern digitalisieren will

von Jürgen Stüber
Viessmann steht seit mehr als 100 Jahren für Wärme. Das soll auch so bleiben. Doch in Zeiten der Digitalisierung will der junge Chef das Unternehmen radikal umbauen.

Max Viessmann will sein mehr als 100 Jahre altes Heizungsunternehmen digitalisieren. Er ist 2017 in die neue Doppelspitze des Mittelständlers aufgestiegen. Dort verantwortet er Heizsysteme und das digitale Neugeschäft. Er hat einen Company Builder und zwei VC-Unternehmen aufgesetzt. Zuletzt wurde eine Kooperation zwischen Viessmanns Smarthome-Anbieter Cary und dem Lieferdienst Bringmeister bekannt. Dabei liefert Bringmeister mit einem elektronischen Schlüssel direkt in die Wohnung des Kunden.

Der 29-Jährige will außerdem Gründer finanzieren und Gründergeist in die gewachsenen Strukturen des Traditionsunternehmens mit 2,25 Milliarden Euro Jahresumsatz und 12.000 Beschäftigten bringen. Wie er das Problem angeht, hat er im Interview mit Gründerszene verraten.

Herr Viessmann, Ihr Urgroßvater Johann Viessmann war 1917 Gründer und wenig später Erfinder des Heizkessels, wie wir ihn heute kennen. Hat Ihr Unternehmen die Startup-DNA wiederentdeckt?

Wir sind ein Familienunternehmen, das durch den Unternehmer in der jeweiligen Generation geprägt wurde. Ein Stück weit wurde das Unternehmen jeweils komplett neu erfunden. Mein Großvater hat durch innovative Produkte die Firma stark im deutschsprachigen Raum positioniert, mein Vater hat internationalisiert und diversifiziert. Ich erfinde sie unter anderem digital wieder neu. Und wir nutzen mit großem Nachdruck die Chancen der Energiewende.

Wie tragen Sie diesen Wandel ins Unternehmen hinein? Macht eine solche Veränderung Beschäftigten keine Angst, die ihr Berufsleben lang lernt haben, möglichst keine Fehler zu machen?

Es gibt viele etablierte Unternehmen, die in ihren Strukturen sehr von oben nach unten geführt sind. Das regt den Mitarbeiter nicht dazu an, neue Grenzen auszuloten. Es ist weniger die Angst vor Fehlern als die starren Strukturen, die man sich über Jahrzehnte geschaffen hat, die Mitarbeiter davon abhalten, freier zu denken. Das brechen wir gerade radikal auf. Denn heute muss man die Freiräume schaffen, damit schnell Entscheidungen dezentral getroffen werden können. Da haben viele industriell-geprägte Unternehmen noch einen weiten Weg zu gehen.

Was bedeutet diese Transformation konkret?

Auf der einen Seite, „Leading by Example“. Ich habe kein festes Büro, bin für jeden erreichbar und lebe eine große Kundennähe vor. Auf der anderen Seite konnten wir speziell durch den Company Builder „WATTx“ und die VC Fonds Vito Ventures und Vito.One unseren Mitarbeitern näherbringen, wie Unternehmen arbeiten, die keine Fesseln der Vergangenheit haben und nah am Kunden ihre Lösungen iterieren müssen.

Wichtig ist, dass man zeigt, wie leicht das auf das eigene Handeln übertragbar ist. Dabei helfen auch Talente von „außen“, die Erfahrungen mit agiler Entwicklung mitbringen und auch hier ein positives Exempel statuieren.

Wie nähern Sie sich als Unternehmer und Business Angel dem Ökosystem?

Ich investiere schon lange als Angel in Startups und versuche genug Zeit gerade mit ganz jungen Companies zu verbringen. Für das Familienunternehmen haben wir zusätzliche professionelle Zugänge über den Fonds und Company Builder geschaffen. Heute gibt es eine eigene Division „V/CO“, die einem Großteil unserer digitalen Aktivitäten ein Zuhause bietet.

Welcher Typ von Startup interessiert Sie besonders?

Wir haben inhaltlich einen sehr klaren Fokus. Vito Ventures investiert ausschließlich in Deep-Tech-Companies, die sich mit industrieagnostischen Technologien wie etwa Künstlicher Intelligenz oder Robotics befassen. Bei Vito.One investieren wir primär in PropTech- und EnergyTech-Companies, die etwas näher an unserem Kerngeschäft sind. Wir schaffen für die Gründer strukturierten Zugang zu unserer Plattform. Das heißt zur Domain Expertise im Unternehmen oder unserer internationalen Vertriebsreichweite.

Die Frage ist aber eher, welche Gründer auf uns zukommen. Und das sind Leute, die etwas reißen wollen und eine pragmatische Umgebung suchen, in der sie Vollgas geben können.

Haben Gründer auch in ihrem traditionellen Kerngeschäft eine Chance?

Wir sind ein Unternehmen für Unternehmer. Das gilt für unsere Partner im Handwerk ebenso wie für Startups und etablierte Unternehmen, mit denen wir zusammenarbeiten.

Hat es Sie geärgert, dass Sie ein Startup wie Nest nicht selbst erfunden haben, als es für drei Milliarden Euro von Google gekauft wurde?

Wir sind mit unseren eigenen IoT-Lösungen sehr gut unterwegs und haben unseren eigenen Fokus. Am Ende geht es uns darum, die richtigen Lebensräume für die Generationen von morgen zu kreieren.

Sie sind ja nicht nur als Company Builder unterwegs. Ihr Unternehmen fördert auch die Forschung und Lehre. Welche Defizite sehen Sie auf diesem Gebiet?

Was wir heute in der Bildungslandschaft sehen, passt nicht mehr in die Welt. Man fasst sich an vielen Stellen an den Kopf. Studenten allein Folien auswendig lernen zu lassen, mag für die Professoren effizient sein, für das notwendige Unternehmertum in Deutschland ist das eine Katastrophe. Jeder wühlt sich als Einzelkämpfer durch die Verstrickungen der Universitätslandschaft.

Wir unterstützen die unterschiedlichsten Universitäten aus der Überzeugung, dass im digitalen Kontext noch viel zu tun ist – in der Region Nordhessen, in München oder Berlin. Wir haben auch einen Stiftungslehrstuhl für IoT am Einstein-Center in Berlin gestiftet, weil wir Defizite pragmatisch lösen wollen.

Gründerszene

Dieser Artikel erschien zuerst bei Gründerszene
Das Original lest ihr hier.

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