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USOMO ist virtuelle Realität für die Ohren

von Dominik Schönleben
Das Startup FRAMED will virtuelle Soundlandschaften erschaffen. Jeder Schritt durch einen Raum verändert dann übergangslos, was man hört. Die Technologie könnte bald schon den Audioguide im Museum ersetzen.

Ein weißer Raum, dunkle Kugeln hängen von der Decke. Auf meine Ohren prasselt eine wahre Kakophonie von Tönen: Straßenlärm, statisches Rauschen, Stimmen. Ich mache einen Schritt auf eine der Kugeln zu und während alle anderen Töne nach und nach ausgeblendet werden, erklingt eine Stimme immer klarer und lauter. Als ich mein Ohr an die Kugel lege, wird sie so deutlich, als würde mir jemand etwas einflüstern. Dann trete ich zurück, setzte die Kopfhörer ab und es wird still.

Ich bin zu Gast bei FRAMED im Osten Berlins. Hier arbeitet der ehemalige 3D-Animationsexperte Steffen Armbruster an einem Tracking-System namens USOMO, mit dem ganze Räume erfasst und mit einem Soundbett unterlegt werden können. Wer mit Kopfhörern durch die von der Künstlerin Antye Greie erschaffene Welt läuft, erlebt, wie sich die Geräuschkulisse mit jedem Schritt übergangslos verändert. „Man kann einem Raum eine Akustik geben, die ganz anders ist als erwartet“, sagt der 51-Jährige Startup-Gründer Armbruster. Eine enge Kammer kann so etwa hallen wie eine weit verzweigte Höhle und dann fließend in einen Techno-Club übergehen.

Die Technologie soll bald schon in Museen eingesetzt werden, wenn es nach Armbruster geht. Statt eines Audioguides, der per Zahlenkombination aktiviert wird, könnte eine Ausstellung etwa mit passender Musik untermalt werden, die sich von Raum zu Raum verändert. Tritt ein Besuch dann vor ein Exponat, schaltet sich eine Stimme zu und erklärt, was zu sehen ist. Andere Besucher bekommen nichts mit, sie hören ihre eigene, individuelle Audio-Show. Tritt jedoch ein Freund näher heran, kann er plötzlich mithören, was gerade gesprochen wird. Der Audioguide wird mit USOMO zur gemeinsamen Erfahrung.

„Für mich ist das eine akustische virtuelle Realität, ein akustisches Holodeck“, sagt Armbruster. Er glaubt, dass für viele Menschen ein herkömmlicher Audioguide nicht mehr als besonderes Erlebnis wahrgenommen wird. Bei seiner Erfindung sei das anders, weil die Besucher den Raum selbst erforschen und entdecken könnten. In einem seiner Testräume hat Armbruster etwa eine kleine Fliege versteckt. Wer hindurchläuft, hört ein leises Summen. Folgt man dem Geräusch, führt es zu dem Insekt an der Wand.

Armbruster sieht seine Technologie nicht als Zusatz-Feature von Virtual-Reality-Räumen (VR) wie etwa The Void – sondern als eine Alternative zu ihnen. USOMO biete ein ähnlich intensives Erlebnis, nur eben mit Kopfhörern statt Brillen. Außerdem brauche es keine speziellen Räume dafür, jedes Gebäude könne einfach und schnell nachgerüstet werden, sagt Armbruster.

USOMO besteht aus einem Sender, der auf den Bügel eines regulären Kopfhörers gesteckt wird. Das Smartphone verbindet sich dann über die USOMO-App per Bluetooth mit dem Tracker.

Bis auf ein Grad genau kann USOMO messen, in welche Richtung ein Besucher seinen Kopf gerade dreht. Die individuell angepassten Töne werden mit einer Latenz von einer Zehntelsekunde abgespielt. In unserem Test reichte das, um einen Raum im Schritttempo zu durchlaufen. Bei schnelleren Bewegungen hinkte das System merklich hinterher.

Der individuelle Sound wird live auf dem Smartphone berechnet. Dabei ist auch eine binaurale Wiedergabe möglich. USOMO simuliert also, dass ein Ton aus einer ganz bestimmten Richtung kommt. Nur so kann ein Besucher dann über das Gehör lokalisieren, wo im Raum sich etwa die besagte Fliege versteckt.

Erste Museen in Deutschland, Dänemark und Finland hätten bereits Interesse an USOMO angemeldet, sagt Armbruster. Doch bis es tatsächlich soweit ist, wird es wohl noch einige Zeit dauern. Zu sehen war das System jedoch bereits beim Ars Electronica Festival 2016 und auf einer Fachmesse für Gebäudebau.

„Es geht mir immer um die Verbindung von Mensch und Raum“, sagt Armbruster, der schon an der medialen Inszenierung von Pavilions für Weltausstellungen und dem Besucherzentrum am Jungfraujoch beteiligt war. Bei USOMO geschehe das eben über Klang. Audioguides sollen dabei erst der Anfang sein, der Gründer will für alle möglichen Arten von Events Klangerlebnisräume schaffen.

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