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Urlaub vom Internet

von Johnny Haeusler
Auch ein Kolumnist braucht mal Urlaub. Und den bucht er, natürlich, selbstständig im Internet. Johnny Haeusler weiß über die Vorteile im Gegensatz zu früheren Ferienbuchungen im Reisebüro zu berichten und hat den nächsten Urlaub daher gleich etwas länger geplant…

Bevor sich das Internet in Dienstleistungsbereichen durchgesetzt hatte, war unser Alltag sehr kompliziert. Wenn man beispielsweise eine Reise buchen wollte, dann musste man dafür in ein Reisebüro gehen. Dort saß eine Person an einem Schreibtisch vor einem Regal mit sehr vielen Katalogen. Dieser Person hat man dann seinen Reisewunsch und die Budgetvorstellungen mitgeteilt, bekam zunächst ein paar generelle Tipps (weil die Person in ihrem Arbeitsleben einiges an Erfahrung gesammelt hat) und dann jede Menge Kataloge mit vielen Bildern und den dazugehörigen Preisen. Die ihrer Ansicht nach besonders passenden Angebote bekamen von der beratenden Person zur leichteren Entscheidungsfindung ein paar Eselsohren verpasst.

Entweder nahm man die Kataloge erstmal mit nach Hause, oder man entschied sich im Gespräch und nach der Beratung gleich vor Ort für ein genaues Ziel. Die Reisebüroperson stellte dann alles zusammen (Flug, Unterkunft, ggf. Mietwagen oder sonstige Extras) und präsentierte einem den Preis. Über den verhandelte man noch ein bisschen, die Person schaute mal, was sich da noch machen ließ, konnte noch echt was rausholen und dann war die Reise gebucht. Alle Unterlagen lagen vor, der Gesamtpreis stand auch fest. Eine Garantie dafür, das vor Ort alles genau wie im Katalog aussah, gab es natürlich nicht. Pessimistinnen konnten für einen Aufpreis verschiedene Versicherungen abschließen. Doch meistens konnte man der Erfahrung der Reisebüroperson vertrauen, deren Honorar sich aus den Vermittlungsgebühren der Reiseveranstalter speiste.

Ja, das war ganz schön kompliziert und konnte mehrere Stunden Zeit in Anspruch nehmen. Aber glücklicherweise gibt es ja jetzt das Internet. Da kann man das alles ganz einfach selbst machen.

So kann man sich mittels Google Maps erstmal die perfekte Reisegegend aussuchen, und statt der Erfahrung einer einzigen Person gibt es die Meinungen unzähliger Internetnutzerinnen. Die haben zwar in der Regel zu jeder Gegend der Welt ihre ganz eigene Horrorgeschichte zu berichten, die sie von einem Freund gehört haben, der jemanden kannte, der mal in der Nähe dieser Gegend war. Aber wenigstens ist man dann gewarnt, dass der Bus in einem spanischen 200-Einwohner-Dorf nicht ganz so regelmäßig fährt wie in Wuppertal.

Portale von Portalen

Hat man sich für eine Gegend entschieden, geht es auf die Suche nach einer Unterkunft. Hier gibt es neben privaten Kontakten und dem Campingplatz im Wesentlichen zwei Varianten: Das Hotel und das Ferienhaus oder die Ferienwohnung.

Eine Hotelsuche führt schnell zu mehreren interessanten Ergebnissen, die allesamt zu Suchportalen führen, welche mit Suchportalen zusammenarbeiten, die eine Übersicht über alle Suchportale bieten, die mit anderen Suchportalen zusammenarbeiten. Am Ende landet man zwar immer bei booking.com, hat aber auf dem Weg dorthin etwa 132 Affiliate-Cookies genehmigt, die wohl alle an irgendetwas mitverdienen und eine Lebensdauer von drei Jahrzehnten haben.

Hat man tatsächlich ein den eigenen Vorstellungen halbwegs entsprechendes Hotel gefunden, gerät man sofort in Panik, denn man wird darauf hingewiesen, dass sich GENAU IN DIESEM MOMENT 746 weitere Interessierte GENAU DAS GLEICHE ZIMMER ansehen! Man greift also lieber schnell zu, bevor das Zimmer weg ist. Und bekommt nach den für die Buchung notwendigen Eingaben der Namen, Kontoverbindungen, Geburtsurkunden und Facebook-Profile sämtlicher Mitreisenden und ihrer entfernten Bekannten eine Pop-Up-Werbung für das gleiche Zimmer, aber zum halben Preis.

Da die Stornierung jedoch die postalische Anforderung des Reiserücktrittsformulars erfordert, belässt man es bei der getätigten Buchung und freut sich darüber, den anderen 745 Suchenden das Zimmer DIREKT VOR DER NASE weggeschnappt zu haben.

Die Suche nach einer Ferienwohnung oder einem Ferienhaus gestaltet sich eigentlich recht ähnlich. Natürlich landet man dann früher oder später aber bei Airbnb. Das ist super. Total private Vermieterinnen von total privaten Unterkünften bieten Wohnungen oder Häuser zur Untermiete an, in denen sie natürlich „eigentlich“ meist selbst wohnen. Das kostet oft nur wenig mehr als eine 4-Sterne-Suite, falls man Komfort wie eine Haustür oder ein Bett möchte, ist aber auch für kleine Budgets erhältlich, wenn einem eine Souterrain-Abstellkammer unter einer 24 Stunden lang geöffneten Bowlingbahn ausreicht.

Dank der Bewertungen der anderen Nutzerinnen sieht man auch gleich, welchen Vermieterinnen man vertrauen kann, und so passiert es wohl nur sehr wenigen Leuten — zum Beispiel uns —, dass eine Wohnung wenige Tage vor der Reise von der Vermieterin storniert wird. Man sucht sich dann einfach eine neue Unterkunft, kein Problem. In den Sommerferien. Kurz vor der Reise.

Alles ganz einfach und unkompliziert

Fehlt also nur noch der Flug, wenn das Reiseziel nicht mit der Bahn oder dem Auto erreichbar ist. Diesen bucht man am besten bei dem Vermittlungsportal, das am meisten Geld für eine einprägsame Webadresse und TV-Werbung ausgegeben hat. Dort bekommt man logischerweise die günstigsten Preise. Nach einer aufwändig visualisierten Suche nach dem besten Flug, während der die eifrigen Angestellten des Flugsuchportals vermutlich Aktenordner nach der besten Verbindung durchforsten, erfährt man dann, dass es tatsächlich einen sehr günstigen Flug nach Malaga für nur sieben Euro gibt. Wenn man bereit ist, innerhalb von drei Tagen viermal umzusteigen.

Nach der Buchung kommen dann nur noch die Aufschläge für die Onlineflugbuchungssteuer, den Sitzplatz, das Gepäck, die bargeldlose Zahlweise, die elektronische Kommunikation, den digitalen Zahlungsbeleg als PDF, die Pflichtversicherung sowie GEMA, VG Wort, GVL und Rundfunkgebühren hinzu, aber gut, auch 470 Euro (netto) sind noch ein Schnäppchen. Ein Pop-Up-Fenster bietet als nächstes den gleichen Flug ohne Zwischenstopps für die Hälfte des Preises an, doch die Stornierungsgebühren würden die Ersparnis übersteigen und mindestens zwei ärztliche Attests in vier Sprachen voraussetzen, also bleibt man auch hier bei der bereits getätigten Buchung.

Dann nur noch flugs alle nötigen Apps laden und dort neue Accounts anlegen, deren Verknüpfung mit den getätigten Buchungen ein Kinderspiel ist, das jeder moderne Mensch in wenigen Stunden meistern kann, trotzdem alle Buchungsbestätigungen ausdrucken, den dafür vorgesehenen Aktenordner im Handgepäck verstauen und schon kann es losgehen!

Ja, es ist so viel moderner und einfacher, einen Urlaub selbstständig im Internet zu buchen. Und das Beste daran ist: Man verbringt so viele Tage, Abende, Wochenenden damit, dass man sich gleich für eine Verlängerung der nächsten Ferien entscheidet. Denn nach dem ganzen Buchungsstress braucht man wirklich längeren Urlaub. Hauptsächlich vom Internet.

Johnny Haeusler

Johnny Haeusler

von GQ

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