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Neues Uncharted-Game: Warum Frauen der bessere Nathan Drake sind

von Benedikt Plass-Fleßenkämper
Zwei Frauen laufen Uncharted-Held Nathan Drake den Rang ab: Entwickler Naughty Dog beweist in Uncharted: The Lost Legacy für die PlayStation 4, dass Action-Games längst nicht mehr nur ein Männermetier sind.

Über Jahrzehnte dominierten männliche Protagonisten das Medium Videospiel. Frauen agierten meist nur als Nebenrollen oder fungierten wie in der Super-Mario-Serie als emotionaler Aufhänger für die Geschichte. Doch selten kamen Games über den mittelalterlichen „Damsel in Distress“-Plot hinaus. In den 90er Jahren bildeten Lara Croft in Tomb Raider oder Agentin Cate Archer aus No One Lives Forever Ausnahmen, jedoch schwebte auch bei diesen Titeln ein unterschwelliger Sexismus mit.

In den vergangenen fünf Jahren wendete sich das Blatt – weibliche Hauptcharaktere rückten immer häufiger in den Mittelpunkt. Uncharted-Entwickler Naughty Dog gehört zu den Vorreitern der virtuellen Emanzipation. Im dystopischen Endzeit-Thriller The Last of Us aus dem Jahr 2013 entschied sich das kalifornische Studio gezielt, den Fokus auf die junge Ellie und eben nicht den kampferprobten Joel zu setzen. Und das, obwohl Heldinnen bis dato als ein großes Risiko und als nicht verkaufsfördernd galten.

Creative Director Neil Druckmann erklärte schon damals: „Ich denke, Menschen können mit jedem Charakter mit jederlei Hintergrund mitfühlen. Aber es ist immer etwas Besonderes, wenn man sich selbst in der Spielerfahrung wiederfindet. Je häufiger wir verschiedene Arten von Figuren in Spielen abbilden, desto mehr bringt das Videospiele voran und desto spannendere und abwechslungsreichere Geschichten können wir erzählen.“

Naughty Dogs Liebe zur Gleichberechtigung und Diversität zeigte sich bereits in den frühen Ablegern der Uncharted-Serie. Zwar war Haudegen Nathan „Nate“ Drake der klare Hauptcharakter, aber eigentlich gaben stets die Frauen den Ton an. Elena Fisher debütierte in Uncharted: Drakes Schicksal von 2007 als taffe Reporterin und entwickelte sich mit ihrer starken und dennoch sensiblen Attitüde zu einer der wichtigsten weiblichen Figuren der Videospielgeschichte. Sie ist nicht nur Nates treuester Gefährte, sondern auch sein ehrlichster Kritiker, oftmals die Stimme der Vernunft – und natürlich seine große Liebe.

Diesem Erbe folgt nun das heute für die PlayStation 4 erscheinende Uncharted: The Lost Legacy und verwandelt zwei einstige Nebendarstellerinnen in Protagonistinnen. Chloe Frazer und Nadine Ross tauchten in früheren Uncharted-Teilen auf und gehen nun gemeinsam auf die Suche nach Ganeshas Stoßzahn, einem Artefakt des Hinduismus.

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Während der eigentliche Plot stark an Steven Spielbergs Indiana-Jones-Filme erinnert, so sind es Chloe und Nadine, die The Lost Legacy zu einem wirklich denkwürdigen Abenteuer machen. Trotz aller Unterschiede ergänzen sich die Charaktere nahezu perfekt. Chloe Frazer zeichnete sich bereits als Liebelei von Nathan Drake in Uncharted 2: Among Thieves durch ihre Cleverness und Gewieftheit aus. Die Diebin und Schatzsucherin ist indisch-australischer Abstammung und tut alles, um ihre Ziele zu erreichen. Nadine Ross ist dagegen der weitaus geradlinigere Typ und dürfte vielen Spielern noch aus Uncharted 4: A Thief's End im Gedächtnis sein. Dort führte sie die paramilitärische Organisation Shoreline an und verprügelte als Gegenspielerin den guten Nathan Drake nach Strich und Faden.

Doch The Lost Legacy erzählt mehr als nur die Geschichte von zwei starken Frauen, die sich in einer männlich dominierten Welt durchsetzen müssen. Chloe und Nadine offenbaren sich mit der Zeit und zeigen die für Spiele von Naughty Dog so typische Tiefe. Die Dialoge sprühen vor kleinen Spitzen, aber auch vor emotionalen Augenblicken. Nur langsam verwandelt sich das Zweckbündnis in eine Freundschaft und so spürt man im Spielverlauf, wie die beiden miteinander warm werden. Naughty Dog schreibt seine Charaktere stets frei von Klischees oder üblichen Rollenbildern.

Chloe gehört zu den beliebtesten Figuren der Uncharted-Reihe, hat ein ähnlich loses Mundwerk wie Nathan Drake, zeigt sich aber später auch von ihrer verletzlichen Seite. Sie möchte dem Erbe ihres Vaters nacheifern und geht deshalb auf die Jagd nach Ganeshas Stoßzahn. Dass sie und Nadine sich auf dem Abenteuer mit den Häschern des Rebellenanführers Asav anlegen und auf ihrem Weg nicht nur austeilen, sondern auch einstecken müssen, passt zur Charakterkonzeption.

Naughty Dog behandelt Frauen auch in körperlichen Auseinandersetzungen absolut gleichberechtigt. Art Director Tate Mosesian sieht im WIRED-Interview keine Probleme mit der Gewaltdarstellung in The Lost Legacy: „Wir wissen natürlich um diese Problematik. Aber diese Frauen haben in der Vergangenheit bewiesen, dass sie sich gegen Männer zur Wehr setzen können. Machen wir uns nichts vor: Wann immer es um Gewalt geht, stößt man bestimmte Leute damit vor den Kopf – ganz egal, ob es Gewalt gegen Männer oder gegen Frauen ist.“

Sieht man von der Geschlechterkonstellation und der damit verbundenen brillanten Charakterdarstellung ab, dann präsentiert sich The Lost Legacy als Actionspiel vom alten Schlag. Wer frühere Ableger der Serie mochte, der findet sich hier schnell zurecht: Chloe fungiert als Spielfigur und klettert, kämpft, hangelt und schwingt sich durch das wunderschöne, virtuelle Indien wie Nathan Drake zu seinen besten Zeiten. Nadine Ross ist die vom Computer gesteuerte Helferin: Sie gibt Rückendeckung und sorgt vor allem dafür, dass man sich nicht allein fühlt.

The Lost Legacy basiert auf der Technologie von Uncharted 4: A Thief's End. Deshalb gehört es wenig überraschend auch zu den attraktivsten Spielen für die PlayStation 4. Speziell auf der PS4 Pro erstrahlt das Actiongame in hochskalierter UHD-Auflösung und HDR. Die damit verbundene Farbtiefe und höhere Sichtweite kommt dem Spiel in den größeren Arealen sehr zugute. Das Erkunden und Erforschen neuer Tempelanlagen und Gebiete erzeugt eine herrliche Abenteueratmosphäre, wie man sie sonst nur aus Tomb Raider kennt. Die im Vergleich zum vierten Uncharted vermehrt eingestreuten Puzzles unterstreichen die Grundstimmung des Spiels.

Angesichts der wirklich starken Charaktere, der spannenden Story und des gelungenen Settings sind die Actionpassagen trotz bombastischer Inszenierung eher schmückendes Beiwerk. Denn The Lost Legacy spielt sich eigentlich wie seine Vorgänger. In seinem Kern ist es ein gut umgesetzter Deckungsshooter mit solider Schleichmechanik im Stil eines Assassin's Creed und imposant choreographierten Shootouts. Wirklich neu fühlt es sich aber nicht an.

The Lost Legacy ist mit einer Spielzeit von acht bis zehn Stunden trotzdem weitaus mehr als nur ein „kleines“ Uncharted. Es ist auch ein wichtiges Zeichen: Zwei Frauen tragen Nathan Drakes Erbe mühelos weiter. Und so bleibt zu hoffen, dass Naughty Dog die Uncharted-Lizenz nicht zu lange ruhen lässt und vielleicht nach der Fertigstellung von The Last of Us 2 wieder aufgreift. Dann vielleicht mit einer ganz neuen Heldin?

Uncharted: The Lost Legacy erscheint am 23. August 2017 exklusiv für die Playstation 4. Das Spiel ist als Download und Boxed-Version für 39,99 Euro erhältlich.

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