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Testfahrt mit dem e-tron: So gut ist das erste Elektroauto von Audi

von Jeremy White / WIRED UK
Audis vollelektrischer SUV ist endlich da, um es mit Tesla und dem Jaguar I-PACE aufzunehmen. Aber fährt er sich wirklich gut? Und funktionieren die futuristischen Kamerarückspiegel tatsächlich? WIRED konnte den e-tron testen.

Audi hat viel Arbeit ins Batteriesystem des neuen e-tron gesteckt. Die Ingenieure verfrachteten den Prototyp sogar zur berühmten Berg-Rennstrecke von Pikes Peak im US-Bundesstaat Colorado. Doch anstatt den elektrischen SUV die Piste hinauf zu jagen, testeten sie das Auto bergab. Mit dem Rekuperationssystem, also der Energierückgewinnung des Fahrzeugs sollte dabei so viel Strom wie möglich in die Batterie zurück gepumpt werden. Das Resultat überzeugte: Mit jedem Kilometer, den der e-tron bergab fuhr, stieg die Reichweite um einen Kilometer an.

Viele, die sich für Elektroautos interessieren, haben auf den e-tron gewartet. Denn mit ihm steigt der nächste etablierte Hersteller in den Markt für E-Autos ein. Der elektrische SUV soll Tesla und Jaguar mit seinem I-PACE Konkurrenz machen. Allerdings hat Audi mit dem e-tron einen anderen Weg als Jaguar eingeschlagen. Während Jaguar seinem I-PACE eine komplett neue Architektur verpasste, um ihn als „Neuanfang“ ganz bewusst von den bisherigen Modellen abzugrenzen, hat sich Audi bemüht, den e-tron fast so aussehen zu lassen wie die bisherigen SUVs der Q-Reihe. Was die Abmessungen angeht, liegt der e-tron zwischen dem Q5 und dem Q7.

Audi-Fahrer sollten nicht verschreckt werden

Als wir einen Audi-Techniker fragten, warum das Unternehmen an der Gestaltung des Innenraums fast nicht verändert hat, obwohl man ohne den Verbrennungsmotor mehr Platz gehabt hätte, lautete die Antwort: „Wir wollen Audi-Fahrer nicht erschrecken, [indem wir die Dinge zu sehr verändern].“ Schade eigentlich. So fühlt man sich allerdings im e-tron gleich wie zuhause, wenn man das gewohnte Audi-Design mag. Das Infotainment-System mit seinen zwei Bildschirmen ist darüber hinaus dasselbe wie bei anderen Modelle, etwa dem Q8.

Nun aber zur Fahrt mit dem e-tron – und dazu eine Sache vorweg: Der neue Elektro-SUV kann richtig schnell sein. Bei Höchstleistung, also der maximalen Leistung, die die Elektromotoren für bis zu 60 Sekunden liefern können, schafft der vordere E-Motor 125 kW (170PS) bei einem Drehmoment von 247 nm. Der hintere Motor kommt sogar auf bis zu 140 kW (190 PS) und 314 nm. Und das ist noch nicht alles. Mit dem Boost-Modus, bei dem die Asynchronmotoren kurzzeitig überlastet werden, kann die Gesamtleistung des e-tron von 265 auf 300 kW (408 PS) erhöht werden. So schafft es der Audi in 5,7 Sekunden von 0 auf 100 km/h.

Die vielleicht beeindruckendste Neuerung des e-tron ist, dass Audi es mit ihm geschafft hat, das erste Elektroauto zu bauen, bei dem man das Elektronische Stabilitätsprogramm (ESP) deaktivieren kann. Das neue Quattro-Allradsystem kann die komplette Leistung des Motors handeln, ohne sie zu drosseln. Das ist keine leichte Aufgabe, wenn man bedenkt, dass man bei Elektromotoren das gesamte Drehmoment sofort erhält. Audi hat diesem Feature so viel Aufmerksamkeit geschenkt hat, weil 45 Prozent der Kunden sich für eine Quattro-Version entscheiden.

Bei ausgeschaltetem ESP kann der Fahrer mit dem Elektro-SUV driften. Bei unserer Testfahrt konnten wir dabei gar nicht mehr aufhören zu grinsen. Audi hat außergewöhnlich gute Arbeit geleistet, um das Gefühl zu vermitteln, dass man jederzeit die volle Kontrolle über das Auto hat. Die 50:50-Gewichtsverteilung des e-tron hat dazu zweifellos beigetragen. Natürlich kann man auch mit aktiviertem ESP fahren, oder im Offroad- oder Sportmodus.

Die Software führt permanent Berechnungen durch

Der e-tron führt, gerade im Offroad-Modus, mindestens 400 Millionen Softwareberechnungen pro Sekunde durch, während man am Steuer sitzt. Denn was früher mechanische Vorgänge waren, ist heute computergestützt: Das Batteriemanagement, die Sicherheitsfunktionen, die Berechnung, wie viel Drehmoment der Fahrer will oder braucht, die GPS-Position zur Schätzung der Referenzgeschwindigkeit und eine Vielzahl weiterer Messwerte werden komplett elektronisch verarbeitet. Die Antriebssteuerung, zum Beispiel, war früher ein großer mechanischer Brocken unter der Motorhaube. Im e-tron ist sie nur noch ein kleiner Kunststoffkasten mit Schaltkreisen in der Nähe der Fahrertür.

Die Batteriezellen stammen von Samsung und LG, der Akku für den e-tron – mit einer Reichweite von mehr als 400 km – wird anschließend von Audi montiert. Die Elektromotoren baut der Ingolstädter Hersteller selbst – und konnte daher etwas kreativer sein. Innovativ ist etwa die Kühlung der Motoren: Da sie asynchron sind, benötigen sie permanent Strom und werden sehr heiß. Außerdem dreht sich der Rotor mit 13.000 U/min. Audi ist es nun erstmals gelungen, das Kühlwasser direkt durch den Rotor zu leiten, um die Wärme abzuführen. So kann man selbst unter Wüstenbedingungen die volle Leistung des Autos nutzen.

Kameras ersetzen beim e-tron die Außenspiegel

Eine ausgefallene Ausstattung sind die Kamerarückspiegel. Wo sonst die Außenspiegel sind, sind beim e-tron Kameras an schwarzen Streben montiert. Sie verleihen dem Auto einen Hauch von Science-Fiction-Charakter – und reduzieren den Luftwiderstand minimal. Die Bilder der Kamera werden an kleinen Displays auf den Innenseiten der Türen angezeigt. Das bedeutet, dass man stärker mitdenken muss, um zu begreifen, was gerade hinter dem Auto passiert. Das nervte bei unserem Test ein wenig.

Das neue System hat noch weitere Tücken: So gibt es keine Möglichkeit, die Helligkeit der Bildschirme anzupassen. Wenn die Sonne hell scheint oder man Sonnenbrillen trägt, wird es schwieriger, alles auf den Displays zu erkennen. Aufgrund bestimmter Vorschriften durfte Audi auch keinen Nachtsichtmodus in das System oder die Objekterkennung integrieren. Neben der konventionellen Innenraumgestaltung hat Audi hier die zweite Chance verpasst: Die Kamera hätte eine großartige Innovation werden können. Nun ist sie zu einer Beeinträchtigung geworden – wenn auch zu einer unterhaltsamen.

Fazit: Der e-tron macht Spaß

Bei der Fahrt in der namibischen Wüste – auf pulvrigem Untergrund, der auch rutschenden Schnee simulieren sollten – zeigte der e-tron eine überaus gute Leistung. Das elektrische Quattro-System leitet das Drehmoment nahtlos auf das Rad mit der größtmöglichen Traktion, um das Auto durch Kurven zu schieben. Daher macht es richtig Spaß und keine Mühe, den e-tron zu fahren. Gefallen hat uns auch, dass Audi im Gegensatz zu anderen Herstellern auf Fake-Motorgeräusche vom Band oder simulierte, elektrische Knistergeräusche zu verzichten.

Der e-tron gehört nicht zu den den Allradfahrzeugen, die einen wirklich überall hinbringen, wie ein Toyota Land Cruiser, aber er sollte mit so gut wie jeder Situation fertig werden, in die ein durchschnittlicher Fahrer geraten kann. Dank der Federung, mit der das Fahrzeug abgesenkt und angehoben werden kann, sowie dem ausgezeichneten neuen Quattro-System, sind auch kleine Sanddünen kein Problem. Man bekommt also einen schnellen, leistungsfähigen, intelligenten, vollelektrischen SUV für rund 80.000 Euro, der sich sehr gut fährt und mit schwerem Terrain fast genauso gut fertig wird wie mit dem Weg zur Schule und dabei eine Reichweite von weit über 400 km hat.

Wenn man bedenkt, dass der e-tron zur ersten richtigen Generation von Elektroautos für den Massenmarkt ist – zusammen mit den Modellen von Tesla und dem Jaguar I-PACE – dann sieht die Zukunft für diesen neuen Sektor der Autoindustrie ziemlich gut aus. Denn das ist ein verdammt guter Anfang.

WIRED.uk

Dieser Artikel erschien zuerst bei WIRED.uk
Das Original lest ihr hier.

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