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Wie Facebook und YouTube Netflix Konkurrenz machen

von Elisabeth Oberndorfer
Alle Tech-Riesen arbeiten an einer Bewegtbild-Offensive, von der in erster Linie das Publikum profitiert. Mit den Investments in eigenproduzierte Videos wollen Social-Media-Portale ihre Zukunft sichern – und Streamingdienste wie Netflix und Amazon Prime angreifen.

Video steht bei den Tech-Konzernen nach wie vor und zunehmend ganz oben auf der Agenda: YouTube kündigte vergangene Woche an, 40 neue Shows zu produzieren. Apple will mit Serien wie „Planet of the Apps” den Streaming-Dienst Apple Music aufwerten. Und Facebook soll im Juni mehrere TV-Shows starten, besagen neue Insider-Berichte. Hunderte Millionen US-Dollar investiert allein YouTube in seine neuen Formate. Diese Zahl ist noch weit entfernt von den sechs Milliarden US-Dollar, die Netflix dieses Jahr in Eigenproduktionen steckt. Doch einiges deutet daraufhin, dass die Online-Portale den Streaming-Hype und den Erfolg mit eigenproduziertem Bewegtbild nicht mehr nur Netflix und Amazon Prime überlassen wollen.

Schon 2016 startete YouTube den Bezahldienst „Red“, bei dem in einer werbefreien Umgebung auch exklusive Inhalte zu finden sind, die nicht in der kostenlosen Version abrufbar sind. „Wenn du eine Show machen willst, mach’ sie bei YouTube Red. Da fließen Millionen rein”, plapperte YouTuber Shane Dawson unlängst in seinem Podcast aus. Das war allerdings bevor CEO Susan Wojcicki bei der Fachkonferenz „NewFronts“ am Donnerstag die nächste Strategie vorstellte: Die neuen TV-Shows der Google-Tochter werden nicht bei „Red“ veröffentlicht, sondern auf der allgemein zugänglichen Plattform. Denn mit der Bezahlschranke soll es inoffiziellen Zahlen zufolge nicht gut laufen. Im Sommer 2016 hatte „YouTube Red“ demnach 1,5 Millionen Abonnenten, die pro Monat 9,99 US-Dollar zahlten. Google hat bislang keine Nutzerzahlen des kostenpflichtigen Streaming-Dienstes genannt.

Dass YouTube für seine teuer produzierten Shows auf die Paywall verzichtet, ist wohl auch ein Versuch, sich mit den Werbern zu versöhnen. Wegen radikaler Inhalte wendeten sich in den vergangenen Monaten große Werbetreibende von dem Portal ab. „Wir entschuldigen uns dafür, dass wir einige von uns enttäuscht haben. Wir können und werden es besser machen”, richtete YouTube-Geschäftsführerin Susan Wojcicki der Werbebranche aus. Mit den geplanten Serien, für die sich Google Stars aus der Musik- und TV-Branche mit hoher Social-Media-Reichweite holt, schafft der Videoriese ein qualitatives Werbeumfeld. 2016 erzielte YouTube laut Statista einen Werbeumsatz in Höhe von 2,92 Milliarden US-Dollar, 2018 könnten es 3,96 Milliarden Dollar sein. 

Indirekt zwingt YouTube mit seiner Initiative auch seine Content-Creators zum Erwachsenwerden: Für das Partner-Programm gelten neuerdings strengere Regeln, YouTuber beschweren sich immer öfter über sinkende Werbeeinnahmen. Offenbar will die Videoplattform sicherstellen, dass der Hype zu einem langfristigen Trend wird. Professionell produzierte Inhalte statt Prank-Videos könnten ein Erfolgsfaktor dafür sein.

Facebooks Interesse an Eigenproduktionen lässt sich auf einen prominenten Neuzugang im Sommer 2016 zurückführen. Der Konzern holte Ricky Van Veen, Mitgründer des Videoportals College Humor, um die Offensive zu entwickeln und durchzuführen. Er soll seinem neuen Arbeitgeber beibringen, wie Clips in sozialen Medien massenhaft Aufrufe generieren. Erste Berichte über eigene TV-Shows gab es schon Ende des Jahres. Nach einigen Verzögerungen will Facebook seinen Einstieg ins Serien-Geschäft im Rahmen des Cannes Festivals im Juni präsentieren – dort, wo auch Snapchat vergangenes Jahr um die Werbebranche buhlte

Bewahrten sich die Berichte, so hat es Facebook ebenso wie YouTube auf die Marketingbudgets, die jetzt vom Fernsehen in die digitalen Kanäle fließen, abgesehen. Auf diesen Budgettopf sind die Streaming-Portale Netflix und Amazon Prime Video mit ihren Bezahlmodellen aktuell nicht angewiesen. Aber sie müssen mit den anderen Playern im Netz künftig um die teure Währung Aufmerksamkeit kämpfen. Apple hingegen will mit Eigenproduktionen wie „Planet of the Apps” seinen Musikdienst aufwerten und so Abonnenten von Spotify und anderen Musikportalen abwerben. Snapchat-Betreiber Snap – das einzige der genannten Tech-Unternehmen, das in der Filmmetropole Los Angeles sitzt – will nach ersten Flops ebenfalls weiterhin auf Eigenproduktionen sowie Videoformate von Medienpartnern setzen. Die Videobeiträge sind Snapchats Chance, sich vom wachsenden Mitbewerber Instagram abzuheben

Und dann ist da noch Twitter, das seit Jahren wegen seines mäßigen Nutzerwachstums das Problemkind der Social-Media-Welt ist. CEO Jack Dorsey kündigte ebenfalls auf der NewFronts-Konferenz vergangene Woche 16 neue Partner für Livestreaming-Formate an. Zwei Tage später übertrug Twitter die Nike-Livekampagne #Breaking2. Der Versuch, einen Marathon unter zwei Stunden zu laufen, scheiterte zwar, sorgte aber für hohe Interaktion auf dem Microblogging-Dienst. Statt aufwendiger, mehrteiliger Produktionen braucht Twitter Live-Ereignisse wie diese, um Reichweite aufzubauen und Werbepartner anzuziehen.

Die Investitionen in Bewegtbild sind für die Social-Media-Portale der Versuch, uns User bei Laune zu halten, wenn wir nicht mehr kommentieren, liken oder Fotos posten wollen. Es ist die langfristige Strategie, einen signifikanten Anteil des Internet Traffics, der laut einer Studie von Cisco 2020 79 Prozent durch Videostreaming belegt sein wird, zu halten. Zumindest Facebook will seine knapp zwei Milliarden Nutzer auf die virtuelle Welt vorzubereiten. Denn das Social Network hat den durchgesickerten Infos zufolge eine Dating-Show im Virtual-Reality-Format gekauft. Vom verstärkten Wettbewerb im Video-Streaming profitiert zuerst das Publikum, denn in diesem Jahr bekommen wir kostenlos qualitativ produzierte Shows zu sehen. Wenn Facebook und YouTube mit diesem Ansatz erfolgreich sind, müssen Netflix und Amazon ihre Preispolitik überdenken. 

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