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StartupDiaries / Wo gründet man am besten in Lateinamerika?

von Tim Rittmann
In den WIRED-StartupDiaries geht es immer wieder um Jungunternehmer, die von Lateinamerika aus arbeiten. Viele von ihnen sind digitale Nomaden oder Expats, die zusammen mit einer Firmenidee den Atlantik überquert haben — denn gründen kann man nicht nur im Silicon Valley. Auch in Südamerika gibt es genug Förderprogramme, Accelerators, Inkubatoren, Akademien und Bootcamps für Startup-Menschen.

Santiago, Chile


Fabian, Dominic und Vin hatten ausgiebig Gelegenheit, sich bei Start-Up Chile in Santiago umzusehen, einem staatlichen Förderprogramm, das für jede erfolgreichen Bewerbung umgerechnet 30.000 Euro bereitstellt. Pro Jahr gibt es drei Förderphasen, und etwa eine von acht Bewerbungen wird angenommen. Gründer aus 75 Länder haben dank des Programms schon ein Jahr in Santiago verbringen können. Auch wenn sie irgendwann wieder das Land verlassen, sollen sie doch vorher dabei helfen, eine Startup-Kultur in Chile zu entwickeln, indem sie sich verpflichten, ihre Erfahrungen auf Konferenzen zu teilen und als Mentoren junge Chilenen unter ihre Fittiche zu nehmen. Das ist der Deal: Cash gegen Kultur.

In Berlin musst du oft nur Geschäftsmodelle replizieren. Hier sind die Leute eher offen für etwas wirklich Neues.

Sara Maria Spiller, manetch

„Um angenommen zu werden, braucht man keine große Business-Erfahrung“, sagt Sebastian Vidal, Geschäftsführer von Start-Up Chile. „Aber neben einer guten Bewerbung samt Video und Empfehlungsschreiben sollte man schon mal bewiesen haben, dass man Dinge auch wirklich durchzieht.“ Hat man es einmal geschafft, bekommt man ein Soft-Landing, das heißt, sämtliche Bürokratie wird einem abgenommen. Sara Maria Spiller vom Berliner Startup manetch hat den Bewerbungsprozess durchlaufen. „Es ist relativ leicht und kostet nicht viel Zeit“, sagt die 37-Jährige. „Man sollte jedoch sein Team bereits zum Zeitpunkt der Bewerbung zusammen haben, zumindest für die wichtigsten Positionen.“ Spanisch-Kenntnisse sind von Vorteil, aber nicht obligatorisch.

Vor allem aber werden unkonventionelle Ideen gesucht. „In Berlin ist es oft so, dass du bestimmte Geschäftsmodelle replizieren können musst, sonst wird es schwierig. Hier sind die Leute eher offen für etwas wirklich Neues“, sagt Spiller.

Medellin, Kolumbien

Zu Beginn der Neunzigerjahre war Medellin eine Kokain-Hochburg, in der der Drogenbaron Pablo Escobar eine private Fehde mit Polizisten und Politikern austrug. Es war eine verrückte, blutige Zeit, in der die Stadt als gefährlichste der Wellt galt. 2014 verzeichnete sie immer noch 26,7 Mordopfer pro 100.000 Einwohner (zum Vergleich: in Deutschland sind es 0,8), aber dabei handelt es sich um den niedrigsten Wert seit Jahrzehnten.

Kolumbien spendiert den jungen Ausländern keinen Urlaub auf Staatskosten.

Vor allem aber gilt Medellin — mangels passenderer Vergleiche — inzwischen als das Silicon Valley Lateinamerikas, noch vor Santiago de Chile und São Paulo. Ein großer Standortvorteil: Medellin teilt sich eine Zeitzone mit der amerikanischen Westküste, was die Kommunikation erleichtert. Im Norden der Stadt wurde mit dem 32.000 Quadratmeter großen Ruta N Complex ein ganzer Technologie-Distrikt aus dem Boden gestampft. Dort können Gründer aus dem Ausland ihre ersten Schritte tun, sich mit der Stadt vertraut machen, um dann nach bis zu zwei Jahren wiederum Platz zu machen für die nächsten, nachrückenden Unternehmen. Begehrt sind Spezialisten aus den Bereichen Technologie, Wissenschaft, Medizin und Energie. Sie helfen nicht nur dabei, die Stadt international zu vernetzen, sondern auch bei der Rehabilitierung.

Aber Kolumbien möchte jungen Ausländern — mit Blick auf Chile — keinen Urlaub auf Staatskosten finanzieren. In Chile verlassen viele ausländische Gründer das Land, nachdem sie die Förderung erhalten und ihr Business aufgebaut haben. In Kolumbien gibt es deswegen kein hoch dotiertes staatliches Förderprogramm für Expats, sondern Zugang zu Risikokapitalgebern, niedrige Steuern, Barrierefreiheit bei der Gründung von Unternehmen und die Vorzüge einer Freihandelszone. In der Hauptstadt Bogotá hat sich Wayra, der Startup-Accelerator von Telefónica, niedergelassen. Gründer können Fördersummen von bis zu 50.000 Dollar bekommen.

São Paulo, Brasilien


Es ist etwas kompliziert mit São Paulo. Die gesamte Stadt hat inklusive Umland ungefähr so viele Einwohner wie Argentinien (knapp 40 Millionen) und erwirtschaftet im Jahr in etwa so viel wie die Türkei (etwa 800 Milliarden Euro). Der Markt ist gewaltig und die Stadt dehnt sich in alle Himmelsrichtungen aus, was nicht wirklich schön anzusehen ist. Die Kriminalitätsrate ist hoch, Korruption überall, zudem ist guter Wohnraum teuer. Trotzdem haben sich gleich 22 Inkubatoren hier angesiedelt.

Ein Satz der gar nicht geht: Ich spreche kein Portugiesisch.

Die brasilianische Regierung hat 2014 rund 78 Millionen Euro in das staatliche Förderprogramm Start-Up Brazil gepumpt. Gründer, deren Firma nicht älter ist als vier Jahre ist, können bis zu 77.000 Euro erhalten (die nächste Einreichungsfrist endet am 24. Oktober). Wer schon ein funktionierendes Team zusammengestellt und ein Produkt gelauncht hat sowie Nutzer und Umsatz nachweisen kann, wird zusätzlich vom Accelerator-Programm 21212 betreut und gefördert.

Wer sich fördern lassen möchte, auf den wartet allerdings ein Papierkrieg, der deutsche Steuererklärungen wie einen Kauf im App-Store aussehen lässt. Außerdem werden ausländische Startups mit 17 Prozent besteuert, und das nicht auf die Gewinne, sondern den Umsatz. Gleichzeitig ist die Millionärsdichte hier höher als in vielen anderen Städten, entsprechend viele Angel Investors warten auf ein nächstes Dafiti oder Peixe Urbano, zwei der erfolgreichsten Start-Ups des Landes. Zu guter Letzt ein Satz, der gar nicht geht in São Paulo: Eu não falo português — ich spreche kein Portugiesisch./p>

Buenos Aires, Argentinien


Noch komplizierter ist es mit der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires. Die gefühlte Nähe zu Europa ist auch für Gründer spürbar, denn es gibt hier über 400 Startups. MercadoLibre, das argentinische Ebay, wird als eines der wenigen lateinamerikanischen Jungunternehmen am NASDAQ gehandelt. Außerdem hat der große Risikokapitalgeber Kaszek Ventures sein Hauptquartier in Buenos Aires aufgeschlagen. Der deutsche Serial Entrepreneur Tim Delhaer etwa ist begeistert vom großen Pool an Talenten, aus dem die Gründerszene des Landes schöpft. Die Bildung ist hoch, die durchschnittlichen Löhne sind mit etwa 550 Euro pro Monat auch für Startups zu stemmen. Der lokale Accelerator NXTP Labs lobt eine Förderung von 25.000 Euro für innovative Tech-Unternehmen aus.

Es kostet nur ein paar Tage Zeit und 300 Dollar, hier ein Business zu eröffnen.

Trotzdem hat Argentinien einen schlechten Ruf unter Investoren. Die gelenkte Volkswirtschaft des Landes und die Politik werden immer wieder von Krisen erschüttert. Anfang des Jahres wurde Präsidentin Cristina Fernández der Kirchner beschuldigt, für den Tod eines kritischen Sonderstaatsanwaltes verantwortlich zu sein. 2014 wurde der Peso abgewertet — wieder einmal. Außerdem ist es nahezu unmöglich, größere Dollarbeträge einzutauschen. Gleichzeitig kostet es nur ein paar Tage Zeit und umgerechnet etwa 300 Euro, um hier ein Business zu eröffnen. 

In der letzten Folge StartupDiaries ging es vor allem um Gründerinnen in Lateinamerika und die Frage, warum sich dort so wenig Frauen selbständig machen.

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