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Schlingert SoundCloud seinem Ende entgegen?

von Elisabeth Oberndorfer
Verluste, Entlassungen, vergebliche Suche nach Käufern: Die Krise bei SoundCloud ist nicht mehr wegzudeuten. Künstler suchen bereits nach Alternativen zur Musikplattform. Und Konkurrenten versuchen, Mitarbeiter abzuwerben. Hat SoundCloud eine Chance?

SoundCloud kämpft um seine Zukunft. Das Musik-Startup aus Berlin schafft es offenbar nicht, sich als nachhaltiges Streaming-Portal zu etablieren. Bilanz der vergangenen Monate: Eine vergebliche Käufersuche, zweistellige Millionen-Verluste, zwischendurch eine Finanzspritze in Höhe von 70 Millionen US-Dollar, die aber nur für kurze Zeit half – nun zahlreiche Entlassungen. Die aktuellste Reichweitenzahl, die das Unternehmen veröffentlicht, sind 175 Millionen monatlich aktive Nutzer. Doch diese Zahl hat SoundCloud seit drei Jahren nicht aktualisiert, zum Wachstum – oder der Stagnation – will sich das Startup nicht äußern.

Trotz Dauerkrise bleibt SoundCloud ein wichtiger Teil der digialen Musikszene. „Nach wie vor sind sehr viele Künstler auf SoundCloud angewiesen – auch wenn die Plattform infolge von nicht nachvollziehbaren Änderungen in den letzten Jahren für sehr viel Unruhe in Künstlerkreisen gesorgt hat“, sagt Branchenexpertin Barbara Hallama, die unter anderem bei Apple für iTunes tätig war und als DJ selbst bei SoundCloud vertreten ist. „Die Reichweite, die man dort bekommt, kann auf keiner anderen vergleichbaren Plattform erreicht werden.“ 

Die Musikindustrie habe es „mit allem, was in ihrer Macht steht, geschafft, die Plattform ihren Regeln zu unterjochen“, kritisiert die Beraterin und SoundCloud etwa gezwungen, DJ-Mixe aufgrund fehlender Verwertungsrechte zu entfernen. „Eine Community, die SoundCloud am Anfang regelrecht umarmt hatte, wurde so bestraft“, sagt Hallama. Auch sie selbst habe dadurch schon Mixe verloren – und damit zugleich Reichweite und Kommentare der Nutzer. Dass SoundCloud dem Druck der Musiklabel nachgegeben habe, sähen viele Musiker extrem kritisch: „Der Ausverkauf, der Verrat an den Leuten, die die Plattform bekannt gemacht haben“, sei der größte Vorwurf der Künstler-Community gegen das Berliner Startup, sagt die Analystin.

Könnte SoundCloud tatsächlich am Ende sein? Viele Nutzer hofften natürlich, dass es nicht dazu komme, sagt Hallama. Aber derzeit werde in der Szene oft über Alternativen diskutiert. Sie empfehle Künstlern auch, mehrere Services zu nutzen, anstatt auf einen einzelnen zu vertrauen.

Hinter den Entlassungen, die 40 Prozent der Belegschaft betreffen, vermutet Hallama einen weiteren Versuch, SoundCloud als Übernahmekandidat zu positionieren. Zuletzt war das französische Streaming-Portal Deezer als Interessent im Gespräch. SoundCloud-CEO Alex Ljung betonte in seinem Blogpost allerdings, dass das Unternehmen mit den Sparmaßnahmen profitabel werden und unabhängig bleiben soll.

Dass Sparen nötig ist, habe mit der Zögerlichkeit des Dienstes zu tun: „Die Möglichkeit, Musik zu monetarisieren, hat SoundCloud schlicht und ergreifend verschlafen. Und nun ist es zu spät”, analysiert die Musikexpertin. Im März 2016 startete die Berliner Musikplattform den Bezahldienst „Go“ in den USA, in Deutschland erst im Dezember. „Reine Musik-Streaming-Plattformen, die keine anderen Einnahmemöglichkeiten im Hintergrund haben, können offensichtlich derzeit nicht profitabel sein“, erklärt Hallama mit Blick auf die Verluste bei Spotify. Die einzige unabhängige und profitable Plattform sei Bandcamp.

Das Fachblog Digital Music News sieht einen weiteren Fehler darin, dass das Startup bei der Einrichtung seiner internationalen Büros zu viel Geld verprasst habe. 

Analyst Mark Mulligan von Midia Research sieht den Grund des Scheiterns ebenfalls bei der Monetarisierung. Soundcloud brauche ein Ökosystem, in dem es seine Eigenarten pflegen und entwickeln könne und sich nicht selbst um Einnahmequellen kümmern müsse. Als wirklichen Vorteil des Startups sieht der Marktforscher die Beziehung zwischen den Künstlern und den Fans auf der Plattform, den Musikkatalog und den Ruf von SoundCloud als Sprungbrett für Newcomer. Diese drei Komponenten biete derzeit keine andere Plattform. Ein weiterer Mehrwert für andere Streaming-Anbieter ist laut Mulligan der Fokus auf die „Gen Z“, die Generation der unter 19-Jährigen. „Bei den 16- bis 19-Jährigen ist die Durchdringung bei SoundCloud höher als bei Apple Music, Amazon Prime Music, Tidal und Deezer. Nur Spotify ist weiter.“

Die mehr als 170 Mitarbeiter, die von den Kürzungen betroffen sind, scheinen sich indes um ihre berufliche Zukunft nicht unbedingt Sorgen machen zu müssen: In der öffentlichen Tabelle „Hire a SoundClouder“ tragen sich derzeit Personalabteilungen von Unternehmen ein, die Mitarbeiter suchen. Am Montag waren es bereits über fünfzig.

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