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So kann Künstliche Intelligenz im Kampf gegen Krebs helfen

von Tobias Schaffrath Rosario
Wird KI zur Wunderwaffe im Kampf gegen Krebs? Forscher, Politiker und Unternehmen setzen jedenfalls große Hoffnungen in intelligente Maschinen. Schon jetzt helfen sie bei der Diagnose, erkennen einzelne Krebsarten besser als Ärzte. Irgendwann wird sich allerdings die Frage stellen, wer das letzte Wort haben soll: Mensch oder Maschine?

Es beginnt mit schwarzen Flecken auf der Haut. Sind es nur harmlose Muttermale? Oder doch „schwarzer Hautkrebs“? Auch Ärzte können das oft nicht genau sagen. Im Zweifelsfall schneiden sie die Muttermale also lieber heraus, um sie ins Labor zu schicken. Dabei stellt sich in 97 bis 99 Prozent der Fälle heraus, dass es kein Hautkrebs ist. Die Art der Diagnose ist also nicht nur schmerzhaft – sie ist auch ziemlich ineffizient. Wieso werden trotzdem so viele Patienten operiert?

Weil der der „schwarze Hautkrebs“ nicht nur die Krebsart ist, die sich am schnellsten ausbreitet, sondern auch eine der gefährlichsten: Im frühzeitigen Stadium kann man ihn noch gut behandeln. Doch bricht er einmal aus, gibt es kaum noch Chancen auf Heilung. Es ist also eine echte Frage von Leben oder Tod, ob der Hautkrebs frühzeitig erkannt wird. Natürlich gehen Mediziner dann lieber auf Nummer sicher.

KI erkennt Hautkrebs inzwischen besser als Ärzte

Forscher auf der ganzen Welt wollen bei der Diagnostik von „schwarzem Hautkrebs“ jetzt neue Wege gehen. Sie wollen ihn besser erkennen, um ihn zielgerichteter zu behandeln. Dafür benutzen Sie Künstliche Intelligenz – und scheinen damit zunehmend erfolgreicher zu sein als menschliche Ärzte. Und das ganz ohne OP.

Ein Team aus Amerika, Frankreich und Deutschland programmierte ein neuronales Netz, das auf Bildern erkennen kann, ob es sich um ungefährliche Muttermale oder um Krebs handelt. Sie ließen die KI Anfang des Jahres gegen 58 Dermatologen antreten. Die Herausforderung: Wer kann besser Hautkrebs diagnostizieren? Die Fachärzte oder die KI? Das Ergebnis: Die KI lag durchschnittlich bei 95% der Fälle richtig, die Dermatologen bei nur 86,6%. Die KI hatte die Nase vorn. Ähnlich fielen auch schon die Ergebnisse bei anderen Studien aus.

Das Berliner Start-Up Magnosco geht sogar noch einen Schritt weiter: „Wir gucken uns nicht nur Fotos von der Haut an, sondern wir gucken mit einem Laser auch unter die Haut“, erklärt Geschäftsführerin Inga Bergen im Interview mit WIRED.

Das System funktioniert so: Dem Start-up ist es gelungen, einen Farbstoff der Haut, das Melanin, durch Bestrahlung mit einem Laser zum Fluoreszieren zu bringen. Mit diesem Laser werden also Muttermale bestrahlt, die krebsverdächtig scheinen. Eine gesunde Hautzelle leuchtet dabei anders als eine kranke. Es entsteht ein Art „Fingerabdruck“ des Muttermals. Die KI untersucht nun diesen Fingerabdruck und vergleicht ihn mit tausenden anderen Fingerabdrücken von gesunder und kranker Haut. Darauf basierend gibt sie an, wie wahrscheinlich es sich bei dem untersuchten Muttermal um Krebs handelt.

Nicht nur die Genauigkeit der KI ist dabei besser als die der Ärzte. Die Ärzte unterliegen ihr in vielen Punkten. Ein Arzt könnte unter dem Mikroskop den Fingerabdruck eines Muttermals zwar auch erkennen, aber in einem Muttermal befinden sich Millionen von Melanin-Zellen. Ein Mensch wäre kaum in der Lage, all diese Zellen zu untersuchen und darin Muster zu erkennen. Außerdem ist die KI unabhängig von äußeren Einflüssen – ein Computer hat keinen schlechten Tag, wenn er gesundheitlich angeschlagen ist. Auch braucht die Magnosco-KI keine OP mit möglichen Nebenwirkungen, um ein Muttermal zu untersuchen.

Auch die Bundesregierung will auf KI setzen

Das Potential von KI bei der Bekämpfung von Krebs hat mittlerweile auch die Politik erkannt. So ist KI für die britische Premierministerin Theresa May „eine neue Waffe im Kampf gegen den Krebs.“ Anfang Mai kündigte sie an, Millionen in die KI-Forschung im Gesundheitswesen investieren zu wollen. Damit sollen bis 2033 jährlich 22.000 Todesfälle durch Krebs verhindert werden.

Auch in Deutschland will man die Forschung vorantreiben. Die Bundesregierung hat zwar noch keinen konkreten Pläne vorgelegt, aber auch hier denkt man, dass KI eine Schlüsselrolle im Kampf gegen den Krebs spielt. „In der Nationalen Dekade gegen Krebs, die die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode aufsetzen wird, werden die Digitalisierung und auch KI daher eine besondere Rolle einnehmen“, teilt das Forschungsministerium auf WIRED-Anfrage mit.

Die Visionen enden aber nicht bei der Diagnose von Krebs. Forscher der amerikanischen „Cancer Moonshot Initiative 2020“ glauben sogar, dass Künstliche Intelligenz den Krebs besser behandeln kann als Menschen. Denn bisher gilt als eine der größten Schwierigkeiten bei der Therapie, dass der Krebs jeden Körper auf eine andere Art angreift. Um den Krebs am besten zu bekämpfen, müssten Ärzte also die genaue DNA des Patienten kennen, um eine personalisierte Behandlung vorzuschlagen. Eine Aufgabe, die für das menschliche Gehirn viel zu umfangreich ist, nicht aber für die KI, sagt jedenfalls die „Moonshot Initiative“.

Wer soll über die Krebstherapie entscheiden: Mensch oder KI?

Wird die Künstliche Intelligenz wirklich besser darin, den Krebs zu bekämpfen als der Mensch, ist folgendes Szenario denkbar: Die Ärzte werden der KI assistieren und nicht mehr anders herum. Die Ärzte würden lediglich eine beratende Rolle einnehmen. Sie würden empfehlen, welche KI ein Patient nutzen soll, und die Behandlung mit Tipps begleiten. Alle medizinischen Entscheidungen würden Algorithmen treffen.

Wäre eine solche Zukunft erstrebenswert? Um das zu entscheiden müssen sich Politik, Gesellschaft und letztlich die betroffenen Patienten die ethische Frage stellen, wie die Medizin in Zukunft aussehen soll: Soll der Mensch oder die Maschine das letzte Wort haben?

Für die Maschine sprechen eine hohe Treffsicherheit, ein beinahe unbegrenzter Wissensschatz und die Fähigkeit, Mengen an Daten zu verarbeiten, die das menschliche Gehirn komplett überfordern würden. Für den Menschen sprechen seine Intuition, seine Erfahrung und vor allem seine Fähigkeit, ganzheitlich zu denken. Die KI ist nur darin gut, wofür sie auch trainiert wurde.

Wird die KI also Ärzte in Zukunft ersetzen, wenn sie Krebs sogar besser behandeln kann? „Nein“, sagt Inga Bergen, die Geschäftsführerin von Magnosco. „Unser System hilft den Ärzten nur bei der Diagnose. Mit den Ärzten ist es ähnlich wie mit den Piloten – der Mensch trifft die Entscheidung, wird aber von der Technik unterstützt.“

Ärzte werden zu Piloten

Der Patient müsste sich also nicht zwischen Mensch und KI unterscheiden, er könnte auch eine Kombination wählen: Ärzte könnten Piloten sein, wie es Inga Bergen vorschlägt. Sie tragen die Verantwortung, lassen sich aber von KI-Systemen assistieren. Die KI würde den Arzt in den Feldern zuarbeiten, in denen sie besser ist, zum Beispiel bei der Erkennung von Mustern in kranken Hautzellen. Wie die Diagnose der KI zu bewerten ist, würde aber immer noch der Arzt entscheiden. Hier könnte der Mensch seine Fähigkeiten, seine Erfahrungen und sein Wissen ins Spiel bringen.

Wie das Beispiel von Magnosco zeigt, birgt KI eine Menge Chancen für die Medizin: Durch KI kann wohl schon bald der „schwarze Hautkrebs“ besser und schmerzfreier diagnostiziert werden. Und es dürfte wahrscheinlich nicht beim „schwarzen Hautkrebs“ bleiben. Schritt für Schritt könnte KI zur wichtigen Waffe im Kampf gegen Krebs werden.

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